Autobauer suchen IT-Profis mit Sozialkompetenz

22.09.2004 von Karen Funk
Die deutsche Automobilbranche ist ein Wachstumsmarkt - vor allem im Ausland. Das zeigt sich nicht nur bei den Absatzzahlen, sondern auch bei der zunehmenden Verlagerung der Arbeitsplätze in produktionsgünstigere Länder in Osteuropa oder Südafrika. Auch die höher qualifizierten Jobs sind davon betroffen. Dennoch werden weiterhin Ingenieure und Informatiker auch im Inland gesucht, besonders im Bereich der Vorentwicklung von Fahrzeugen sowie für klassische IT-Aufgaben.

"Wir suchen in diesem Jahr rund 50 Personen mit IT-Qualifikation", erklärt Ute Röding, eine Sprecherin der Audi AG. Diese sollen in der IT-Planung und bei IT-Projekten im Kundenprozess zum Einsatz kommen, Datenbanken betreuen und die Technologie managen. "Darüber hinaus haben wir Vakanzen in der Technischen Entwicklung rund um das Thema ,IT im Fahrzeug’", fügt sie hinzu. Die Einstiegsgehälter rangieren zwischen 42000 und 48000 Euro im Jahr, je nach Qualifikation. Auch die Konzerne BMW und Daimler-Chrysler stellen in diesem Jahr Informatiker in allen Bereichen der IT ein.

Für andere Arbeitnehmer in der Branche, vor allem aus dem Bereich der Fertigung, sieht es weniger rosig aus: Die deutschen Autobauer feilschen derzeit mit den Gewerkschaften um Tarifkürzungen und längere Arbeitszeiten - nach Daimler-Chrysler und Volkswagen jetzt auch Opel.

Zudem hat die Industrie nicht erst seit der EU-Osterweiterung damit begonnen, Stellen ins produktionsgünstigere Ausland zu verlagern. "In den vergangenen 15 Jahren hat die Autobranche bereits 100000 Arbeitsplätze in Osteuropa geschaffen", betont Ferdinand Dudenhöffer, Automobilexperte und Direktor des Center Automotive Research (CAR) an der Fachhochschule Gelsenkirchen. Das liege vor allem an den deutlich niedrigeren Lohnkosten: Besonders sensibel für Lohnkostenunterschiede sind die Automobilzulieferer, die laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) heute bereits ein Drittel der Fahrzeugentwicklungskosten tragen; bis 2010 sollen es dann 50 Prozent sein. Auch die Volumenbauer wie Opel, VW oder Ford sind dem Personalkostendruck stärker ausgesetzt als beispielsweise Premium-Hersteller wie Porsche, BMW oder Daimler-Chrysler, die viele Module an Zulieferer outsourcen.

Unabhängig von allen Standortdiskussionen in Deutschland ist die Autoindustrie weltweit eine Wachstumsbranche. BMW-Vorstandschef Helmut Panke prophezeite den Autobauern unlängst ein riesiges Wachstumspotenzial. Im Jahr 2010 sollen weltweit 70 Millionen Fahrzeuge verkauft werden, das sind 17 Prozent mehr als heute. Von diesem Expansionskurs werden auch die deutschen Autobauer "überdurchschnittlich" profitieren, so Dudenhöffer. Allerdings werde sich das Wachstum nicht in gleicher Weise auf die Beschäftigungslage auswirken, denn dafür seien die Produktionskosten zu hoch.

Die Exportzahlen wachsen

Derzeit ist es um die Beschäftigungslage in der deutschen Automobilindustrie noch gut bestellt. Die über 1220 Betriebe der Branche zählten laut VDA 2003 rund 797800 Mitarbeiter, das waren ein Prozent mehr als im Vorjahr. Und auch in diesem Jahr stehen die Zeichen nicht schlecht: Zur Jahresmitte erklärte der Verband, die Branche habe trotz der Bedrohung durch Osteuropa 5000 neue Jobs in Deutschland geschaffen.

Diese Entwicklung wird VDA-Präsident Bernd Gottschalk zufolge vor allem durch den starken Export getragen. Er rechnet in diesem Jahr mit einem Rekordabsatz von 3,75 Millionen Pkw. Allerdings, so warnt Gottschalk, könnten die neuen Modelle keine Branchenkonjunktur schaffen, sondern lediglich "Hauskonjunkturen" bescheren: "Ohne gesamtwirtschaftliches Wachstum können selbst erfolgreiche Modelle nicht mehr wie früher zum Treiber einer breiten und tragfähigen Autokonjunktur werden." Für 2004 rechnet der VDA mit einem Gesamtumsatz der deutschen Automobilbranche von über 210 Milliarden Euro, 2003 waren es noch knapp 254 Milliarden Euro.

Nicht nur Fertigungsjobs, sondern auch höher qualifizierte Arbeitsplätze werden in der Automobilbranche inzwischen ins Ausland verlagert: Der Zulieferer Delphi beispielsweise betreibt ein Ingenieurzentrum in Polen. Laut Dudenhöffer liegen auch die Programmierleistungen zunehmend bei den Zulieferern, und die lassen diese Jobs ebenfalls gerne im Ausland vornehmen. Bei den Auto-herstellern selbst wandern wiederum die Aufgaben in der Serienapplikation, die sich an die Grundentwicklung anschließt und stärker an die Produktion der Fahrzeuge gekoppelt ist, verstärkt ins lohnkostengünstigere Ausland.

Die Automobil-Vorentwicklung und die damit verbundenen IT- und Ingenieurstellen hingegen werden wohl auch künftig in Deutschland bleiben. "Die Hersteller von Luxusmarken setzen vor allem auf Innovation, und hier können wir Deutschen noch punkten", kommentiert Dudenhöffer. Generell gibt es in der Branche Jobmöglichkeiten für Informatiker und Elektroingenieure im Bereich der Elektrik und Elektronik, denn die ersetzt weiter die einst hydraulische oder mechanische Steuerung der Funktionen im Automobil. Die oben genannte Initiative "IT im Fahrzeug" von Audi ist da nur ein Beispiel.

Aufgaben an der Prozesskette

Neben Audi sucht auch BMW in diesem Jahr IT-Profis, vor allem für Aufgaben entlang der Prozesskette (Entwicklung, Produktion, Vertrieb von Fahrzeugen), in den einzelnen Ressorts wie Einkauf oder Logistik sowie für klassische IT-Funktionen wie etwa im Bereich Rechenzentren.

Der bayerische Automobilbauer, der in Deutschland zirka 2000 Angestellte rund um das Thema IT beschäftigt, achtet bei der Einstellung von IT-Spezialisten auf einen guten Hochschulabschluss und Englischkenntnisse. Unternehmenssprecherin Martina Wimmer: "Genauso wichtig wie fachliche Qualifikation sind für uns soziale Kompetenzen wie Team- und Kommunikationsfähigkeit. Kann das ein Bewerber nicht bieten, hilft auch das beste Examen nichts." Ansonsten wünscht sich BMW Branchen-Know-how. Doch das ließen die Bewerber oft vermissen, bedauert Wimmer.

Arbeiten in komplexen Systemen

Das bestätigt auch Verena Müller vom Ressort Corporate Communications bei Daimler-Chrysler: "Die Bewerber weisen teilweise kein tief greifendes Wissen über interne Prozesse eines Automobilherstellers auf." Daher rät der Stuttgarter Fahrzeugbauer Informatikstudenten, die an einer Karriere in der Autoindustrie interessiert sind, ihre außeruniversitäre Freizeit dafür zu nutzen, Erfahrung in der Branche zu sammeln. Zudem wünscht sich der Konzern, dass die Bewerber neben guten Studienleistungen interkulturelle Erfahrungen mitbringen und dass sie flexibel, mobil und teamfähig sind. Darüber hinaus sollten sie in der Lage sein, in komplexen Systemen selbstverantwortlich zu arbeiten.

Informationen und Kontakte für Bewerber

Audi rekrutiert neue Mitarbeiter auf Fachmessen wie der CeBIT und auf seiner Home-page www.audi.de/karriere;

BMW veranstaltet eigene Recruitment-Events, nimmt an Messen und Auswahltagen teil, unterhält eigene Hochschulkontakte und sucht über ww.bmwgroup.com/career;

Daimler-Chrysler gewinnt Nachwuchskräfte überwiegend über Assessment-Center und unterhält verschiedene Nachwuchsgruppen sowie das Programm "DC Career Partnership" (http://career.daimlerchrysler.com/dc) zur Nachwuchsförderung, das 20 Monate vor Studienende beginnt und Studenten der Ingenieurs- und Wirtschaftswissenschaften unterstützt. Einmal im Jahr findet zudem das konzerneigene Event "Daimler Chrysler Recruitment Days" statt (http://career.daimlerchrysler.com/dc).