Studie zum Outsourcing

Bei Offshoring Angst um den Datenschutz

17.09.2012 von Andrea König
Weniger als jedes dritte Unternehmen lagert bereits IT in ferne Länder aus oder plant Offshoring. Hauptgrund sind laut Steria Mummert Datenschutzbedenken.
40 Prozent der Unternehmen lagern bereits ganze Geschäftsprozesse aus.
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Die IT-Beratung Steria Mummert hat für ihre Studie "Erfolgsmodell Outsourcing 2011" mit 207 Entscheidern aus deutschen Unternehmen gesprochen. 94 Prozent berichteten, dass Outsourcing-Projekte bei ihnen auf der Agenda stehen. 78 Prozent der Befragten stufen die Relevanz von Outsourcing für den Unternehmenserfolg als hoch ein. Ein Jahr zuvor sahen das nur 68 Prozent der Befragten so. Unwichtig ist das Thema für sechs Prozent der Unternehmen.

Das Auslagern ganzer Geschäftsprozesse (BPO) wie zum Beispiel der Gehaltsabrechnungen ist die beliebteste Outsourcing-Form unter den Befragten. Fast drei Viertel der Unternehmen haben bereits BPO umgesetzt oder planen dies konkret (bei 40 Prozent umgesetzt, bei 32 Prozent konkret geplant). In weiteren Outsourcing-Disziplinen verfolgen mehr als die Hälfte der Unternehmen entweder konkrete Pläne oder sie haben diese bereits umgesetzt: Beim Infrastruktur Outsourcing, bei dem etwa das Netzwerk oder der Helpdesk ausgelagert werden (bei 30 Prozent umgesetzt, bei 33 Prozent konkret geplant) sowie beim Application Management (AM) durch IT-Service-Provider (bei 13 Prozent umgesetzt, bei 44 Prozent konkret geplant).

Was aus Outsourcing-Trends wurde
Vorhersagen für 2011 "revisited"
Viele Outsourcing-Trends haben sich nicht durchgesetzt: Cloud-Services und die Schatten-IT blieben Randthemen. Auch neue Marktteilnehmer sucht man vergebens.
Outsourcing-Verträge auf dem Prüfstand
Kosteneinsparungen beim IT-Outsourcing sind nicht wirklich neu. IT-Verantwortliche haben das schon immer gemacht. IT-Budgets stehen unter Druck und CEOs und CFOs verlangen von ihren IT-Leitern, von den IT-Outsourcing-Providern (ITO) für weniger Geld mehr Leistung herauszuholen. Outsourcing-Vereinbarungen werden in der Regel nachverhandelt, um Kosten zu senken. Doch 2011 waren die Potenziale in diesem Bereich weitgehend ausgeschöpft.
Outsourcing Provider: Herantasten an die Cloud
Herkömmliche Outsourcing-Anbieter müssen mit der Zeit gehen und ihren Kunden auch Cloud-Services anbieten. Doch meist handelt es sich um herkömmliche Outsourcing-Pakete in neuer Verpackung. Cloud-Services sind im Hinblick auf die Datensicherheit und die gemeinsame Nutzung von IT-Infrastrukturen und -Ressourcen noch nicht reif für den Massenmarkt.
Outsourcing-Dienstleister halten an ihren Preisen fest
Das stimmt in den meisten Fällen. Allerdings gibt es häufig eine Art "quid-pro-quo"-Deals zwischen dem IT-Outsourcer und seinen Kunden. Ersterer gibt einen Preisnachlass und erhält dafür im Gegenzug von Letzteren eine längere Vertragslaufzeit.
Kostensenkungen durch Offshoring und Entlassungen
Alle großen US-Service-Provider haben im abgelaufenen Jahr ihre Offshore-Aktivitäten rund um den Globus weiter vorangetrieben und im Ausland in Arbeitskräfte investiert. Umgekehrt tun indische Outsourcing-Provider sich aufgrund von Einschränkungen bei der Visa-Vergabe schwer damit, in den USA Fuß zu fassen, was der US-Politik den Vorwurf des Protektionismus einbringt.
Mega-Merger zwischen US- und indischem ITO
Beobachter und Experten haben den Zusammenschluss zwischen einem namhaften indischen Outsourcing-Provider und einem multinational tätigen Outsourcing-Unternehmen aus den USA vorausgesagt. Dazu ist es bisher nicht gekommen.
China, Brasilien und Ägypten entern die Bühne
Ägypten hat in diesem Jahr für Schlagzeilen gesorgt, aber nicht im Hinblick auf das IT-Outsourcing. China und Brasilien boomen als Outsourcing-Provider für IT- und Business-Process-Services (BPO) - aber nur im jeweils heimischen Markt. Beide Länder sind derzeit nicht in der Lage, die von Unternehmen geforderten hochwertigen Services auch außerhalb ihrer Grenzen bereitzustellen.
Automatisierung soll Marge retten
Service-Provider verkaufen Automatisierungs-Tools an ihre Kunden, um Margen zu schützen: Dieser Trend setzt sich nur sehr langsam durch. Speziell bei komplexen Aufgaben und Prozessen ist eine Automatisierung problematisch.
Die "Schatten-IT" nimmt zu
Nicht bestätigt hat sich die These, dass Fachanwender die IT-Abteilung umgehen und massenhaft Public-Cloud-Services ohne deren Zustimmung nutzen und sich dadurch eine Schatten-IT im großen Stil etabliert. IT-Organisationen achten in der Regel auf alle IT-technologischen Aktivitäten im Unternehmen und verhindern durch Governance-Modelle unabgestimmte Cloud-Deals des Business.
Kunden akzeptieren Standard-Services
Laut Stephanie Overby wird hierbei viel Wind um nichts gemacht. Unternehmen würden standardisierte Services zwar akzeptieren, doch die meisten Anbieter sind nicht in der Lage diese umzusetzen, denn die Anforderungen des Business sind sehr komplex und individuell. Das wiederum erfordert ein hohes Maß an Customizing. Genau das ist auch eine Barriere für die allgemeine Cloud-Nutzung, die weitgehend standardisierte Prozesse voraussetzt.

Der Anteil von Unternehmen, die Softwaretests an externe Dienstleister auslagern oder das konkret planen, liegt bei 53 Prozent (bei 16 Prozent umgesetzt, bei 37 Prozent konkret geplant). Ein Jahr zuvor gab nur etwas mehr als ein Drittel der Befragten an, dass sie Managed Testing Services nutzen oder dies bereits planen. Konkrete Pläne gibt es dafür besonders häufig bei der Transport-Branche, in IT-Unternehmen und in Banken.

Die Antwort auf die Fragen nach dem "Warum Outsourcing?" überrascht nicht, hier bleiben die Kosten der Haupttreiber. 61 Prozent der Befragten versprechen sich mit Outsourcing-Entscheidungen Ersparnisse von 20 bis zu mehr als 50 Prozent. In der IT-Branche, in Banken und Versicherungen rechnen rund drei Viertel der Befragten mit Kosteneinsparungspotenzialen von 20 bis 50 Prozent. Weitere Vorteile, die sich die Entscheider von Outsourcing versprechen, sind Entlastungen von Kapazitäten und Management.

Unternehmen stellen hohe Ansprüche an einen Outsourcing-Dienstleister: An erster Stelle bei den geforderten Anforderungen stehen Datensicherheit und Fachkompetenz (jeweils 57 Prozent). An dritter Stelle steht der Wunsch nach IT-Kompatibilität (39 Prozent). Nur knapp ein Drittel der Befragten erwartet von einem Dienstleister günstige Konditionen.

Onshore, Nearshore oder Offshore?

Unternehmen entscheiden sich bei den Outsourcing-Formen BPO, Infrastruktur-Outsourcing, Managed Testing Services und Application Management oft für das Onshore-Outsourcing. Mehr als 60 Prozent der Befragten setzen es für ihr BPO oder Infrastruktur-Outsourcing ein, planen dies oder halten es zumindest für denkbar (65 bzw. 63 Prozent). Bei Managed Testing Services sind es 46 Prozent der Unternehmen, die sich für ein Onshore-Modell entscheiden. Beim Application Management lagern die Unternehmen Service-Segmente größtenteils bevorzugt Onshore aus.

12 Outsourcing-Trends für 2012
12 Outsourcing-Trends für 2012
Verträge und Margen schrumpfen, aber Qualitätsansprüche an Outsourcing-Dienstleister steigen dennoch. Das sind die 12 Outsourcing-Trends für 2012
1. Merger & Acquisitions
Nur weil die Vorhersagen des vergangenen Jahres nicht eingetroffen sind, nach denen ein Offshore-Provider einen der großen US-Anbieter schlucken würde, heißt das nicht, dass das nicht in diesem Jahr passiert. Genau das sagt Sid Pai von TPI Indien voraus: Er rechnet damit, dass 2012 "wenigstens eine, vielleicht mehr" Großübernahmen eines westlichen Anbieters durch ein indisches Unternehmen anstehen.
2. Outsourcing-Kunden möchten es langsam
Die für dieses Jahr erwartete Erholung des Outsourcing-Marktes wird sich verzögern, schätzen die Analysten. Viele Investitionsentscheidungen würden aufgrund der unsicheren ökonomischen Lage der Weltwirtschaft (erneut) verschoben. "Einer von vier Kunden wird sich deshalb von Vertragsabschlüssen abhalten lassen", schätzt Phil Fersht. Kunden, die im Markt blieben, würden zudem - mindestens im ersten Halbjahr - weniger Abschlüsse mit einfacheren Preismodellen tätigen. Im Herbst aber, mutmaßt die Everest Group, könnte die wieder wachsende wirtschaftliche Zuversicht auch für einen Aufschwung bei Outsourcing-Deals im allgemeinen und bei Offshoring-Aktivitäten im besonderen sorgen.
3. Die Wolke kommt nieder
Das Jahr 2012 wird auch das Jahr sein, in dem die Cloud-Governance eine wichtige Rolle spielen wird. "Unternehmen werden beginnen, Firmen-Policies darüber zu formulieren, was in der Cloud sein darf, welche Daten in die Cloud wandern dürfen und wer für die Cloud-Services im Unternehmen verantwortlich ist", prognostiziert Adam Strichman von Sanda Partners. Zudem würden Fragen nach den rechtlichen Rahmenbedingungen zum Schutz der Privatsphäre und dem Zugriffsschutz auf Daten in den Vordergrund rücken, so der Analyst.
4. Kunden schauen nach Qualität, Anbieter auf Preise
Die Kunden werden bei der Vergabe von Outsourcing-Aufträgen auch weiter aufs Geld gucken, sind sich die Analysten einig. Dessen ungeachtet werden sie in diesem Jahr aber noch mehr für ihr Geld verlangen, meint Phil Fersht, mehr Flexibilität oder bessere Technologien etwa. Das Problem dabei sei aber, dass die Anbieter das nicht mitmachen wollen. Sie schauten immer noch zu sehr darauf, wie sie für ihre Kunden Kosten reduzieren können als darauf, Prozessverbesserungen und Innovationen zu realisieren, kritisiert Fersht.
5. Outsourcing-Deals schrumpfen
Früher hieß es bei den Outsourcing-Anbietern: "Go big or go home". Aber nun, nachdem sie aus den Top-100 oder -500-Unternehmen alles an Kontrakten rausgeleiert haben, was drin war, fangen auch sie mit dem Backen kleinerer Brötchen an. Das geschieht etwa durch aktive Akquise auch bei kleineren Unternehmen, notiert Shaw Helms von K&L Gates. In diesem Jahr werde die Profitrate wichtiger sein, als der bloße Umfang der Verträge, ergänze John Lytle von Compass. "Die Anbieter werden zunehmend bereit sein, ihre eigenen Umsätze mit verbrauchs- und umsatzabhängigen Preismodellen zu kannibalisieren." Das Ergebnis seien geringere Kosten bei den Kunden und eben kleinere Verträge.
6. Offshore-Anbieter übernehmen Infrastruktur-Outsourcing
Lange haben Offshore-Anbieter Infrastruktur-Kapazitäten in der Hoffnung aufgebaut, dass sie einmal jenseits von Anwendungsentwicklung und Wartungsarbeiten gebraucht würden. In diesem Jahr werden sich diese Anstrengungen auszahlen. "Im Jahr 2012 wird eine ganze Reihe von Unternehmen, die bisher ihre Infrastruktur ausschließlich US-Anbietern anvertraut haben, zu Offshore-Unternehmen wechseln", meint dazu Steve Martin von Pace Harmon.
7. Viele Account-Manager werden um ihren Job bangen, oder sich ändern
Ein Konflikt zwischen Anbietern und Kunden wird nach Meinung der Analysten eskalieren: Die Kunden seien müde davon, sich immer auf die Kosten zu konzentrieren, anstatt auf ihre eigentlichen Bedürfnisse, meint Phil Fersht von HfS Research. Die Anbieter müssten so darauf reagieren, dass sie das Beziehungsmanagement vor das Verkaufsmanagement setzten. Sonst werde es für viele Account Manager heißen: Tschüss, Verkäufer!
8. Backsourcing: Mehr Worte als Taten
Die Outsourcing-Kunden werden sich also auch in diesem Jahr über ihre Beziehungen zum Dienstleister beschweren - und sich dann doch dagegen entscheiden, die Wartung der IT wieder selber zu machen. "Unternehmen werden das evaluieren und sogar damit beginnen, den Umzug zurück ins Haus zu planen. Aber am Ende werden diese Pläne alle in der Ablage landen", ist sich Pace Harmon's Steve Martin sicher. Die Rückgewinnung der Kontrolle und die Verbesserung der IT-Services scheinen noch attraktiv zu sein. Aber die Herausforderungen für den Aufbau eigener Rechenzentren und Helpdesks sowie die Suche nach qualifizierten Mitarbeitern wirke letztendlich aber doch abschreckend.
9. IT-Outsourcer entwickeln neue Vertriebsmodelle
Der Preisdruck wird sich weiter negativ auf die Margen der Anbieter auswirken. Daher werden die Anbieter innovative - und riskante - Modelle entwickeln, schätzt die Everest-Group. Dazu würden Joint Ventures einschließlich kundenspezifischer Innovations-Labore und Kompetenzzentren zählen, so die Everest Group.
10. Anwendungsentwicklung kehrt zurück
Finanzdienstleiter und andere Brachen haben in den vergangenen zehn Jahren die Pflege ihrer Programm-Codes gerne Offshore-Providern überlassen. Das wird sich 2012 ändern. "Es wird einen Rückzug der Applikationswartung aus dem Offshore-Bereich geben", meint dazu Michael Engel von HfS Research. Nicht nur große Finanzdienstleister würden erkennen, dass es billiger ist, die Wartung im eigenen Land erledigen zu lassen.
11. IT-Sicherheit gelangt ins Zentrum der Aufmerksamkeit
Irgendwann in diesem Jahr wird ein großer IT-Dienstleister durch einen öffentlich gemachten Hack der Kundensysteme gedemütigt werden", sagt Ruckman von Sanda Partners voraus. "2012 wird daher das Jahr der IT-Sicherheit sein, in dem Outsourcing-Anbieter nach neuen Wegen suchen müssen, um ihre und die Daten ihrer Kunden zu beschützen."
12. Global agierende Unternehmen suchen Support außerhalb von Indien
Mehr und mehr große Unternehmen werden ihren Back-Office-Support auf mehrere Schultern verteilen. Dabei geht es nicht nur darum Geld zu sparen. Globale Unternehmen mit mehreren Standorten wollen vielmehr lokales Wissen und Sprachen nutzen, um ihre Offshore-Aktivitäten in Ländern wie Brasilien, Mexiko, Südafrika oder Bulgarien abzusichern, so Fersht von HfS Research. Indien werde deswegen aber diese Geschäfte nicht verlieren, meint der Analyst, sondern "nur" mit langsamerem Wachstum umgehen müssen.

Bei den Outsourcing-Formen BPO, Infrastruktur-Outsourcing, Managed Testing Services entscheidet sich ein Fünftel der Umfrageteilnehmer für Nearsourcing. Managed Testing Services werden von zwölf Prozent der Unternehmen Offshore eingekauft. Sofern Unternehmen über Near- oder Offshoring nachdenken, ist häufig Osteuropa die erste Wahl. Die Auslagerung nach Osteuropa oder in fernere Länder wird bislang nur von rund 20 bis 30 Prozent der Unternehmen praktiziert oder geplant. Doch 41 Prozent der Befragten erwarten, dass Offshoring im eigenen Unternehmen zunehmen wird. Der größte Hinderungsgrund beim Offshoring sind nach wie vor Datenschutzbedenken.

Für die Studie "Erfolgsmodell Outsourcing 2011" befragte Steria Mummert Consulting in Zusammenarbeit mit dem IMWF Institut für Management- und Wirtschaftsforschung 207 IT-Entscheider, Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder und CIOs aus Unternehmen ab 100 Mitarbeiter. Sie stammen aus den Branchen Banken, Versicherungen, Energie- und Wasserversorgung, Transport und Logistik, Telekommunikation, IT, Gesundheit/Gesundheitswesen, öffentliche Verwaltung, Handel und verarbeitendes Gewerbe.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO. (mhr)