Spannende Jobs

Behörden wehren sich gegen Langweiler-Image

30.04.2011 von Ina Hönicke
Der öffentliche Dienst geht in die Offensive und will im Kampf um die besten Köpfe mit Job-Sicherheit und attraktiven Tätigkeiten punkten.

"Du bist in einer Behörde beschäftigt; schiebst Du dort die Akten von links nach rechts oder umgekehrt?" Mit Fragen dieser Art werden laut Rekrutierungsvideo des Bundesministeriums des Innern IT-Profis im öffentlichen Dienst nach wie vor konfrontiert. Dabei setzen die Behörden mittlerweile alles daran, mit dem Vorurteil, spannende Jobs gäbe es nur in der Industrie, aufzuräumen. Mitarbeiter aus den Personalabteilungen der öffentlichen Verwaltungen und Institutionen sind immer öfters auf Messen vertreten, intensivieren ihre Kontakte zu den Hochschulen, setzen auf Mund-zu-Mund-Propaganda und nutzen das Internet. Dort berichten junge IT-Experten über ihre Tätigkeit bei Vater Staat. Allgemeiner Tenor: Die Behörden haben allemal spannende Jobs zu bieten.

Das bestätigt auch Christian Lange, Referatsleiter für IT-Beratung, IT-Standards und Methoden im Kompetenzzentrum Open Souce Software (CC OSS) in der Bundesstelle für Informationstechnik (BIT) des Bundesverwaltungsamts: "Mir wurde schnell klar, dass die Tätigkeiten bei der BIT ganz und gar nicht dem Image entsprachen, das viele Young Professionals von Behörden haben. Ganz im Gegenteil, die Jobs sind vielseitig und interessant." Der Diplominformatiker ist nach seiner Promotion für einen Job in der Wirtschaft oder im öffentlichen Sektor gleichermaßen offen gewesen.

Die Stellenanzeige der BIT habe ihn vor allem wegen der Kombination zwischen innovativen IT-Techniken und strategischen Aufgaben aus der Verwaltung angesprochen. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Vorteil ist seiner Meinung nach die Job-Sicherheit, die der öffentliche Sektor zu bieten habe. Dies sei bei potenziellen Kandidaten gerade in Krisenzeiten zu spüren. Beeindruckt war Lange auch von den guten Weiterbildungsmöglichkeiten. Diese würden gezielt für den Entwicklungspfad eines jeden Mitarbeiters ausgesucht. Ebenfalls als Argument für den Staat führt der Referatsleiter die unterschiedlichen Arbeitszeitmodelle an So gebe es beim BIT ein Modell namens "Fazit", was für "Flexible Arbeitszeit im Team" stehe. Bei diesem Modell seien die Mitarbeiter noch nicht einmal auf Kernarbeitszeiten angewiesen. Es müsse nur sichergestellt sein, dass das Team zwischen acht und 16.30 Uhr funktionsfähig ist. Die Flexibilität sei deutlich größer als bei Gleitzeit ohne Kernarbeitszeit.

Zurzeit sucht das Bundesverwaltungsamt IT-Spezialisten für eine IT-Konsolidierung. "Ziel ist, den IT-Betrieb von anderen Behörden im Geschäftsbereich des Innenministeriums in der BIT zu bündeln, um übergreifende Verbesserungen von Qualität und Wirtschaftlichkeit zu erzielen", erklärt Lange. Letztlich handle es sich um die Zentralisierung der IT. Aktuelle Jobangebote gibt es in diesem Bereich für IT-Projekt-Manager, Softwareentwickler sowie im IT-Betrieb, also im Rechenzentrum, für Systemadministratoren, Architekten und Datenbankadministratoren. Die neuen Kollegen sollten am besten Fachhochschul- und Universitätsabsolventen in einschlägigen Fächern wie Informatik und Wirtschaftsinformatik sein. Lange rät allen Interessierten, sich im Internet entsprechend schlau zu machen.

Bewerben
Bewerbungsgespräch
"Warum sollen wir gerade Sie einstellen?" Als Bewerber zahlt es sich aus, auf diese Frage im Vorstellungsgespräch vorbeireitet zu sein. Was Sie sonst noch über eine erfolgreiche Bewerbung wissen sollten, das sagt Ihnen Cornelia Riechers, Autorin des paradoxen Bewerbungsratgebers "So bleiben Sie erfolgreich arbeitslos.", in den folgenden zehn Tipps.
Traumberuf
Der erfolgreiche Bewerber weiß, was er will. Er hat das, was er am allerliebsten tut, zu seinem Beruf gemacht. Die Freude an seiner Arbeit gibt ihm immer genug Kraft, um sich und seine Familie damit zu ernähren, auch in schlechten Zeiten. Wenn er in einer Firma seinen Job verliert, findet er im Handumdrehen etwas Neues oder macht sich selbständig.
Eigeninitiative
Der erfolgreiche Bewerber wartet nicht, wie der Mann auf dem Bild, bis jemand an seiner Haustür klingelt und ihm seinen neuen Job auf dem Silbertablett serviert. Er wird selbst aktiv und setzt alle Hebel in Bewegung. In seine Bewerbungskampagne investiert er genauso viel Arbeit wie in eine Vollzeitanstellung. Rückschläge verkraftet er gut, weil er immer mehrere Eisen im Feuer hat.
Zielgerichtete Bewerbung
Der erfolgreiche Bewerber sieht ein Unternehmen nicht als Anlaufstelle für seine Versorgungsansprüche. Vielmehr agiert er wie ein Verkäufer, der dem Arbeitgeber einen Nutzen bietet und dafür eine Vergütung erhält. Er zeigt dem Unternehmen, was er leisten kann, um dessen Umsätze und Gewinne zu steigern.
Selbstpräsentation
Der erfolgreiche Bewerber knausert nicht und übertreibt nicht. Sein Foto misst etwa sechs mal neun Zentimeter, seine schlichte, praktische Bewerbungsmappe umfasst maximal sieben bis zehn Dokumente. Sein Anschreiben passt auf ein Blatt; sein Lebenslauf darf sich über zwei bis drei Seiten erstrecken. Beim Vorstellungsgespräch tritt er bescheiden, jedoch nicht unterwürfig auf und strahlt Selbstvertrauen aus, ohne arrogant oder anmaßend zu wirken. Achten Sie auf Ihre Körperhaltung: verkrampfte Hände und unruhige Füße wirken unsicher.
Stärken und Schwächen
Der erfolgreiche Bewerber besinnt sich auf seine besonderen Stärken. Dann findet er heraus, welche Unternehmen Bedarf an seinem Können haben. An diese wendet er sich, lange bevor sie ein Stellenangebot veröffentlichen. So erschließt er den verdeckten Stellenmarkt und verschafft sich dadurch Vorteile.
Wege zum Markt
Der erfolgreiche Bewerber kennt mehr als einen Weg zum neuen Job. Er reagiert auf Angebote in Printmedien und Internet-Jobbörsen, er schaltet auch ein eigenes Stellengesuch. Die Möglichkeiten der Agentur für Arbeit schöpft er aus, einschließlich der angeschlossenen Institutionen wie ZAV (Zentrale Auslands- und Fachvermittlung). Er geht von selbst auf Firmen zu, nicht nur per Telefon, Brief und E-Mail, sondern auch persönlich. Sein berufliches und privates Kontaktnetzwerk nutzt er, um seinen Aktionsradius zu erweitern. Und er optimiert seinen Auftritt mit der Unterstützung eines Outplacement- oder Karriereberaters.
Bewerbungsmappe
Der erfolgreiche Bewerber gestaltet seine Bewerbungsunterlagen so, dass der Arbeitgeber seine Eignung für den angestrebten Job erkennt. Er legt den Schwerpunkt auf diejenigen Erfahrungen und Kompetenzen, die ihn dafür qualifizieren.
Anschreiben
Der erfolgreiche Bewerber befasst sich gründlich mit einem Stellenangebot, bevor er es beantwortet. Seine Analyse beginnt ganz oben, bei der Selbstdarstellung des Unternehmens und der Beschreibung der Aufgaben. Er versteht, worauf es bei der ausgeschriebenen Position ankommt, und arbeitet in seinem Anschreiben Punkt für Punkt alles ab, was er in Bezug auf die Anforderungen zu bieten hat. Dabei vergisst er auch seine Englisch- und IT-Kenntnisse nicht.
Vorstellungsgespräch
Im Vorstellungsgespräch zeigt der erfolgreiche Bewerber, dass er sich mit seinem zukünftigen Unternehmen und seiner Tätigkeit dort intensiv beschäftigt hat und dass er die anstehenden Aufgaben lösen kann. Außerdem spürt man seine Freude an genau dieser Arbeit, deshalb hat er die Nase vorn und kann die Konkurrenz ausstechen.
Einarbeitungszeit
In der Probezeit achtet der erfolgreiche Bewerber vor allem darauf, sich in das bestehende Team einzufügen. Er weiß, dass sein Erfolg nur zu zwanzig Prozent von seinen fachlichen Leistungen abhängt. Weil er dafür sorgt, dass sein Chef und seine neuen Kollegen ihn mögen, umgibt ihn automatisch auch der Nimbus des Tüchtigen.

Internationale Projekt-Betreuung

Marc Christopher Schmidt hat bisher seine Entscheidung, im öffentlichen Dienst zu arbeiten, nicht bereut. Schließlich hat der Staat ihm zum Titel "Bachelor of Science in Technology" verholfen. Der ehemalige IT-Freelancer ist im Referat "IT-gestütztes Beschaffungswesen" des Beschaffungsamts im Innenministerium tätig. Dort arbeitet Schmidt als Projektleiter des IT-Investprojekts "XVergabe", in dem ein einheitlicher Standard zur Kommunikation mit Vergabeplattformen entwickelt wird.

2003 bot ihm das Beschaffungsamt die Möglichkeit, während der Arbeitszeit ein Fernstudium zu absolvieren. Das Studium, das eine englische Universität anbot, habe neben mehreren Präsenzterminen vorwiegend online stattgefunden. "Teilweise wurde die Weiterbildung von der Behörde finanziert", erklärt Schmidt. Dass ein solches Fernstudium möglich ist, wusste der IT-Profi bei der Bewerbung nicht. Laut Schmidt wird ein Mitarbeiter, der diesen Wunsch äußert, vor einer Zu- oder Absage von den Verantwortlichen entsprechend geprüft. Die Finanzierung sei zwar von Behörde zu Behörde unterschiedlich, aber ein Einzelfall ist er nach seiner Erfahrung nicht. "Es handelt sich hierbei um ein gutes Instrument der Mitarbeiterbindung", ist Schmidt überzeugt.

Nach dem Studium erhielt er 2008 den Auftrag, das Projekt "XVergabe" zu leiten. "Ich muss in meinem Job vorrangig kommunizieren und im Team arbeiten." Dazu gehöre unter anderem, Vertreter des Bundes, der Länder, der kommunalen Behörden und der Lösungsanbieter an einen Tisch zu bringen, um das Projekt entsprechend voranzutreiben. Alle zwei Monate findet ein Treffen, zumeist im Bonner Raum statt. Da es um die Harmonisierung des Zugangs zur elektronischen Vergabe-Plattform geht, wird auf europäischer Ebene gearbeitet.

Aus diesem Grund müssen Schmidt und seine Kollegen auf jeden Fall die englische Sprache beherrschen: "IT-Profis, die international tätig sein wollen, sind bei uns gut aufgehoben. Ihnen stehen die Türen zu interessanten europaweiten Projekten offen." Den letzten Vorteil sieht er in der Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit. "Selbst als IT-Profi verfügt man noch über ein Privatleben", so Schmidt.

Dass die IT-Aufgaben im Public-Sector es in puncto Spannung und Vielseitigkeit mit denen in der Industrie leicht aufnehmen können, bestätigt einer, der als Berater bereits verschiedene Branchen kennengelernt hat. Simon Spielmann arbeitet als Managing Consultant im Geschäftsbereich Custom Solution Development bei Capgemini: "Wer bei IT-Tätigkeiten im öffentlichen Bereich an Amtsschimmel denkt, irrt gewaltig. Die Jobs sind fachlich anspruchsvoll und überaus interessant - viele politische Entscheidungen ziehen herausfordernde IT-Projekte nach sich." Nach Spielmanns Erfahrung hat man als Hochschulabsolvent meist keine Vorstellung davon, welche Art von Aufgaben der Staat anzubieten hat. "Da die Gesetze - und damit auch die IT - zunehmend auf EU-Ebene ausgearbeitet werden müssen, eröffnet sich für Interessierte immer öfter die Möglichkeit, auf internationalem Parkett zu arbeiten", gibt Spielmann zu bedenken. Der studierte Wirtschaftsinformatiker beschäftigt sich zurzeit mit einem Projekt zur Abwicklung des Visa-Verfahrens. "Das mag auf Anhieb langweilig klingen, ist aber Software-Engineering auf höchstem Niveau. Gerade der öffentliche Sektor muss langfristig planen, die IT-Architekturen sollten zukunftsfähig und flexibel anpassbar sein."

Cornelia Rogall-Grothe empfiehlt interessierten ITlern besonders einen Job beim BSI: "Hier können Mitarbeiter Security-Themen aktiv mitgestalten."
Foto: BMI

"Die Attraktivität des Arbeitsplatzes, aber auch Reputation sind für IT-Fachkräfte von großer Bedeutung - hier kann der öffentliche Dienst im Kampf um die besten Köpfe in der Tat punkten", erklärt denn auch Staatssekretärin Cornelia Rogall-Grothe, die IT-Beauftragte der Bundesregierung. Schließlich würden Computerprofis im öffentlichen Dienst vielfältige Aufgaben mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung finden. "Im Bundesinnenministerium gibt es beispielsweise Tätigkeiten, die sich mit der öffentlichen Sicherheit über die Integration der in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund bis hin zu Sportförderung und Katastrophenschutz beschäftigen", betont die Staatssekretärin. Ein wichtiges Zukunftsthema sei auch die IT-Sicherheit. In diesem sensiblen Bereich ist nach Meinung von Rogall-Grothe insbesondere das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) eine gute Adresse: "Hier können Mitarbeiter Security-Themen aktiv mitgestalten." Die Bundes-CIO ist überzeugt, dass das Langweiler-Image der Behörden bald der Vergangenheit angehören wird.