Aufspaltung - die Details

Bei HP soll die Summe der Einzelteile mehr wert sein als das Ganze

06.10.2014 von Heinrich Vaske
Mindestens seit 2011 war die Ausgründung des PC- und Printer-Geschäft bei HP immer wieder ein Thema. Jetzt macht CEO Meg Whitman Nägel mit Köpfen und dividiert "HP Inc." und "Hewlett-Packard Enterprise" auseinander.

Unter Léo Apotheker hatte HP im Jahr 2011 nicht nur den viel zu teuren Kauf des britischen Softwarehauses Autonomy initiiert, auch eine Abspaltung des PC-Geschäfts schien bereits so gut wie in trockenen Tüchern. Doch wenig später musste der CEO das Unternehmen auf Druck von unzufriedenen Investoren verlassen, und die ehemalige Ebay-Chefin Meg Whitman trat die Nachfolge an. Zu ihren ersten Amtshandlungen gehörte es, die Abspaltung des PC-Business zu stoppen. "Zusammen sind wir stärker", lautete Whitmans Maxime - inzwischen hat sie ihre Meinung wieder geändert.

HP-Chefin Meg Whitman war zunächst gegen eine Spaltung, jetzt ist sie dafür.

Whitman sagte vor Finanzanalysten, HP sei zu ihrem Amtsantritt vor drei Jahren in einer schwierigen Situation gewesen. Heute hätten sich die Rahmenbedingungen geändert. "Flink zu sein ist heute der einzige Weg zu gewinnen", zitiert das "Wall Street Journal" die HP-Chefin. Und flink sei man nicht als Monolith, sondern in kleineren Konzerneinheiten, die sich auf bestimmte Technologiethemen fokussieren könnten. HP habe sich in den letzten drei Jahren - unter ihrer Leitung - in eine bessere finanzielle Position gebracht. Auch die Führungsriege sei nun gut aufgestellt, und die Pipeline sei voll mit neuen Produkten, vor allem in Zukunftsmärkten wie Cloud Computing.

HP war gut vorbereitet

"Der heutige Tag ist nur möglich geworden, weil wir diesen Turnaround geschafft haben", sagte Whitman. Der Schritt der Spaltung sei im Grunde bereits mit der Zusammenlegung der PC- und der profitableren Printer-Sparte im Jahr 2012 eingeleitet worden.

Das Endgerätegeschäft wird künftig unter dem Namen HP Inc. firmieren. Die mit Hardware, Software und Services für das Business befasste Geschäftseinheit will der Konzern Hewlett-Packard Enterprise nennen. Whitman soll CEO der Enterprise Unit werden und gleichzeitig als "Chairman" das Board der HP Inc. beaufsichtigen. Die langjährige Topmanagerin Pat Russo soll dem Verwaltungsrat der Heweltt-Packard Enterprise vorsitzen, während Dion Weisler, aktuell Executive Vice President von HPs Geschäftsbereich Printing and Personal Systems, CEO und President von HP Inc. werden soll.

Der Split soll bis zum November 2015 durch eine steuerfreie Aufteilung der Aktien an die Anteilseigner vollzogen werden. Jeder Aktionär soll für eine Aktie zwei neue erhalten - jeweils eine der beiden Gesellschaften. Geht alles nach Plan, entstehen zwei börsennotierte Konzerne, von denen jeder jährlich mehr als 50 Milliarden Dollar umsetzt.

Personalabbau nochmal verschärft

HP steckt derzeit mitten in einem Personalabbau: Rund 36.000 Mitarbeiter werden das Unternehmen bis zum Ende des laufenden Quartals verlassen haben. Durch die Teilung ergibt sich offenbar weiteres Streichpotenzial: War bislang von insgesamt 45.000 bis 50.000 Stellenstreichungen weltweit die Rede, sollen es nun sogar 55.000 werden. Man habe "weitere Gelegenheiten für Einsparungen entdeckt", hieß es.

Die Story von Hewlett-Packard
Die Story von Hewlett-Packard
Hewlett-Packard (HP) durchlebt seit drei, vier Jahren sehr stürmische Zeiten. Das liegt nicht nur an Verschiebungen auf dem Markt und starkem Wettbewerb, sondern auch an der Sprunghaftigkeit sowie Fehlentscheidungen im Topmanagement und in der Unternehmensstrategie. Allerdings hat der Konzern seit seiner Gründung bereits erfolgreich eine respektable Metamorphose durchgemacht.
1939: In der Garage fing alles an
In der mittlerweile wohl berühmtesten Garage der Welt findet Hewlett-Packard 1939 seinen Anfang. Damals gründen Bill Hewlett und David Packard ihr Unternehmen und schrauben neben ihren eigentlichen Jobs in der Garage gleich auf dem Grundstück in Palo Alto, auf dem sie wohnen, einen Tongenerator zusammen. Sie legen damit unbewusst den Grundstein für das Silicon Valley, die vielbeachtete Hightech-Region in Kalifornien.
Die Walt Disney Studios zählen zu den ersten Kunden ...
... und kaufen gleich acht Oszillatoren HP200B, um ein innovatives Tonsystem für den Film "Fantasia" zu entwickeln.
1957: Der Gang an die Börse mit Messtechnik
1951 erfindet HP mit dem 524A ein Hochgeschwindigkeits-Frequenzmessgerät. Damit ist technisch die Grundlage für das Analysegeschäft gelegt. Fünf Jahre später baut das Unternehmen sein erstes Oszilloskop. 1957 geht HP an die Börse. Eine Aktie kostet 16 Dollar. (In Frankfurt wurde die HP-Aktie am 30. April 2013 für knapp 15,50 Euro gehandelt.)
1959: Produktion in Deutschland
Die erste Produktion außerhalb der USA baut HP 1959 in Deutschland auf. Hier hat das amerikanische Unternehmen die meisten Kunden im europäischen Geschäft. Die Standortentscheidung für Baden-Württemberg ist angeblich eine Entscheidung gegen Bayern: In München soll ein Ministeriumsvertreter bei Gesprächen mit Bill Hewlett die bayerische Lebensart mit deftiger Brotzeit und Bier allzu sehr gelobt haben. Der Amerikaner war aber mehr an Produktivität als an Lebensgenuss interessiert und entschied sich deshalb für das als tüchtig und arbeitsam geltende Schwaben.
1962: Böblingen verantwortet das Softwaregeschäft
Der nächste Umzug steht im Jahr 1962 an: Über 150 Mitarbeiter ziehen in das HP-eigene Werk in der Herrenberger Straße, an der noch heute der Sitz der deutschen Tochter liegt. Im Jahr 1963 wächst die technologische Bedeutung der deutschen GmbH: Böblingen baut eine Entwicklungsabteilung auf.
1966: Marktpremiere des ersten HP-Computers
1967 zeigt HP Deutschland, dass das Unternehmen nicht nur technologisch an der Spitze stehen will und führt als internationaler Vorreiter flexible Arbeitszeiten ein. Stechuhren haben ausgedient, auch in der Produktion. In den USA führt HP ein solches Arbeitszeitmodell erst sechs Jahre später ein.
1972: Der Taschenrechner hält Einzug
Mit dem HP-35 bringt Hewlett-Packard 1972 den ersten wissenschaftlichen Taschenrechner der Welt auf den Markt, zwei Jahre später kommt der erste programmierbare Taschenrechner dazu, der HP 65.
1977: Miniaturisierung mit dem HP-01
n der Elektronik treibt HP die Miniaturisierung voran und bringt 1977 eine Art Personal Digital Assistant fürs Handgelenk heraus: Die HP-01 trägt sich wie eine Armbanduhr, zeigt aber nicht nur die Uhrzeit an, sondern dient auch als Taschenrechner und Kalender.
1980: Der erste Personal Computer HP 85
Im Jahr 1980 bringt HP seinen ersten Personal Computer auf den Markt, den HP 85. Mit kleinem Bildschirm und schmalem Druckwerk erinnert er noch stark an eine Schreibmaschine. Für die deutsche Tochtergesellschaft gewinnt das Softwaregeschäft an Bedeutung: Die GmbH übernimmt die Verantwortung für Entwicklung und Vermarktung von Anwendungssoftware im CAD/CAM-Bereich und behält sie auch bis zur Abspaltung des Geschäftsbereichs im Jahr 2000.
1988: Die fetten Druckerjahre kommen
Ab 1988 beliefert Hewlett Packard mit seinem Tintenstrahldrucker HP DeskJet den Massenmarkt, ab 1991 auch mit einem Farbdrucker, dem DeskJet HP 500C.
1993: Jörg Menno Harms prägt HP Deutschland
Im Jahr 1993 übernimmt Jörg Menno Harms den Vorsitz in der Geschäftsführung der HP GmbH. Bis heute ist er dem Unternehmen verbunden und hat den Vorsitz des Aufsichtsrats inne. Die ersten x86-Server von HP kommen unter dem Namen ProLiant auf den Markt.
1998: Jordana - der erste PDA
Mit dem HP Jornada PDA baut Hewlett-Packard 1998 seinen ersten echten Personal Digital Assistant.
2001: Fusion mit PC-Hersteller Compaq
Eine weitere Änderung äußert sich 2001 in der Gründung von HP Services. Der Computerhersteller will stärker auch mit Dienstleistungen Geld verdienen und bietet jetzt Consulting, Outsourcing, Support und Solution Deployment Services an. Das Internet und elektronische Dienstleistungen bilden den Kern der neuen HP-Strategie. Nach dem Abschluss der Übernahme von Compaq geht auch in Deutschland das neue Unternehmen HP am 3. Mai an den Start.
2004: Geschäftsfeld IT-Services wird ausgebaut
Das Unternehmen erweitert sein Angebot für Privatanwender um digitale Unterhaltungstechnik vom Fotodrucker bis zum Personal Media Drive. Im selben Jahr macht HP einen großen Schritt in Richtung Dienstleister und schließt zum 1. April 2004 die Akquisition von Triaton ab, dem von ThyssenKrupp ausgegründeten IT-Dienstleister des Stahlkonzerns.
2005: HP feuert Fiorina und holt Mark Hurd
Der Verwaltungsrat entlässt 2005 die Konzernchefin Carleton Fiorina. Ihr Compaq-Deal bleibt umstritten. Ihr Versuch, Konkurrenten wie Dell im unteren und IBM im oberen Leistungsbereich des IT-Geschäfts anzugreifen, gilt als wenig erfolgreich. Ihr Nachfolger wird Mark Hurd, Chef der NCR Corporation.
2008: EDS-Übernahme macht HP zum Servicegiganten
Mit dem Zukauf von einer ganzen Reihe an Unternehmen will HP sein Geschäft in den Bereichen Software und Services stärken. 2008 übernimmt HP schließlich für 13,9 Milliarden Dollar den IT-Dienstleister EDS, nach der Compaq-Übernahme der zweitgrößte Deal der Unternehmensgeschichte. EDS beschäftigte damals knapp 120.000 Mitarbeiter, die einen Umsatz von 21,3 Milliarden Dollar erwirtschafteten. HP wird damit im Dienstleistungsgeschäft zu einem absoluten Schwergewicht mit 210.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 38 Milliarden Dollar.
2009: HP kauft den Networking-Spezialisten 3Com
Seine Netzwerkkompetenz baut HP schließlich 2009 durch die Akquisition der 3Com Corporation aus. In Deutschland übernimmt zum 50-jährigen Bestehen der HP GmbH Volker Smid den Vorsitz in der Geschäftsführung. Er leitet bis heute die Deutschland-Tochter.
2011: eBay-Chefin Meg Whitman übernimmt das Ruder
Der Verwaltungsrat ist gegen Apotheker und holt eBay-Chefin Meg Whitman. Seit dem 22. September 2011 ist sie CEO von HP. Sie geht einen anderen Weg, sieht das Hardwaregeschäft als wichtiges Standbein. Mittlerweile hat sie HP einen harten Sparkurs verordnet. Die Geschäftszahlen für 2012 waren noch katastrophal: Bei einem Umsatz 120,4 Milliarden Dollar machte HP einen Verlust von 12,7 Milliarden Dollar.
2013: Das PC-Geschäft bricht ein
Unter Whitman will HP wieder in die technologische Offensive gehen. Neue Produkte rund um Cloud Computing, Big Data und Analytics sollen helfen, das Runder herumzureißen. Sie sollen das wegbrechende PC-Geschäft kompensieren helfen. HP ist zwar noch Marktführer, doch die PC-Verkäufe sind im ersten Quartal 2013 um fast 24 Prozent abgesackt.
2014: Die Aufspaltung kommt
Anfang Oktober 2014 nimmt der einstige Branchenprimus Anlauf für den finalen Befreiungsschlag: Bis November 2015 soll der Konzern durch einen Aktiensplitt aufgeteilt werden in HP Inc. als Anbieter von Personal Computern und Drucker sowie in Hewlett-Packard Enterprise (HPE) mit Unternehmenslösungen für Infrastruktur, Software und Services.
2015: Neues Enterprise-Logo
Im April stellt Hewlett-Packard Enterprise sein neues Logo vor.

Analysten kommentieren die Nachrichten aus Palo Alto mit Zurückhaltung. Gartners Research Director Ranjit Atwal sagte: "Eine separate Einheit zu gründen, macht die Zukunft nicht sicherer." Aber Sicherheit habe es bezüglich HPs Plänen mit der PC- und Printing Division ohnehin nicht gegeben. Er spekuliert, HP habe keinen Käufer für das PC- und Druckergeschäft gefunden und verfolge nun den Plan eines steuerfreien Aktiensplits. In Zukunft dürfte es laut Atwal interessant sein zu beobachten, inwieweit die HP-Einheiten einander noch verpflichtet sind. Er hält es nicht für ausgeschlossen, dass die Enterprise Unit künftig auch mit anderen Endgeräten als denen von HP beim Kunden auftauchen wird.

Börse feiert HP

Anders als die besonneneren IT-Analysten feiert die Finanzwelt gegenwärtig eine kleine Party. Die HP-Aktie stieg nach der Ankündigung um knapp fünf Prozent. Die Aktionäre scheinen vor allem darauf zu spekulieren, dass sich HPs Enterprise-Sparte ohne das kriselnde Endgerätegeschäft künftig besser entwickeln wird.

HP hatte anlässlich der Ankündigung mitgeteilt, man werde das angepeilte Ergebnis von 3,83 bis 4,03 Dollar je Aktie zum Ende des Fiskaljahrs am 31. Oktober halten können. Allerdings enthält diese Range keine Einmal-Aufwendungen, die mit der Separation der PC- und Druckersparte anfallen könnten. HP liegt mit seinen Schätzungen im Rahmen dessen, was die Wallstreet im Durchschnitt erwartet hat: 3,95 Dollar pro Aktie nämlich.

Interessant dürfte sein, wie sich die Printing and Personal Systems Group schlägt: Sie hatte 2013 mit knapp 56 Milliarden Dollar zwar etwa die Hälfte des Konzernumsatzes eingefahren, doch es waren 7,1 Prozent weniger als im Vorjahr. Insgesamt hatte HP im vergangenen Geschäftsjahr um 6,7 Prozent weniger Umsatz erwirtschaftet als 2012. Zudem verlor das Unternehmen seine Pole-Position als weltgrößter PC-Hersteller an die chinesische Lenovo Group. (hv)