Bayer AG: Im Nervenzentrum eines Global Players

03.05.2001
Ohne IT-Experten läuft beim Chemiegiganten Bayer gar nichts mehr. Ständig auf der Suche nach neuen Vertriebskanälen und effizienten Kontrollverfahren powert das Management beim Ausbau der IT-Infrastruktur.

Ob im Ice oder in einer CD im Airbus oder in der S-Klasse von Mercedes: Ein Stückchen Bayer steckt bestimmt drin. Der Chemieriese mit Hauptsitz in Leverkusen produziert, forscht und verkauft seine Produkte weltweit. Wolfgang Ahrens vom Zentralen Servicebereich Information Systems beschreibt den wichtigen Stellenwert, den die Informationstechnologie für den geschäftlichen Erfolg des Weltkonzerns hat: „Ohne IT läuft bei Bayer schon lange nichts mehr.“

Heute könne ohne die dazugehörige IT-Infrastruktur nichts mehr funktionieren, sei es nun in der Forschung, im Engineering oder im Finanzwesen. Allein in der Forschung würden pro Tag bis zu 300 000 Wirkstoffe von Robotern gescreent, in den achtziger Jahren waren das gerade mal 20 000. „Ohne anspruchsvolle IT-Systeme käme das der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen gleich“, meint Ahrens.

Der Global Player, der weltweit rund 50 000 Mitarbeiter beschäftigt, davon 20 000 am deutschen Muttersitz, hat alle Weichen in Richtung hochmoderne, fein ausgeklügelte IT-Infrastruktur gestellt. Für den Aufbau sucht das Unternehmen derzeit 400 neue IT-Experten. Allein für Information Systems, das IT-Servicezentrum der Zentrale in Leverkusen, benötigt die Bayer AG 200 neue Mitarbeiter. „Wer seine Karriere im Zentralen Servicebereich Information Systems beginnt, arbeitet im Nervenzentrum eines Weltkonzerns“, lockt die Recruiting-Abteilung der Bayer AG viel versprechend den dünn gesäten Nachwuchs. Dort arbeiten rund 1400 IT-Mitarbeiter von insgesamt 3000 Angestellten, die der Chemieriese weltweit auf allen Kontinenten beschäftigt.

Die Bayer AG baut derzeit ein globales Backbone zwischen ihren drei Hauptzentren in Singapur, Leverkusen und Pittsburgh (USA) auf. Ein die Welt umspannendes Netzwerk soll entstehen, das gleichzeitig die Infrastruktur der einzelnen Werke vor Ort mit einbezieht, schwärmt Ingenieur Ahrens. Allein für diese Aufgabe hält die Personalabteilung derzeit Ausschau nach 20 Netzinfrastrukturspezialisten, welche die Rechennetze planen, aufbauen und betreiben. Sämtliche Geschäftsprozesse sollen global ausgerichtet und – falls nötig – neu organisiert werden.

Das Stichwort hierzu lautet: elektronische Marktplätze. Der E-Commerce steht wie beim Gros der weltweit operierenden Konzerne auch bei Bayer auf der Prioritätenliste ganz oben. Bereits heute kommen gut zwei Drittel aller Aufträge in elektronischer Form zum Chemiekonzern. Künftig sollen die gesamten Geschäftsabläufe über das Intra- und Internet abgewickelt und der Informationsfluss von und zum Kunden automatisiert werden.

So sucht der Konzern derzeit rund 50 Informatiker, die E-Commerce-Lösungen planen und realisieren sowie Portale für den Handel mit Chemie- und Pharmaprodukten aufbauen. Einen ähnlich hohen Bedarf haben die Leverkusener an SAP R/3- Experten. Sie sollen das weltweite Verbreiten der Standardsoftware im Bayer-Konzern organisieren. Davon erfasst sind nicht nur sämtliche Arbeitsgebiete des Unternehmens wie Gesundheit, Landwirtschaft, Polymere und Chemie, sondern auch die Servicebereiche Logistik, Rechnungswesen, Controlling, Human Ressources und die Anlagenbewirtschaftung. Bereits vor fünf Jahren hatte der Konzern damit begonnen, sämtliche Host-Systeme durch SAP abzulösen.

Geübt wird die internationale Zusammenarbeit: Für Berufseinsteiger, da ist sich IT-Manager Wolfgang Ahrens sicher, sei es eine beeindruckende Erfahrung, in bis zu 100 Mann starken Projektteams mitzuwirken, die international besetzt sind und sich überall auf der Welt zu Besprechungen treffen. „So lernen die Berufseinsteiger ganz schnell, wie ein international agierender Konzern funktioniert und wie komplex die alltäglichen Probleme und Aufgaben sind, die bewältigt werden müssen.“

Ein besonders interessanter Arbeitsplatz für Informatiker, Ingenieure sowie Naturwissenschaftler ist die Abteilung „Engineering and Mainteinance Systems“, wo zurzeit allerdings nur eine Hand voll Mitarbeiter gesucht wird. Auf dem Weg zur intelligenten Fabrik werden auch bei Bayer Arbeitsabläufe automatisiert und die notwendigen Informationen von Softwaresystemen zur Verfügung gestellt.

Wenn Ingenieure bei Bayer heute Produktionsanlagen planen, bauen oder betreiben, werden sie dabei von CAE- und CAD- Systemen unterstützt. Young Professionals für IT-Aufgaben lernen dort vorrangig, diese Systeme zu entwickeln und den individuellen Kundenbedürfnissen anzupassen. Die Kunden sind in diesem Fall die Bayer-Ingenieure. Diese erhalten über die Software-Tools Informationen darüber, was technisch möglich ist und was nicht, zum Beispiel, wenn Produktionsanlagen geplant werden müssen oder ein Ersatzteil wie etwa eine Pumpe auszubauen ist.

Bevorzugt stellt die Personalabteilung für diese Aufgaben frischgebackene Verfahrenstechniker, Maschinenbauer, Elektroingenieure, Technomathematiker und Chemiker ein. Gerne werden auch Berufserfahrene unter Vertrag genommen, denn die „sind näher an den Anwendungsfeldern dran“, berichtet Ahrens von seinen Erfahrungen bei Engineering and Mainteinance Systems.

Neue Mitarbeiter werden von ihren Teamkollegen sowie mit intensiven Schulungen angelernt. Eine typische Aufgabe ist es zum Beispiel, über das Internet herauszufinden, welche neuen Software-Tools es auf dem Markt gibt, diese den spezifischen Wünschen des Anlagenbauers anzupassen und über eine Hotline mögliche Fehlfunktionen zu korrigieren. Auch hier geht es darum, Standardlösungen für das global agierende Netzwerk zu finden, denn bei zu vielen unterschiedlichen Systemen gäbe es sonst für den Support doppelte und dreifache Arbeit.

So kommunizieren die Spezialisten für CAD- und CAE-Systeme fast täglich via Intranet mit ihren Kollegen in den USA, reisen dort manchmal aber auch persönlich hin. „Eines unserer wichtigsten Prinzipien lautet Jobrotation“, erklärt Ahrens. Nach drei bis vier Jahren können die Berufsstarter entweder zu einem Tochterunternehmen ins Ausland wechseln oder in einen anderen Geschäftsbereich gehen.

Aber nicht nur die IT-Struktur des Unternehmens befindet sich im steten Wandel, auch der Bayer-Campus in Leverkusen verändert sein Gesicht. Neue Unternehmen und Ausgliederungen des Konzerns siedeln sich dort an und nehmen die Dienstleistungen der ITler in Anspruch. „In der Regel sind wir noch zu 99 Prozent interne Dienstleister“, so Ahrens. Neue Wege beschreitet da das Rechenzentrum des Unternehmens, die ScaleOn GmbH, eine 100-prozentige Bayer-Tochter. ScaleOn stellt und betreibt europaweit Rechenzentren mit Host-Systemen und Servern für E-Mail- und SAP-Systeme. Auf drei Standorte in Leverkusen verteilt, bietet das Rechenzentrum der Bayer AG seine Hightech-Systeme auf dem freien Markt an.