Vom Ego zum Lego

Bauen 4.0: So digitalisiert Rhomberg den Bau

19.09.2016 von Jürgen  Hill
Der Österreicher Hubert Rhomberg hat eine Revolution eingeleitet: Die Digitalisierung der Bauindustrie mit Connected Buildings. Rhomberg setzt dabei nicht nur auf neue Baustoffe wie Holz, sondern auch auf IT-Know-how wie Cloud, IoT, und Realtime-Apps. Mit der Digitalisierung will er zudem neue Wertschöpfungsketten schaffen.
Mit dem LCT One hat Rhomberg ein Smart Building in Hybrid-Bauweise entworfen.
Foto: Müller Norman A. /Cree

Auf den ersten Blick erscheint an der Voralberger Rhomberg Gruppe nichts Besonderes zu sein - wäre da nicht der charismatische Geschäftsführer Hubert Rhomberg. Das 130 Jahre alte international agierende Bauunternehmen im Familienbesitz erwirtschaftet einen Umsatz von über 600 Millionen Euro (GJ 2014/15) und ist auf die Bereiche Bau, Ressourcen sowie Bahntechnik spezialisiert. Also alles, wie Rhomberg selbst einräumt, "very old economy" - gebe es da nicht noch die 2010 gegründete Cree GmbH in der Rhomberg Gruppe. Cree steht dabei für Creative Resource & Energy Efficiency und Rhomberg will mit dem Unternehmen nicht weniger als "das Bauen völlig neu denken" -also Bauen 4.0.

Hubert Rhomberg, CEO der Rhomberg Gruppe, ist fest überzeugt von der Digitalisierung der Bauwirtschaft
Foto: Rhomberg Gruppe

Vor dem Hintergrund globaler Ressourcenverknappung und Erderwärmung fordert Rhomberg ein neue Art des Bauens, denn seinen Worten zufolge geht 30 bis 40 Prozent des heutigen Ressourcen- und Energieverbrauchs auf die Bauwirtschaft zurück und sie verursache rund 60 Prozent der Transportleistungen. Um dies zu ändern, sind für den Manager disruptive Ideen gefragt. Er selbst hatte eine und entwickelte ein Bausystem das auf drei Säulen basiert. Holz, einem kybernetischem Tisch sowie dem Internet der Dinge. Am kybernetischen Tisch sieht Rhomberg künftig ein Team aus Architekten, Stadtplanern, Technikern und Inneneinrichtern sitzen. Diese entwerfen dann gemeinsam auf BIM-Basis (Building Information Modelling) ein digitales Gebäudemodell des Smart Building.

Hybrid-Bau aus Holz

In Sachen Holz setzt Rhomberg auf eine Hybrid-Bauweise aus Holz und Beton, die in seinen Augen viele Vorteile hinsichtlich Preis und Ökologie gegenüber der traditionellen Betonbauweise hat. Zudem können die einzelnen Komponenten der Cree-Technologie standardisiert und industriell vorgefertigt werden und hinterher modulartig eingesetzt werden. Auf diese Weise, so der Voralberger, ließen sich 100 Meter hohe Hochhäuser in sechs Monaten errichten. Sein Referenzprojekt, der acht Stockwerke umfassende LifeCycle Tower one (LCT ONE) wurde in acht Tagen von fünf Bauarbeitern errichtet. In der gleichen Bauweise hat der Manager bereits ein Wohn- und Geschäftshaus in Memmingen gebaut sowie die Zentrale für die Vorarlberger Illwerke in Vandans im Montafon.

Modular in der Cloud planen

In der Cloud von BIMObject können Architekten Cree-Häuser aus dem Baukasten designen.
Foto: Cree

Doch Rhomberg geht nicht nur beim Baumaterial neue Wege, sondern auch bei der Verbreitung seiner Idee. Der bekennende StarTrek-Fan orientiert sich dabei am Prinzip der Borg. "Was dort ein einzelner weiß, teilt er mit dem ganzen Kollektiv", erklärt Rhomberg, der nicht versteht, warum in der Bauwirtschaft das Rad immer wieder neu erfunden wird, statt Ideen zu teilen. Er hat deshalb sein Baukastensystem in die Cloud gestellt - oder anders formuliert, er ging den Schritt vom Ego zum Lego.

Interessierte Architekten können das System über die Cloud des schwedischen Anbieters BIMobject unter http://bimobject.com/en/embed/cree-building/privatecloud/creebuildings nutzen. Das System können Architekten unbegrenzt verwenden, um beispielsweise mit den digitalen Bauelementen und -komponenten vorläufige Entwurfsplanungen oder gleich Komplettlösungen anzufertigen. Im BIM-Prozess von Cree ist alles durch das Handbuch von BIMobjects modularisiert und den Planern vorgegeben. Auf diese Weise sollen Bauplanung und -vorbereitung industrialisiert werden, so dass Gebäude aus Holz standardmäßig innerhalb kürzester Zeit geplant, produziert und zusammengebaut werden können - wie etwa der LCT ONE.

LifeCycle Tower one

Von außen unterscheidet sich das LCT One kaum von einem klassischen Bürogebäude. Es entstand aber in nur acht Tagen iin Hybrid-Bauweise.
Foto: Müller Norman A. /Cree

Disruptiv im Vergleich zur heutigen Bauwelt geht Rhomberg auch innerhalb des Gebäudes vor. In seinen Smart Buildings, die als Passivhäuser ausgelegt sind, werden einzelne Komponenten wie Lichtschalter, Sensoren etc. per IoT in die Steuerung eingebunden. Hierzu steht jedoch kein Rechner mehr im Keller, sondern dies erfolgt aus der Cloud. Bei der intelligenten Vernetzung des LCT ONE arbeitet CREE mit der Zumtobel Gruppe, Bosch Software Innovations, Dassault Systèmes, einem Anbieter für 3D-Design-Software und Modcam, einem Startup mit Fokus auf Digitale Bilderkennung zusammen.

Gemeinsam haben die Unternehmen den LCT ONE nun zu einem Vorzeigeobjekt umgebaut, das zeigen soll, welchen Nutzen das Internet der Dinge (IoT) in vernetzten Gebäuden bringen kann. So wurde etwa ein ganzheitliches Lichtkonzept zu Energie-Management entwickelt. Durch vordefinierte Zeiten und Bewegungsmelder wird das Licht nur dann eingeschaltet, wenn es auch benötigt wird. Zudem werden Kunst und Tageslicht kombiniert - wobei die Jalousien automatisch so gesteuert werden, dass auch der Blendschutz optimal ist und der Kühlbedarf gering. Insgesamt spart dies bis zu 75 Prozent der Beleuchtungsenergie im Vergleich zu Bürogebäuden ohne eine derartige Steuerung.

IoT im Smart Building

Im Smart Building können über ein Dashboard alle Parameter kontrolliert und gesteuert werden.
Foto: Zumtobel

In einer zweiten Stufe wurde dieses System weiter ausgebaut, um durch eine bessere Nutzung von Daten die Lichtinfrastruktur noch energieeffizienter zu machen, die Wartungskosten zu senken und die Kundenzufriedenheit zu steigern. Gleichzeitig dienen die Informationen auch dazu, das Raum-Management zu verbessern und die Reinigungsabläufe zu optimieren. Dazu werden einerseits Präsenzsensoren des bestehenden Beleuchtungssystems genutzt als auch zusätzliche Sensoren direkt in die Leuchten integriert.

Das Lichtsystem und die Sensoren liefern ihre Daten an die Cloud-basierte IoT-Suite von Bosch Software Innovations, wo sie gesammelt, weiterverarbeitet und analysiert werden. Die Ergebnisse werden dann in anschaulichen, leicht verständlichen Grafiken auf einer Art Armaturenbrett, einem webbasierten Dashboard, dargestellt, das die Zumtobel Group zusammen mit Bosch Software Innovations entwickelt hat.

Die gewonnenen Daten sollen bei einem effizienteren Energie-Management helfen sowie zur Verbesserung der Anwenderzufriedenheit und zur Wartungsplanung dienen. So können automatische Lichtstimmungen angepasst und verbessert werden. Und bei einem Wartungsbesuch können nicht nur die Leuchten ausgetauscht werden, die bereits ausgefallen sind, sondern auch die, die wahrscheinlich bald ausfallen werden. "Es geht in Zukunft nur noch um Daten", skizziert Rhomberg die künftige Entwicklung.

Wertschöpfung im IoT

Ein Beispiel dafür sind die Daten der Präsenzsensoren, die im LCT ONE verbaut wurden. Sie geben Auskunft darüber, wie gut bestimmte Zonen im Gebäude genutzt werden: Ist in einem Raum fast niemand anwesend, könnte dieser umgewidmet werden - etwa in eine Besprechungszone oder ein flexibles Büro, wo sich mehrere Nutzer einen Schreibtisch teilen. Dadurch können Räumlichkeiten einspart und Miet- und Betriebskosten gesenkt werden. Ebenso lassen sich Reinigungskräfte effizienter einsetzen, da etwa Putzpläne quasi automatisch on demand erstellt werden. Ebenso wäre es denkbar, Getränkeautomaten etc. im Gebäude nur in gut frequentierten Bereichen zu installieren.

Welchen Zusatznutzen ein noch dichteres Datennetzwerk bietet, prüfen die Zumtobel Gruppe und Bosch Software Innovations im zweiten Stockwerk des LCT ONE. Dort wurden zusätzliche 22 weitere Präsenzsensoren angebracht, die eine sogenannte "Heat Map" liefern: Das heißt, jeder Sensor übermittelt Anwesenheitsdaten nur für sein Beobachtungsfeld - womit man sozusagen ein in 22 Pixel aufgelöstes Anwesenheitsbild des Raumes bekommt.

Auf diese Weise sind keine Rückschlüsse auf die Identität der anwesenden Personen möglich, aber es wird gezeigt, welche Teile des Raumes besonders häufig und welche weniger frequentiert werden. Zusätzlich wurden acht optische Sensoren des schwedischen Start-ups Modcam installiert, die eine noch detaillierte Analyse der Raumnutzung ermöglichen. Mit diesen Detaildaten könnte etwa die Steuerung von Licht oder Jalousien noch genauer erfolgen, um so weiter Energie zu sparen. Eine weitere Idee ist, künftig CO2-Sensoren in den IoT-Gebäuden zu verbauen, um so auf die Belüftungsanlagen zu verzichten. Sinkt dann der Sauerstoff, würde das intelligente Gebäude den Menschen auffordern zu lüften.

Eine Zukunftsvision ist im Augenblick noch der Gedanke, dass im IoT-Gebäude Stehleuchten und Deckenfluter künftig die Funktion von IoT-Hubs übernehmen. Also Sensoren, WLAN etc. alles in einer Leuchte integriert wird und diese untereinander vernetzt sind. Auf diese Weise könnte im Gebäude komplett auf jegliche Verkabelung - außer den Stromkabeln - verzichtet werden. "Letztlich wird das durch Beleuchtung ermöglichte IoT durch neue datengestützte Dienste auch zusätzliche Einkommensströme für die Gebäudebetreiber oder -manager generieren", zeigt sich Rhomberg überzeugt, "es wird eine Verschiebung der Wertschöpfung vollständig auf IoT geben."