Bearingpoint laufen die Berater davon

26.01.2006 von Joachim Hackmann
Falsche Positionierung, hohe Fluktuation und unzufriedene Mitarbeiter setzen Bearingpoint zu. Die deutsche Dependance schrumpft und schreibt rote Zahlen.

Bearingpoint-Deutschland stemmt sich gegen eine Abwanderungswelle unter den Mitarbeitern. Offiziellen Angaben zufolge beläuft sich die Fluktuationsrate auf insgesamt 20 Prozent. Drei Viertel der ausscheidenden Mitarbeiter verlassen das Unternehmen freiwillig, der Rest wird zum Gehen gedrängt. Mit letzterer Maßnahme bemüht sich Bearingpoint derzeit darum, die Führungs- und Mitarbeiterebene zahlenmäßig in ein gesundes Verhältnis zu rücken.

Hier lesen Sie ...

  • warum Bearingpoint eine hohe Fluktuationsrate verzeichnet;

  • wie das deutsche Geschäft verläuft;

  • welche Probleme das Unternehmen in den USA hat;

  • was das neue Management plant.

Bearingpoint - die alte Führungsmannschaft
Steffen Seeger
Hendrik Ansink

Das Unternehmen bestätigte, sich im Dezember von vielen Managing Directors (das sind die ehemaligen KPMG-Partner) und Senior Managern getrennt zu haben. Dagegen wurden auf den unteren Hierarchieebenen im vergangenen Jahr in Deutschland, Österreich und der Schweiz insgesamt 400 neue Mitarbeiter rekrutiert, im laufenden Jahr plant das Beratungshaus in den drei Ländern 500 Neueinstellungen.

Qualifizierte Consultants gehen

Bearingpoint - die neue Führungsmannschaft
MOCKLER, Peter
ERBER, Wilfried
WURZEL, Hans-Werner
SCHURAU, Peter

Das Ausmaß der freiwilligen Abwanderung bereitet den Verantwortlichen jedoch Sorgen: "Wir setzen uns vehement dafür ein, die Mitarbeiterbindung zu verbessern. Unsere Fluktuationsrate ist zu hoch", gestand Roderick McGeary, Vorsitzender des Aufsichtsrats der deutschen Niederlassung und Chairman of the Board der Bearingpoint Inc., im Rahmen einer internen Telefonkonferenz ein, in der sich die neue Geschäftsführung der Belegschaft vorstellte (siehe Kasten "Die neue Führungsmannschaft"). Insbesondere unter qualifizierten Consultants dürfte die Fluktuation groß sein, denn ihnen bieten sich derzeit ausreichend Alternativen. Viele Bearingpoint-Mitarbeiter sollen beispielsweise bereits zur ehemaligen Mutter- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG gewechselt sein. Ihr Arbeitsweg hat sich kaum geändert: Die KMPG-Niederlassung in Frankfurt am Main liegt gleich um die Ecke.

Zweifel am Portfolio

Nun setzt das Unternehmen wieder verstärkt auf Mitarbeiterbindung: "Wir werden Geld bereit stellen, um Mitarbeiter zu halten", bemühte sich McGeary, die Mitarbeiter zum Bleiben zu bewegen. Ein Großteil von ihnen musste in der Vergangenheit auf Sondervergütungen verzichten. Im Dezember 2005 erhielten die hiesigen Mitarbeiter lediglich eine Sonderzahlung in Höhe von 170 Euro. Allerdings nicht aufgrund des Geschäftserfolgs, sondern weil das Marktforschungshaus Forrester Research dem Consulting-Unternehmen die besten Werte in der Kundenzufriedenheit attestierte. Üblicherweise schütten Beratungshäuser Boni in anderen Dimensionen aus.

Weil Bearingpoint schon seit über einem Jahr keine Finanz- daten mehr veröffentlicht, können Marktforscher die Geschäftsentwicklung nur schätzen. Die Berater von PAC vermuten, dass sich der Umsatzrückgang in den vergangenen Jahren verlangsamt hat.

"Bearingpoint hat ein Motivationsproblem", beobachtet Vanessa Solem, Consultant bei Pierre Audoin Consultants (PAC), München. "Wie kann das Management die Mitarbeiter überzeugen, wenn Zweifel am aktuellen Portfolio bestehen?" Ihrer Auffassung zufolge fehlt dem Beratungshaus das Profil - sowohl im Management-Consulting, als auch im Projektgeschäft. Anders als die Konkurrenten Accenture und Capgemini, die sich vom Beratungshaus zum Full-Service-Provider gewandelt und sich mittlerweile erfolgreich im Outsourcing-Markt (inklusive Application-Management und BPO) etabliert haben, ist Bearingpoint in Deutschland gescheitert.

Einbruch des Geschäfts

Im Outsourcing-Markt tritt das Unternehmen nur beratend in Erscheinung und trifft dabei auf die typischen Management-Beratungshäuser. "Bearingpoint hat es nicht geschafft, sich mit pfiffigen Themen aufzustellen und sich zu positionieren. Der Kunde konnte wohl nicht überzeugt werden", bemängelte Solem.

Seit geraumer Zeit beobach- ten die Marktforscher von PAC einen Einbruch des Geschäfts bei Bearingpoint. Lange Zeit lief etwa das Business mit Kunden aus der Finanzindustrie sehr gut, weil für diese Klientel die Kombination aus Management-Beratung und IT-Implementierung in Basel-2- und Sox-Projekten (Sarbanes-Oxley Act) attraktiv war. In den vergangenen sechs Monaten hat aber auch dieser Bereich schwer gelitten. "Die Wettbewerber sehen Bearingpoint in Konkurrenzsituationen kaum noch", schildert Solem.

Schwarze oder rote Zahlen?

Über die Gründe lässt sich nur spekulieren, da Bearingpoint seit Frühjahr vergangenen Jahres keine Finanzergebnisse mehr veröffentlicht und auch gegenüber den Analysten schweigt. Nach Solems Meinung liegt der Ursprung aller Probleme in Unstimmigkeiten auf der Management-Ebene mit fatalen Folgen für das gesamte Unternehmen.

Zum aktuellen Geschäftsverlauf in Deutschland sagte Bearingpoint selbst nichts. Man fühle sich gut aufgestellt und sei profitabel, ließ das Unternehmen gegenüber der COMPUTERWOCHE wissen. In der Telefonkonferenz versprach Peter Schurau, ab sofort stellvertretender Sprecher der Geschäftsführung, der Belegschaft in den kommenden zwei Wochen eine Bestandsaufnahme: "Eines ist klar. Wir müssen operativ wieder wachsen und profitabel werden", kündigte er an. Probleme bereitete zuletzt offenbar insbesondere der Geschäftsbereich Commercial Services (CS). "2006 wird das Jahr von CS", versprach Hans-Werner Wurzel, der als neues Mitglied der Geschäftsführung diesen Bereich leitet. "Wir wollen in diesem Jahr den Turnaround hinter uns bringen."

Für Unmut in der deutschen Belegschaft hat zudem die widersprüchliche und konfuse Informationspolitik der Vergangenheit gesorgt, insbesondere in der Zeit, als der langjährige CEO Randolph Blazer gehen musste. Die Geschichte scheint sich zu wiederholen, denn auch die Informationen über Änderungen in der deutschen Geschäftsleitung erreichten die Mitarbeiter nur stockend. "Lassen Sie mich zunächst für die lückenhafte Kommunikation in den vergangenen vier Wochen entschuldigen", startete etwa McGeary die Ansprache an die Belegschaft.

Doch die neue deutsche Geschäftsführung scheint die Zeichen der Zeit erkannt zu haben und das Heft wieder in die Hand zu nehmen. Der stellvertretende Deutschland-Chef Schurau schilderte den Mitarbeitern Überlegungen, neben der Geschäftsführung eine Geschäftsleitung zu etablieren.

Geschäftsleitung geplant

Für den 24. Februar sei ein Treffen im erweiterten Management-Kreis geplant, aus dieser Runde werde man die Mitglieder der Geschäftsleitung rekrutieren. Gesellschaftsrechtlich hat das neue Gremium anders als die Geschäftsführung keine Relevanz, es steht den Unternehmenslenkern lediglich beratend zur Seite und wird zumeist mit verdienten Mitarbeiten besetzt. Zusammen wolle man die strategische Marschrichtung der drei Geschäftsbereiche definieren, kündigte Schurau an: "Über die Ergebnisse werden wir die Mitarbeiter zeitnah informieren."