PDFs richtig aufbereiten

Barrierefreiheit für Menschen mit Sehbehinderungen

07.09.2010 von Peter  Ganza
Für Menschen mit Sehbehinderungen stellt das Internet eine beinahe unüberwindliche Hürde dar. Das muss nicht sein. Werden Inhalte optimiert angeboten, können sich auch Benachteiligte komfortabel im Netz bewegen.

Man spricht in diesem Fall von barrierefreiem Internet. Für Webseitenbetreiber heißt das, sie müssen ihre Webseiten so programmieren, dass sie für die Ausgabegeräte von Behinderten "lesbar" sind. Das Gros der Internetseiten ist jedoch noch nicht für den barrierefreien Zugang optimiert. Eine Ausnahme bilden zum Beispiel Webseiten von Behörden.

Menschen mit Behinderungen gehören zu den aktivsten Online-Communities.

Wem der Zutritt zum Web per Bildschirm verwehrt bleibt, muss sich anderer Mittel bedienen. So gibt es beispielsweise Geräte, die Text auf Internetseiten in Blindenschrift übersetzen. Hierfür ist es wichtig, dass Bilder im HTML-Quelltext mit aussagekräftigen Alt-Tags versehen sind. Außerdem sollten Links möglichst "sprechend" formuliert sein. Wenn eine Seite zehn Links enthält, die alle "mehr zu …" lauten, ist es für Blinde unmöglich, sich zu orientieren. Darüber hinaus gibt es sogenannte Screenreader. Diese können Computerinhalte vorlesen. Jedoch werden nicht alle Inhalte mit diesen Hilfen ausgegeben. Neben PDFs stellen Tabellen oder Bilder für die "Vorleser" eine große Hürde dar.

Sehbehinderte: Rege Online-Community mit Hindernissen

Vor allem Telefonanbieter, aber auch Banken und Sparkassen stellen Rechnungen oder Kontoauszüge in erster Linie online als PDF bereit. Für Menschen mit Sehbehinderungen stellt das ein Problem dar. Statistisch gesehen kann ein Finanzanbieter mit circa 2,5 Millionen Kunden damit rechnen, dass mindestens ein Prozent dieser Kunden in irgendeiner Form sehbehindert ist. Diese würden wiederum Zugriff auf ungefähr eine Million Dokumente pro Jahr benötigen, je nachdem wie häufig sie beispielsweise ihre Bankauszüge abrufen.

Unternehmen, die Online-Services anbieten, sollten ihre sehbehinderten Kunden nicht außen vor lassen. Die Forschung zeigt, dass die Gemeinschaft der Sehbehinderten nicht nur eine der aktivsten Online-Gruppen ist, sondern auch eine der treuesten. Das gilt natürlich nur dann, wenn die Bedürfnisse dieser Menschen bedient werden und die Online-Inhalte und Formulare entsprechend aufbereitet sind. Nach einer Studie von Aktion Mensch nutzen behinderte Menschen - auch Sehbehinderte - das Internet rund 6,5 Tage pro Woche. Dabei dient es vor allem als Informationsquelle. Im Gegensatz dazu kommt der Rest der deutschen Bevölkerung im Durchschnitt nur auf 5,1 Tage pro Woche.

Nach Ansicht von Viviane Reding, EU-Kommissarin für Kommunikation, sind die aktuellen Vorschriften für barrierefreie Webseiten zu länderspezifisch. Daher schlägt sie einheitliche Richtlinien für Webseiten in Europa vor. Als Grundlage sollen die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) des W3C-Konsortiums dienen. Dadurch würde ein Maßstab für Webseiten-Anbieter geschaffen, um die Zugänglichkeit von digitalen Inhalten und Dokumenten zu sichern.

PDF-Dokumente: Sehen oder nicht sehen

Elektronische Rechnungen stellen die Lesegeräte von Behinderten vor Herausforderungen.

Bei digitalen Rechnungen oder Kontoauszügen setzen viele Unternehmen in Deutschland auf elektronische Formate, die als PDF den Endkunden erreichen. Doch gerade diese Formatierung ist alles andere als sehbehindertenfreundlich. Aufgrund der Nichtunterstützung von Taggings sowie fehlender Standards und Tools können Screenreader nicht eingesetzt werden. Um diesem Problem entgegenzuwirken, setzen bereits viele Unternehmen auf externe Berater beziehungsweise Organisationen, die PDFs manuell barrierefrei gestalten. Ein problematischer Ansatz, der sich nur für wenige Firmen anbietet, da neben der Kostspieligkeit und dem Aufwand, PDFs extern mit bestimmten Kennzeichnungen zu versehen, viele Unternehmen Daten nur ungern an Dritte weitergegeben.

Um den aufwendigen Bearbeitungsprozess von PDFs künftig zu umgehen und die Situation für Sehbehinderte zu verbessern, haben sich bereits verschiedene PDF-Arbeitsgruppen dieses Problems angenommen.

Auf der nächsten finden Sie fünf wichtige Anforderungen an das PDF-Tagging.

Anforderungen an das PDF-Tagging

Folgende fünf Maximen des PDF-Taggings sollen die Barrierefreiheit solcher Dokumente möglich machen.

  1. Lese-Reihenfolge
    Konzernabschlüsse oder Rechnungen werden nicht immer im üblichen links-nach-rechts-Format ausgegeben. Informationen wie Kontonummern, Mahnungen oder Diagramme können einen Screenreader beeinträchtigen. Entsprechende Abweichungen vom Standardformat sollten entsprechend aufbereitet sein.

  2. Kennzeichnung von alternativem Text
    Logos, Links oder auch Grafiken werden von Screenreadern nicht erkannt und oftmals fälschlicherweise als Aneinanderreihung von Buchstaben wiedergegeben. Um dem vorzubeugen, sollten diese Elemente bereits vorher gekennzeichnet werden, damit Sätze wie beispielsweise "weiterführende Informationen finden Sie unter folgendem Link" zu hören sind.

  3. Tabellen
    Tabellen stellen eine erhöhte Herausforderung für Screenreader dar. Sie können diese nicht lesen oder gar interpretieren. Um dem vorzubeugen, sollten Anwender Tabellen nicht nur in Zeilen und Spalten anordnen, sondern auch plausibel kennzeichnen, welche Inhalte in den horizontalen und welche in den vertikalen Spalten zu finden sind. Screenreader stehen dabei vor der Herausforderung, nicht nur bloße Wörter oder Zeichen wiederzugeben, sondern auch entsprechende Grafiken zu erläutern.

  4. Spracherkennung
    Tags sollten das PDF einer Sprache zuordnen, gegebenenfalls sogar einzelne Wörter (wie etwa Anglizismen) hervorheben, damit diese auch in der richtigen Ausgabesprache vom Screenreader wiedergegeben werden können. Die Ausgabe wird dadurch leichter verständlich und das Buchstabieren von Wörtern, die von Screenreadern nicht erkannt werden, entfällt.

  5. Benutzerfreundlichkeit
    Die Benutzerfreundlichkeit ist keine technische Notwendigkeit, aber sehr wichtig für den Umgang von blinden oder sehbeeinträchtigten Menschen mit Dokumenten. Im Idealfall könnten Websites entsprechende Instruktionen für den Umgang mit Screenreadern enthalten. So kann das Unternehmen sichergehen, dass die Dokumente von jedem sehbehinderten Menschen effizient genutzt werden können.

On-Demand Konversion von Print-Streams

Externe Technologieplattformen helfen, PDFs richtig zu taggen.

Diese Anforderungen lassen sich mit automatisierten Prozessen systematisch und kosteneffizient umsetzen. Obwohl bereits diverse Tools das Tagging von einzelnen PDFs ermöglichen, ist das automatisierte Tagging und sehbehindertengerechte Aufbereiten einer großen Menge an Dokumenten für viele Unternehmen noch immer eine Herausforderung. Um PDFs für die Online-Bereitstellung zu taggen, bietet sich eine Server-basierte On-Demand-Technologieplattform an. Outsourcing- oder Infrastrukturkosten können so frühzeitig überblickt werden.

Eine effektive Methode ist beispielsweise das Erfassen von Print-Streams aus Enterprise Content Management-Systemen. Diese können dann mithilfe der richtigen Technologien in sehbehindertengerechte Online-PDFs umgewandelt werden. Über die Möglichkeit von Abfragen on demand stehen allen Anwender sämtliche Dokumente jederzeit zur Verfügung. Unternehmen werden gleichzeitig davor bewahrt, verschiedene Systeme und Prozesse zu verwalten und Unmengen an Daten anzuhäufen.

Dieser Ansatz ist nicht nur im Einklang mit aktuellen und bereits beschlossenen juristischen Vorgaben, sondern bietet gleichzeitig einen Wettbewerbsvorteil. Unternehmen können auf diese Weise Kundengruppen ansprechen, die heutzutage oftmals noch vernachlässigt werden und solche Angebote gerne annehmen. (ph)