Disketten-Einplatzsystem Schaltgerätewerk R. Stahl:

Autonomer Mini als schlüsselfertige Lösung

09.03.1979

Von Walter Lönneker *

Minicomputer erweisen sich immer mehr als ein universelles Rationalisierungs-Instrument für Anwender alter Branchen und Betriebsgrößen. Die Flexibilität, mit der sie sich an vorhandene Organisationen anpassen (und ihre Wirtschaftlichkeit) erlauben es zudem, sie auch als Einzwecksysteme - beispielsweise nur im Bereich der betrieblichen Fertigungsplanung und -kontrolle - einzusetzen. Bedingt durch ein zunehmendes Mengengerüst sah sich vor etwa einem Jahr das Schaltgerätewerk, die Firma R. Stahl. Künzelsau, gezwungen, über ein entsprechendes, den veränderten Bedingungen angepaßtes Mini-Computersystem nachzudenken.

Der Informationsbedarf war in dem schnell wachsenden Unternehmen erheblich gestiegen und mit den konventionellen, manuellen Mitteln war keine Abhilfe mehr möglich. Die kommerzielle, Datenverarbeitung lag bereits seit einigen Jahren bei einem speziellen Unternehmensbereich der Firma Stahl. Unternehmensberatung und Rechenzentrum in Stuttgart. Dieser Service reichte für das Künzelsauer Schaltgerätewerk mehr aus, für den Produktions- und Fertigungsbereich wurde eine spezielle eigene Datenverarbeitung notwendig.

Das neue Computersystem - ein DEC-datasystem 322 von Digital Equipment - wurde im April 1978 über das Systemhaus und DEC-OEM "Keil & Co." installiert. Dieses Unternehmen ist umsatzstärkster DEC-OEM in der Bundesrepublik. Die Mehrzahl der von Keil bisher im kommerziellen Bereich abgewickelten Auftrage bestand in sogenannten, "schlüsselfertigen Lösungen", also in Turnkey-Systemen. Auch die im Schaltgerätewerk R. Stahl installierte Lösung basiert auf einem

schlüsselfertigen Konzept.

Drei Formulare steuern den Arbeitsablauf

Der Arbeitsablauf im Bereich der Auftragsbearbeitung wurde folgendermaßen festgelegt. Ein Disponent bekommt entweder Kundenaufträge oder ein Produktionsprogramm - je nachdem, ob es sich

um eine auftragsbezogene Fertigung oder um einen Lagerauftrag handelt Anhand des Produktionsprogramms und der Kundenaufträge löst der Disponent die Werkstattaufträge aus. Dies geschieht mit Hilfe eines Materialanforderungs-Formulars, das vom Disponenten manuell auszufüllen ist. Bei Standardplanen muß er lediglich die EDV-Nummer, die ersten vier Stellen der Teilenummer, die zu fertigende Stückzahl und den Fertigungs-Endtermin eingeben. Damit ist der Arbeitsplan vorgegeben und der Werkstattauftrag ausgelöst.

Außerdem kann der Disponent auf dem Formular individuelle Texte angeben, die dann auch auf der ersten Seite des "Scheckheftes" - die Werkstattaufträge werden in Form eines aus mehreren Blättern bestehenden Scheckheftes ausgedruckt - ausgegeben werden (zur individuellen Information für den Werkstattmeister). Sofern es sich nicht um einen Standardauftrag handelt, können Variable eingegeben werden - so zum Beispiel Ergänzungen zur Typenbezeichnung. Zudem kann der Disponent bestimmte Inhalte von Material- und Arbeitsrangfolgen ändern.

Der gesamte Arbeitsablauf wird bei Stahl heute über nur drei Formulare gesteuert, und zwar über ein Arbeitsplan-Konzept, über die Materialanforderung und über ein EDV-Formular, das schließlich zum Scheckheft verarbeitet wird Die Werkstattauftrage werden von der EDV auf Endlosformulare geschrieben und anschließend über einen Papierschneider, der durch eine Lichtschranke gesteuert wird, auftragsgerecht separiert. Als Ergebnis entsteht das Scheckheft für die Werkstattaufträge. Bis dahin sind jedoch noch folgende Arbeiten durchzufahren.

Der Zeitstrahl setzt Termine

Nachdem die Materialanforderung vollständig ausgefüllt worden ist, gelangt sie zunächst zum Computersystem. Dort nimmt eine Mitarbeiterin - anhand der Typenbezeichnung - die entsprechende Diskette, wählt die EDV-Nummer (sofern vergeben, sonst über Matchcode) und gibt anschließend die Auftragsnummer, die Stückzahl, den Endtermin und das Disponenten-Kurzzeichen (zur Kontrolle) ein. Daraufhin erstellt das DECdatasystem die Fertigungspapiere. Durch einen Software-Spooler können zur gleichen Zeit weitere Erfassungen vorgenommen werden. Im Endausbau werden rund 5000 individuelle Arbeitspläne im System vorhanden sein und bildschirmgesteuert verwaltet werden.

Das Scheckheft (Format etwa 10 x 20 Zentimeter) besteht aus durchschnittlich 14 Einzelscheinen und ist folgendermaßen gestaltet: Nach dem Deckblatt, das allgemeine Informationen zu dem jeweiligen Auftrag enthält (Auftragsnummer, Stückzahl, Termine, Artikelbezeichnung), folgen mehrere Terminplanungs-Blätter. Auf diesen befindet sich ein "Zeitstrahl", der dem Fertigungsplaner die genaue Terminierung des Auftrages vorgibt. Aufgrund dieses Zeitstrahls steckt der Fertigungsplaner seine Termine, und zwar unter Berücksichtigung der ausfahrenden Kostenstelle und Maschine (oder Maschinengruppe).

Zudem werden dem Fertigungsplaner die Vorgabezeiten mitgeliefert. Diese Auftragsvorgabezeiten werden unter Berücksichtigung des durchschnittlichen "Werkszeitgrades" ausgedruckt. Sie setzen sich zusammen aus der Auftragsstückzahl, multipliziert mit der Einzelstückzeit, zuzüglich Rüstzeit-Zuschlag und dividiert durch den Zeitgrad-Faktor. Der Fertigungsplaner trennt die einzelnen Planungszettel anschließend aus dem Scheckheft heraus und führt sie ihrer "Zweckbestimmung" zu. Weitere Blätter des Scheckheftes dienen beispielsweise der Rückmeldung ausgeführter Arbeitsgänge, der Materialentnahme, der Lohnerrechnung etc.

Nachdem ein Auftrag abgeschlossen ist, wird eine "Begleitkarte" aus dem Scheckheft herausgetrennt und - gemeinsam mit dem Scheckheft-Deckblatt zur Fertigungs-Steuerung zurückgesandt, wo sich damit der Kreis der Auftragsbearbeitung und Fertigungsplanung schließt. Zu diesem Zeitpunkt stehen die fertigen Geräte des Unternehmens R. Stahl zur Auslieferung bereit und die zur administrativen Weiterverarbeitung notwendigen Daten ebenfalls vollständig zur Verfügung. Die erforderliche Hardware für dieses System besteht aus einem DECdatasystem D 322 (siehe Foto) mit 56 KB, einem Bildschirm mit Tastatur sowie einem Drucker. Die Programmiersprache ist DIBOL; das System besitzt einen Anschluß für Datenfernverarbeitung.

Die für den Einsatz im Produktionsbereich erforderliche Computer-Hardware beschränkt sich nicht mehr, wie noch vor wenigen Jahren, auf Großcomputer. Vielmehr werden in zunehmendem Maße auch dialogorientierte Minicomputer-Systeme im Betriebsprozeß eingesetzt. Großbetriebe setzen "Minis" bevorzugt als autonome Systeme in ihren Fachabteilungen ein, wie das Beispiel des Künzelsauer Schaltgerätewerkes zeigt, während Klein- und Mittelbetriebe Minicomputer auch als Mehrplatzsysteme für das Gesamtunternehmen nutzen. Wegen des geringen Hardware-Aufwandes im eigenen Unternehmen und der "Auslagerung" aller administrativen Arbeiten in ein Rechenzentrum kann bei der Firma R. Stahl der gesamte EDV-Aufwand gering gehalten werden: Eine integrierte Lösung - doch gleichwohl: Datenverarbeitung ohne Redundanz!

* Walter Lönneker ist freier EDV-Journalist.