Suchmaschinen in China und Russland

Baidu - Nutznießer der Zensur

03.11.2014 von Mathias von Hofen
Google und Wikipedia haben in China einen schwierigen Stand - mit weitreichenden Konsequenzen für deutsche Betriebe. Mathias von Hofen berichtet.

Die Volksrepublik China ist der bedeutendste Online-Markt der Welt. Die Zahl der Internetnutzer in China liegt bei über 600 Millionen mit weiter steigender Tendenz. Das sind bereits jetzt zehnmal mehr Menschen, die regelmäßig das Internet nutzen als in Deutschland. So gewinnt der chinesische Online- und Suchmaschinenmarkt zunehmend an Bedeutung.

Allerdings unterliegt das chinesische Internet eigenen Gesetzen. Soziale Dienste, die sich in westlichen Ländern außerordentlicher Popularität erfreuen, werden in China zum Teil kaum beachtet. So nutzten im Jahr 2011 ganze 400.000 Chinesen Facebook. Das einheimische soziale Netzwerk Ren/Ren wurde jedoch von 117 Millionen Menschen regelmäßig genutzt.

Auch bei den Suchmaschinen sind die Marktverhältnisse gänzlich anders als in westlichen Ländern. Google spielt auf dem chinesischen Markt nur eine sehr untergeordnete Rolle. Die amerikanische Suchmaschine kommt in China auf einen Marktanteil von lediglich 2 Prozent. Dies hat zum einen den Grund, dass sich Google im Jahr 2010 vom chinesischen Markt weitgehend zurückgezogen hat. Google begründete damals seine Entscheidung mit der Internetzensur der chinesischen Behörden. Das Unternehmen war erst im Jahr 2006 in den chinesischen Markt eingetreten, doch eroberte sich bis zum Jahr 2010 einen Marktanteil von 36 Prozent.

Dann kam es allerdings zu einem Konflikt mit der chinesischen Administration, da sich Google weigerte, seine Suchergebnisse weiter zensieren zu lassen. Das Unternehmen verkündete diese Entscheidung öffentlich und leitete die Suchanfragen aus China auf die Google-Seite in Hongkong um, wo aufgrund des Sonderstatus, den die ehemalige britische Kolonie in China genießt, die Suchmaschinen nicht zensiert werden. Die chinesische Regierung empfand dieses Vorgehen als offene Konfrontation und sperrte die Seite google.cn umgehend.

Auch im Jahr 2014 wird man beim Versuch, eine Anfrage auf google.cn einzugeben, automatisch auf google.com.hk weitergeleitet. Google wird aber nur noch von einer Minderheit der chinesischen Internetuser benutzt - meist von Personen mit besonders intensiven persönlichen oder beruflichen Kontakten in den Westen.

Es ist nicht zu erwarten, dass sich Google ganz aus dem chinesischen Markt zurückzieht. Doch es ist auch nicht abzusehen, dass Google in größerem Maße Marktanteile zurückgewinnt, da mittlerweile andere Unternehmen den Platz von Google erfolgreich besetzt haben und zudem die Furcht vor staatlicher Überwachung im Netz die Nutzung einer "eher unliebsamen" Suchmaschine risikoreich erscheinen lässt. Zudem ist in Teilen der chinesischen Gesellschaft ein wachsender Patriotismus zu beobachten, der oft mit antiamerikanischen Einstellungen verbunden ist. Damit geht eine sehr kritische Einstellung gegenüber dem Informationsmonopol einher, dass Google in großen Teilen der Netzwelt besitzt.

Die Expansion von Baidu

Der Hauptprofiteur des Rückzugs von Google vom chinesischen Markt war die Suchmaschine Baidu, die in den vergangenen Jahren zum absolut dominierenden Unternehmen auf dem chinesischen Suchmaschinenmarkt wurde. Baidu wurde im Jahr 2000 in Peking gegründet. Mittlerweile hat das Unternehmen 6000 Mitarbeiter und verzeichnete im Jahr 2012 einen Umsatz von 3.6 Milliarden und einen Gewinn von 1,7 Milliarden Dollar. Der Börsenwert von Baidu lag im selben Jahr bei rund 50 Milliarden Dollar und der Marktanteil in China lag im Jahr 2011 noch bei 80 Prozent.

Seitdem ist die Dominanz von Baidu in China leicht rückläufig. Allerdings gehört Baidu weiterhin zu den fünf am häufigsten genutzten Webseiten weltweit. Im ersten Quartal 2014 betrug der Anteil von Baidu am chinesischen Suchmaschinenmarkt noch etwas über 60 Prozent, wobei der Rückgang nicht auf ausländische Wettbewerber, sondern auf konkurrierende chinesische Unternehmen zurückzuführen ist. Vor allem Qihoo360 search (23 Prozent) und Sogou (13 Prozent) haben auf Kosten von Baidu Marktanteile hinzugewonnen. Qihoo ist der führende Anbieter von Antivirenprogrammen in China und eines auf dem chinesischen Markt erfolgreichen Browsers und plant auch in verschiedene asiatische und europäische Länder zu expandieren.

Im März 2014 ist mit chinaso.com auch eine staatliche Suchmaschine in China an den Markt gegangen. Die Nachrichtenagentur Xinhua und der Staatssender China Central Television gehören zu den Gründern. Die Suchmaschine durchsucht nur News, die in China selbst erschienen sind. Dabei werden auch das Programm und die Angebote von 16 Fernsehsendern durchforstet. Allerdings werden chinaso.com nur begrenzte Chancen auf dem chinesischen Markt eingeräumt - siehe hierzu zdnet.de.

Baidu hat auf die neuen Wettbewerber und die gesunkenen Marktanteile reagiert, indem das Unternehmen an der Verbesserung der von ihm angebotenen Suchmaschine weiter arbeitet. Zugleich hat Baidu auch sein Angebot im Bereich der Internetdienste erweitert. Das Unternehmen bietet mit Baidu Maps einen Mapping-Dienst an, der Google Maps in China deutlich überholt hat und pro Bürger knapp zehn Mal im Quartal genutzt wird - siehe it-times.de.

Auch der kostenlose Baidu Spark Browser hat in China eine marktbeherrschende Stellung erlangt, wobei er in vielen Funktionen an Google Chrome erinnert. Zum Angebot von Baidu gehören weiterhin ein soziales Netzwerk namens Tieba sowie die Bibliothek Baidu Tushu, eine Konkurrenz zu Google Books, die es allerdings nicht erlaubt, eingescannte Seiten der Bücher zu lesen.

Kooperation mit Microsoft

Besonders bemerkenswert ist Baidu Baike, eine Enzyklopädie in Mandarin, die sich bewusst als Konkurrenz zu Wikipedia versteht. Die Artikel bei Baike werden, ähnlich wie bei Wikipedia, von Nutzern verfasst, die sich zuvor registriert haben. Baidu hat mit seinem Produkt von den Sperrungen von Wikipedia in China profitiert. Baidu Baike unterwirft sich in verschiedenen Sektoren den Zensurbestimmungen der chinesischen Regierung. Artikel, die die Regierung, den Staat und die regionalen Administrationen kritisieren, werden entschärft oder gelöscht. Aber auch Artikel, die sich mit gesellschaftlichen, religiösen und sozialen Fragen beschäftigen und dabei die Positionen der kommunistischen Partei angreifen, dürfen nicht eingestellt werden.

Verschiedentlich wurde Baidu vorgeworfen, Artikel von Wikipedia abgeschrieben zu haben. Einzelne Quellen sprechen von über 1800 Artikeln, die Baidu Baike angeblich von der chinesischen Wikipedia übernommen hat. Solche Zahlenangaben lassen sich allerdings nur schwer überprüfen. Wikipedia kann auch nur von seiner Hongkonger Seite aus uneingeschränkt aufgerufen werden: In China sind viele Inhalte des Lexikons gesperrt. Im Gegensatz zu früher kommt es aber nicht mehr zu einer Totalblockade von Wikipedia durch die chinesischen Behörden.

Mittlerweile werden nur noch einzelne Inhalte gesperrt. Dabei kommen Filter zum Einsatz, die auf der Ebene der Internet-Provider eingesetzt werden und vor allem politisch heikle Themen blockieren. Dadurch hat Wikipedia keine Möglichkeit gegen diese Maßnahmen des chinesischen Staates vorzugehen - siehe hierzu Zeit Online. Baidu wird im Ausland, insbesondere in den USA und Europa, mitunter scharf kritisiert. Allerdings gibt es auch Kritik innerhalb Chinas. So haben chinesische Autoren Baidu vorgeworfen, ihre Werke ohne Rücksprache ins Netz gesetzt zu haben.

Der erstaunliche Erfolg von Baidu hat verschiedene Ursachen: Es scheint, dass das Unternehmen gegenüber Google den Vorteil hat, die chinesische Kultur, Traditionen und insbesondere die chinesische Sprache besser zu kennen. Auf diesen Aspekt weist auch der Unternehmensgründer Li in seinen Erklärungen zum Erfolg seiner Firma immer wieder hin. Insbesondere im Bereich der Suchmaschinen spielt das tiefergehende Verständnis der chinesischen Sprache und ihrer Feinheiten eine besondere Rolle. So liefert Baidu in Mandarin oftmals bessere Suchergebnisse als Google. Daher ist es sicherlich kein Zufall, dass chinesische Internetnutzer Anfragen zu chinesischen Themen meist bei Baidu machen und Anfragen zu internationalen Themen oftmals bei Google oder anderen Firmen.

Allerdings hat Baidu durch die im Jahr 2011 beschlossene Zusammenarbeit mit Microsoft bei englischsprachigen Suchanfragen auch sein Angebot in diesem Bereich verbessert. Die Suchmaschine Bing von Microsoft ist jetzt auf der Webseite von Baidu integriert, sodass bei den Abfragen in englischer Sprache automatisch Bing aktiviert wird und die passenden Suchergebnisse bei Baidu erscheinen. Da auch die Suchergebnisse in englischer Sprache von der Regierung zensiert werden, ist die Kooperation von Bing mit Baidu in den westlichen Medien zum Teil kritisiert worden.

Seit einigen Jahren expandiert Baidu auch ins Ausland. Insbesondere andere asiatische Länder wie Vietnam, Thailand und Malaysia sind für Baidu dabei von Interesse. Auf dem japanischen Markt ist Baidu bereits schon seit dem Jahr 2008 präsent. In Thailand befindet sich eine regionale Version von Baidu in der Testphase. Dabei will sich Baidu an die landeseignen Zensurvorgaben halten, beispielsweise an das Verbot, den thailändischen König zu kritisieren. Aber auch in nichtasiatische Schwellenländer wie Brasilien und Ägypten beabsichtigt Baidu zu expandieren - siehe computerwoche.de.

Konsequenzen für deutsche Unternehmen

Was bedeutet die Entwicklung auf dem chinesischen Online- und Suchmaschinenmarkt nun für deutsche Unternehmen, die Online-Werbung für Ihre Produkte in China machen wollen? Viele Unternehmen wählen Google als bevorzugten Partner im Suchmaschinenmarketing, da das Unternehmen für weltweite Werbemöglichkeiten steht. In China und einigen anderen asiatischen Länder wie Südkorea, aber auch in Russland sind die Marktanteile von Google sehr begrenzt. Insbesondere die breiteren Bevölkerungsschichten erreicht man kaum mit Google. Daher empfiehlt es sich, unbedingt auf lokale Suchmaschinen zu setzten. Gerade bei Baidu sind bezahlte Anzeigen sinnvoll, das sie bei den Suchergebnissen besonders hoch ranken.

Auch bei den Kriterien für das Ranking durch die Suchmaschine gibt es gewisse Unterschiede zwischen Baidu und Google. So ist für Google bei den Backlinks die Qualität entscheidend, bei Baidu ist dagegen (noch) die Quantität wichtiger. Backlinks sind Rückverweise, die von anderen Webseiten auf eine bestimmte Webseite führen und damit deren Bedeutung im Netz unterstreichen.

Allerdings müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein, damit man auf Anzeigen bei Baidu schalten kann. So muss das ausländische Unternehmen eine Niederlassung in China haben oder alternativ muss ein Vertreter mit Adresse in China benannt sein. Auch ein Handelsregistereintrag mit zusätzlicher Übersetzung ins Chinesische muss vorhanden sein. Zudem muss eine Summe hinterlegt werden, die zum einen Setup-Gebühr ist und zum anderen der Finanzierung der Werbung gilt. Im Jahr 2013 lag diese Summe zwischen 5.000 und 20.000 Dollar.

Weiterhin muss eine chinesische Landing Page vorhanden sein. Um den Erfolg der Werbung kontrollieren zu können, ist auch die Einsetzung eines Conversion Tracking Codes für Baidu möglich. Dabei sind jedoch individuelle Anpassungen bei Google Analytics oder anderen Controlling Tools notwendig. Conversion Tracking gibt Aufschluss über den Erfolg von Maßnahmen und Aktionen auf einer Webseite. So kann mit dem Conversion Tracking das Verhältnis von Bestellungen zu den Besuchern einer Website oder die Relation von begonnenen zu abgeschlossenen Bestellprozessen gemessen werden - siehe worldsites-schweiz.ch.

Ein Unternehmen, das auf dem chinesischen Markt aktiv ist, muss sich stets der politischen Lage im Land bewusst sein. Wenn zum Beispiel auf der Homepage des Unternehmens politische und wirtschaftspolitische Entscheidungen der Regierung angegriffen werden oder die Korruption im Land kritisiert wird, sind negative Reaktionen der Administration oder von chinesischen Geschäftspartnern durchaus möglich. Aufgrund der immer noch großen Bedeutung des Staates und staatseigener Unternehmen im Wirtschaftsgefüge der Volksrepublik, kann dies zu sehr negativen geschäftlichen Auswirkungen für das jeweilige ausländische Unternehmen führen.