CRM und Customer Intelligence

Auswertung von Kundendaten verschafft Wettbewerbsvorteile

31.08.2010 von Wolfgang Martin und Prof. Dr. Andreas Seufert
Unternehmen wollen interne und externe Kundeninformationen gezielt auswerten. Wie eine Studie ergab, schöpfen Firmen die Möglichkeiten aber noch nicht aus.

Wer viel über seine Kunden weiß, kennt nicht nur deren Vorlieben, sondern kann seine Geschäftsabläufe verbessern, um Käufer an sich zu binden und sie zufrieden zu stellen. Die Analyse von Kundeninformationen, auch analytisches CRM oder "Customer Intelligence" genannt, umfasst das Aufzeichnen und Auswerten von Kundenkontakten und -reaktionen. Gemeint sind strukturierte und unstrukturierte Kundendaten, die Unternehmen aus der Interaktion mit dem Kunden gewinnen, dazu zählen Transaktionen sowie Besucherstatistiken von Websites. Hinzu kommen externe Datenquellen wie Adressdatenbanken sowie anonymisierte Daten zur Demografie oder Soziografie. Strukturierte Informationen sind beispielsweise Kundendatensätze aus einer relationalen Datenbank, während Excel-Dateien und E-Mails zu den unstrukturierten Informationsquellen zählen.

Ein Schlüssel zur Analyse von Kundendaten ist Software. Dazu zählen Business-Intelligence-Werkzeuge für Standard- und Ad-hoc-Reporting, Online Analytical Processing (Olap), statistische Verfahren sowie Data Mining (siehe auch "ERP-Daten ausschlachten"). Neuerdings nutzen Anwender Text Mining und Textanalyse, also Suchverfahren und linguistische Methoden.

Hoher Stellenwert im Unternehmen

Customer Intelligence hat in Unternehmen einen hohen Stellenwert, da sie sich davon einen Wettbewerbsvorteil versprechen. Dies ergab eine Studie des Instituts für Business Intelligence, die in Erfahrung bringen sollte, wie Firmen im deutschsprachigen Raum Erkenntnisse über ihre Kunden gewinnen und wie sie diese umsetzen. Insgesamt 144 Personen wurden hierzu befragt, und zwar Leiter oder Verantwortliche für Customer Intelligence sowie Fach- oder Management-Berater aus großen, mittelständischen und kleinen Gesellschaften.

Informationen zur Studie "Customer Intelligence Check"

Für die Studie wurden Ergebnisse aus einer Online-Befragung vom 1. Mai bis 30. August 2008 zusammengetragen. Zusätzlich wurden die Teilnehmer auf der Handelsblatt-Jahrestagung "Customer 2008" in Berlin und bei der "COMPUTERWOCHE-Initiative CRM 2008" in München jeweils im April 2008 befragt. Insgesamt ergab sich so ein verwertbarer Rücklauf von 144 Fragebögen (auch 2009 gibt es wieder eine CRM-Initative der COMPUTERWOCHE).

39 Prozent der Befragten kommen aus größeren Unternehmen (über 500 Millionen Euro Jahresumsatz), 23 Prozent aus dem Mittelstand (50 bis 500 Millionen Euro), der Rest aus kleineren Unternehmen (weniger als 50 Millionen Euro). 34 Prozent der Befragten sind Leiter oder Verantwortliche für Customer Intelligence, weitere 38 Prozent sind als fachliche oder Management-Berater tätig.

Was bringt analytisches CRM?

Befragt nach dem Nutzen von Customer Intelligence, nennen die Unternehmen an erster Stelle Kundenbindung (21 Prozent). 18 Prozent sehen darin eine Möglichkeit, die Kundenzufriedenheit zu erhöhen (siehe auch "Potenziale im Kunden-Management"). Natürlich spielen auch höhere Umsätze (17 Prozent) und optimierte Prozesse (14 Prozent) eine Rolle. Zum quantifizierbaren Nutzen zählt ferner der Kundenwert (acht Prozent). Hingegen betrachten nur sechs Prozent der Firmen Customer Intelligence als Methode, um Kosten zu senken.

Kunden gewinnen und zurückholen

Customer Intelligence spielt vor allem eine Rolle beim Umgang mit den bestehenden Kunden. 27 Prozent der Befragten setzen die Verfahren bei der Kundenentwicklung ein, genauso viele bei der Kundenbindung. Nahezu jeder Vierte will damit verhindern, dass Kunden abwandern (siehe auch "Mit CRM Umsätze und produktiver werden"). Dagegen sind die Kundenneugewinnung (13 Prozent) und die Kundenrückgewinnung (neun Prozent) bisher weniger wichtig. Allerdings hängt dies von der Firmengröße ab: Neukundengewinnung ist für die Kleinen wichtiger (18 Prozent statt der durchschnittlichen 13 Prozent) als für mittelständische Betriebe (acht Prozent) und Großfirmen (zehn Prozent).

Im Gegensatz dazu ist die Kundenrückgewinnung eher ein Thema für die Großen (zehn Prozent gegenüber dem Durchschnitt von neun Prozent) und Mittleren (13 Prozent), weniger für die Kleinen (fünf Prozent).

Mittelständischen Unternehmen geht es vor allem darum, den Kunden nicht zu verlieren. (28 Prozent gegenüber dem Durchschnitt von 24 Prozent) (siehe auch "Sind die Kunden zufrieden?").

Bei analytischem CRM kommen Webshops zu kurz

Eingesetzt wird Customer Intelligence vor allem im Kampagnen-Management und im Multi-Kanal-Management (siehe auch CW-TV-Beitrag "CRM, Multi-Channel und Datenqualität"), auf diese Bereiche entfielen jeweils 30 Prozent der Nennungen. Dann folgen Call-Center mit 19 Prozent und Web-Shops mit zehn Prozent (Fachbeiträge zum Thema Web-Shops). Nach Ansicht der Autoren verhalten sich die Anwender hier recht konservativ, da trotz der mittlerweile stattlichen Online-Umsätze die Web-Shops doch ziemlich vernachlässigt werden. Nicht unbedingt überraschend ist, dass vor allem kleine Firmen Customer Intelligence in Verbindung mit ihrem Call-Center und Web-Shop verwenden. Analysefunktionen in Zweigstellen nutzen tendenziell eher die großen Unternehmen. Auch machen die Großen stärker Gebrauch von Customer Intelligence im Kampagnen-Management (32 Prozent gegenüber dem Durchschnitt von 30 Prozent), während die Kleinen hier leicht unterdurchschnittlich abschneiden (27 Prozent).

Wie Firmen Kundenanalyse leben

Bisher haben Unternehmen das Thema Customer Intelligence organisatorisch, prozessual und technisch noch nicht durchdrungen. Nötig dazu sind ein Sponsor innerhalb der Firma, Ziele, technische Ausstattung sowie Kompetenz im eigenen Haus. Der Markt ist noch jung:

Geschäftsführer, Marketing oder Vertrieb als Sponsor

Bei den Sponsoren schneiden die Großen mit 61 Prozent besser ab als der Durchschnitt. Das Schlusslicht bilden die Mittleren mit nur 45 Prozent. Bei der Frage, wer der Sponsor ist, gibt es deutliche Unterschiede in Bezug auf die Unternehmensgröße. Bei den Mittleren sitzen nur 38 Prozent der Sponsoren in der Geschäftsführung. Öfter als beim Durchschnitt übernimmt die Vertriebsleitung diese Rolle (39 statt 20 Prozent). In großen Firmen ist tendenziell Marketing (22 Prozent gegenüber den durchschnittlichen 16 Prozent) oder IT (zehn Prozent statt acht Prozent im Durchschnitt) federführend für Customer Intelligence. Bei den Kleinen steht das Marketing weniger im Vordergrund der Customer-Intelligence-Initiativen (sieben Prozent gegenüber 16 Prozent im Mittel), dafür umso häufiger die Geschäftsführung (63 Prozent statt 50 Prozent).

Kompetenzzentrum für Kundenanalytik

64 Prozent der befragten Mittelständler verfügen über kein Kompetenzzentrum für Customer Intelligence, bei allen Firmen zusammen sind es 50 Prozent. Die Großen haben eher die Bedeutung eines Kompetenzzentrums erkannt (41 Prozent Neinsager). Dazu passt, dass 17 Prozent aller Befragten nach eigener Auskunft keinen Vollzeitmitarbeiter für Customer Intelligence haben. Die Mittleren (21 Prozent) sind auch hier etwas schlechter aufgestellt.

Nur 31 Prozent der kleineren Firmen haben konkrete kundenanalytische Ziele. Im Durchschnitt sind es 39 Prozent, bei den Großunternehmen 46 Prozent.

Software für die Kundendatenanalyse

Nicht einmal jedes zweite befragte Unternehmen verwendet für die Kundenanalytik spezielle Technik (41 Prozent), wobei kleine Firmen hier schlechter ausgestattet

sind (36 Prozent) als Großfirmen (43 Prozent) und Mittelständler (46 Prozent). Wenn Firmen Softwarewerkzeuge anschaffen, führen sie diese zu 60 Prozent auch selbst ein (siehe auch "Beispiel für Kunden-Management in der Investitionsgüterindustrie"). 65 Prozent der Installationen werden von der IT-Abteilung abgewickelt, der Rest von den Fachabteilungen. Insgesamt 37 Prozent der Firmen lassen sich bei der Implementierung helfen. In mehr als der Hälfte dieser Unternehmen war ein auf CRM spezialisiertes Beratungshaus federführend, bei 39 Prozent erledigte ein Berater des Softwareanbieters die Einführung. Der Rest entfiel auf eines der großen Beratungshäuser (siehe auch "Was sich Fachabteilungen von CRM erhoffen").

Fachabteilungen leiten die Projekte

Customer-Intelligence-Projekte werden zu 47 Prozent von Mitarbeitern aus den internen Fachabteilungen geleitet, zu 25 Prozent von der IT, zu 14 Prozent von Beratern des Softwareanbieters und zu 13 Prozent von unabhängigen externen Beratern. Diese Zahlen repräsentieren auch sehr gut die Mittleren, aber die Kleinen und Großen weichen deutlich voneinander ab. Bei den Kleinen ist die Fachabteilung häufiger in der Projektleitung vertreten (63 Prozent) als bei den Großen (32 Prozent). Dafür sind bei den Großen die IT (32 Prozent) deutlich stärker und die Berater leicht stärker in der Projektleitung aktiv.

Firmen wollen mehr in analytisches CRM investieren

Die Mehrheit der Befragten (76 Prozent) will mehr Geld als bisher für die Analyse von Kundeninformationen ausgeben. Zuwächse erfolgen aber auf einem niedrigen Niveau, denn derzeit fallen die Budgets für Customer Intelligence noch klein aus. Nur 48 Prozent der Teilnehmer machten überhaupt Angaben dazu. Bei 71 Prozent der Kleinunternehmen beläuft sich der Posten für Kundenanalytik auf unter 50 000 Euro, bei 80 Prozent der Mittelständler liegt er unter 100 000 Euro, und 58 Prozent der Großfirmen haben dafür über 200 000 Euro vorgesehen (siehe auch "Strategieratgeber für CRM von Helmold New Marketing").

Unstrukturierte Daten liegen brach

Die schönste Software nutzt wenig, wenn Firmen nicht über gut aufbereitete Kundendaten verfügen (siehe auch "Stammdaten sind oft fehlerhaft"). Nach eigener Einschätzung haben immerhin 82 Prozent der Befragten ihre Kundeninformationen im Wesentlichen integriert. Dies gilt nicht in gleicher Weise für die unstrukturierten Daten. Hier haben bisher 51 Prozent Vorkehrungen getroffen. Lediglich 49 Prozent der Unternehmen greifen auf externe Adressen und gar nur jeweils 26 Prozent auf demografische oder soziografische Daten zurück.

Erst 24 Prozent der Unternehmen verwenden Daten, die sie von ihren Websites gewonnen haben. Grundsätzlich sind hier die größeren Unternehmen leicht überdurchschnittlich mit Ausnahme der Nutzung von Web-Daten. Was Internet-Statistiken anbetrifft, sind die Kleinen überdurchschnittlich aktiv. Dies deckt sich mit dem oben skizzierten Sachverhalt, dass Kleinfirmen besonders häufig Gebrauch von Customer Intelligence in Web-Shops machen. Die mittelgroßen Firmen fallen nur einmal auf: Bei der Nutzung von externen Adressdaten sind sie unterdurchschnittlich. Mit anderen Worten: Der Schatz, der in den Kundendaten steckt, ist heute nur zu einem kleinen Teil gehoben.

Text Mining wird noch kaum genutzt

Dieser Trend setzt sich im Nutzen von Auswertungstechnik fort. Text Mining oder Werkzeuge, um Daten aus sozialen Netzwerken, Blogs und Online-Foren auszuwerten (Web-2.0-Analysen), sind noch nicht im Markt angekommen (siehe auch "Oracle CRM und Web 2.0").

Bezogen auf statistische Werkzeuge, stehen die kleinen Betriebe den Großen um nichts nach, während sie beim Text Mining sogar leicht überdurchschnittlich sind und bei der Web-2.0-Analytik deutlich führen (21 Prozent statt 12 Prozent im Mittel). Die Kleinen setzen überdurchschnittlich oft auf Web-Shops.

Auf der CRM-Suche?

Bei der Suche nach einem passenden CRM-System hilft Ihnen der CRM-Matchmaker von Trovarit und der COMPUTERWOCHE.

In allen abgefragten Technikfeldern (Data Warehouse, Standardberichte, Ad-hoc-Berichte, Olap, Data Mining und statistische Methoden) zählen Eigenentwicklungen zu den drei meistgenutzten Programmen. Dies unterstreicht wieder, wie jung dieser Markt noch ist. Standardprodukte dominieren nur in den Segmenten Data Warehouse und Olap, wo die zehn häufigsten Produkte auf je etwas über 70 Prozent Marktabdeckung kommen. Die anderen Märkte sind noch sehr diversifiziert und bieten so auch Neueinsteigern gute Chancen. Das gilt besonders für das Ad-hoc-Reporting. In der Umfrage ist SAP der meistgenannte Lieferant für Data-Warehouse- sowie für Standard- und Ad-hoc-Reporting-Software, Oracle liegt bei den Olap-Systemen vorn, während SAS im Segment Data Mining und Statistik dominiert. (fn)