Bearingpoint stolpert in die nächste Führungskrise

16.11.2006
Der Bearingpoint-Aufsichtsrat hat Geschäftsführer Peter Schurau entlassen. Der Ex-Chef Hendrik Ansink konnte seinen Arbeitsrechtsprozess gegen das Unternehmen gewinnen.
Peter Schurau, stellvertetender Sprecher der Geschäftsführung von Bearingpoint, wurde vom Aufsichtsrat freigestellt.

Schurau, seit Januar 2006 stellvertretender Sprecher der Geschäftsführung, ist nach der COMPUTERWOCHE vorliegenden Informationen vom Aufsichtsrat entlassen worden. Das bestätigten mehrere unternehmensnahe Quellen. Über die Gründe der Demission besteht dagegen noch keine Klarheit, die Rede ist von "Unregelmäßigkeiten" und von "einer Verstrickung in einen Reisekostenskandal". Der Aufsichtsrat soll Schurau außerdem vorwerfen, Bearingpoint-Mitarbeiter für sein eigenes Unternehmen abgeworben zu haben. Das würde das Unternehmen ins Mark treffen, da es nach wie vor unter einer hohen Fluktuation leiden soll (siehe auch "Bearingpoint laufen die Berater davon"). Ein Bearingpoint-Sprecher bestätigte, dass Schurau freigestellt wurde und eventuelle Verfehlungen untersucht würden. Probleme mit einer Abwanderungswelle unter den Mitarbeitern bestätigte er nicht.

Nebentätigkeiten der Führungsmannschaft sind bei Bearingpoint nichts Neues: Vor knapp einem Jahr hatte der deutsche Aufsichtsrat des IT-Beratungshauses reinen Tisch gemacht und die halbe Führungsmannschaft entlassen oder ausgetauscht. Vertriebschef und Mitglied der Geschäftsführung Beat Leimbacher kündigte sein Ausscheiden im Dezember 2005 an, um in die Schweiz zu gehen. Mit Steffen Seeger, stellvertretender Geschäftsführer und Europa-Chef, konnte sich das Unternehmen gütlich einigen, er unterschrieb einen Aufhebungsvertrag(siehe auch "Führungschaos bei Bearingpoint").Die Trennung von Hendrik Ansink, Sprecher der Geschäftsführung des Unternehmens, verlief dagegen weniger reibungslos. Was zum Ausschluss der Manager geführt hat, ist bislang nicht an die Öffentlichkeit gedrungen. Ansink und Seeger waren zumindest Anfang 2006 noch - wie auch andere Bearingpoint-Manager – an der Firma Prodim beteiligt, die in vielen Projekten als Subunternehmen verpflichtet wurde.(siehe auch "Bearingpoint: Ex-Manager an Partnerunternehmen beteiligt").

Hendrik Ansink, ehemaliger Deutschland-Chef von Bearingpoint, hat erfolgreich gegen sein fristlose Kündigung geklagt.

Auf jeden Fall klagte Ansink gegen seine fristlose Kündigung und bekam Recht. Seit Ende Oktober ist er wieder- zumindest formell - als Managing Director bei Bearingpoint beschäftigt. "Ob er je wirklich für Bearingpoint arbeiten wird, bezweifele ich", sagte ein dem Unternehmen nahe stehender IT-Berater. Der Bearingpoint-Sprecher bestätigte Ansinks Rückkehr nicht, sagte lediglich: "Zu laufenden Verfahren geben wir keine Stellungnahme ab."

Einen zweiten Rechtstreit konnte das Unternehmen dagegen zunächst gewinnen. Ein Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmervertretung, das als Consultant am Standort Leipzig arbeitet, klagte gegen die Aufsichtsratssitzung vom Dezember 2005, in der die fristlose Kündigung gegen Ansink und Seeger beschlossen wurde. Warum und mit welcher Begründung der Einspruch eingereicht wurde, ist unklar, die Klage wurde jedoch abgewiesen. Ansink galt als Förderer des Bearingpoint-Standorts Leipzig. Mit rund 40 Mitarbeitern ist er die kleinste Niederlassung des IT-Beratungshauses und stand daher unabhängig von der wirtschaftlichen Leistung immer in der Diskussion.

In jedem Fall machte die Geschäftsführung Mai und Juni 2006 ernst und präsentierte den Mitarbeitern den Plan, den ostdeutschen Standort abzuwickeln. Laut einer anonymen Quelle verfolgte die Geschäftsleitung damit das Ziel, im Zuge der Schließung das dort beschäftigte Aufsichtsratsmitglied zu entlassen, weil die Unternehmensführung trotz einer Abwehr der ersten Klage eine Fortsetzung des Rechtsstreits befürchte. "Die Schlussfolgerung ist denkbar, aber sehr gewagt", sagte dagegen ein IT-Berater des Unternehmens, bestätigte jedoch Mobbing-Vorwürfe gegen das Aufsichtsratsmitglied. "Kein Kommentar", hieß es dazu von offizieller Bearingpoint-Stelle.

Die Schließungspläne gab das Unternehmen nach Verhandlungen mit der Leipziger Arbeitnehmervertretung auf. Der Betriebsrat konnte der Geschäftsführung einigen Zugeständnisse abringen, was die Kosten der Stilllegung in die Höhe getrieben hätte. "Es gibt keine Pläne zur Schließung des Standortes Leipzig", klärte der Sprecher auf. Auf die Frage, ob es in der Vergangenheit entsprechenden Vorhaben gab, hieß es: "Kein Kommentar." (jha)