Erwartungen an Freiberufler

Auftraggeber wollen nur die Besten

20.10.2010 von Ina Hönicke
Hochkarätigen Einzelkämpfern stehen auch in Zukunft alle Türen offen. Für andere Freiberufler könnte es schwerer werden, meinen IT-Verantwortliche in einem CW-Roundtable-Gespräch.

Der Anteil der IT-Freiberufler in Unternehmen liegt nach Beobachtung der Teilnehmer des COMPUTERWOCHE-Roundtable-Gesprächs zwischen fünf und zehn Prozent aller IT-Mitarbeiter. Obwohl die meisten Externen über Agenturen gebucht werden, haben auch Einzelkämpfer Chancen, wie Rainer Göttmann, CEO der Metafinanz, einer Allianz-Tochter, bestätigt. Von rund 1000 IT-Beratern besitzen dort nur etwa 200 einen festen Arbeitsvertrag: "Der Rest kommt von Partnernetzwerken, aber wir setzen auch Einzelkämpfer in Projekten ein." Voraussetzung sei, dass sie über erstklassiges Spezialistenwissen verfügten.

Kurze Projekteinsätze

Jutta Rößner, die das Projekt Technologieleitlinie Technik bei der Datev (5800 Mitarbeiter, davon 1000 in der Softwareentwicklung) leitet, stimmt zu: "Einzelkämpfer erledigen bei uns spezielle Aufgaben und sind nur in kurzfristig angelegten Projekten tätig." Bei Weltbild kommen Freiberufler ebenfalls punktuell und für kurze Zeit ins Unternehmen. Stefan Korsch, Leiter E-Commerce bei der Verlagsgruppe Weltbild (2000 Mitarbeiter am Standort Augsburg, davon 170 in der IT): "Die Externen werden größtenteils zur Abfederung kurzfristiger Projektspitzen eingesetzt."

Seine eigenen Erfahrungen hat Herbert Wittemer von msg systems (3000 Mitarbeiter, 100 bis 300 Freelancer mit Spezialwissen) mit Einzelkämpfern gemacht: "In schlechten Zeiten agieren sie wunderbar, in guten hingegen versuchen einige, die Aufträge oder Konditionen mit dem Kunden selbst zu verhandeln." Nachholbedarf sieht er deshalb bei den Soft Skills: "Es wäre empfehlenswert, wenn die Freiberufler sich aus eigenem Antrieb in dem Maße weiterqualifizieren würden, wie wir es mit unseren Leuten machen." Wittemer bekennt, dass er am liebsten mit einem "echten" Freiberufler zusammenarbeitet. Damit meint er ein "hundertprozentiges Bekenntnis zur Selbständigkeit". Mit den Wankelmütigen hat der Personalprofi so seine Probleme.

Fachwissen hat oberste Priorität

Dass zum Repertoire eines Freelancers mehr als Fachwissen gehören muss, darin sind sich die IT-Chefs einig. Rößner: "Datev benötigt das neueste Know-how, und genau das holen wir uns durch Externe ins Haus." Bei Korsch stehen neben den fachlichen auch die sozialen Kompetenzen ganz oben auf der Anforderungsliste. Entsprechend gut lassen sich die Externen seiner Meinung nach ins Unternehmen integrieren.

Göttmann wiederum verlangt von Freiberuflern, dass sie sich dem Unternehmen anpassen. In der Finanzwelt seien der richtige Stil und die Haltung sehr wichtig. Die entsprechende Denkweise sei umso entscheidender, als nicht alle Kunden mit dem Einsatz von Freelancern einverstanden seien. Hier müsse die Metafinanz hin und wieder Überzeugungsarbeit leisten. Wittemer kennt das Problem: "Unsere Externen erhalten deshalb den entsprechenden msg-Anstrich." Dass der Freelancer-Markt im Versicherungssektor so eng ist, bereitet ihm ein wenig Sorgen: "Für manche Aufgaben und Themen gibt es hierzulande lediglich 50 bis 100 Entwickler."

Für Armin Barbalata, CTO des Münchner Softwarehauses Mindmatics (120 Mitarbeiter, rund 30 Freiberufler), hat die fachliche Eignung oberste Priorität. Kein Wunder, schließlich kauft das Unternehmen durch den Einsatz von Externen etwa Spezialkenntnisse für Einzelprojekte auf dem Gebiet Visual Basic dazu. Seiner Meinung nach ist der typische Freiberufler ein Spezialist im technischen Bereich, dessen Kenntnisse lukrativ sein können: "Wir stellen hohe Anforderungen - das rechtfertigt natürlich auch höhere Stundensätze."

Freiberufler
Freiberufler Roundtable 2010
Über die Zukunftsaussichten von Freiberuflern diskutierten die Auftraggeber (von links): Jutta Rößner (Datev), Armin Barbalata (Mindmatics), Stefan Korsch (Weltbild), Herbert Wittemer (msg Systems), Rainer Göttmann (Metafinanz). Bildquelle: Joachim Wendler
Herbert Wittemer, Personalchef, msg systems
"Der Kunde schickt Freelancer verstärkt zu Beratungshäusern. Diese reichen sie weiter an Agenturen, von denen die Beratungshäuser die Externen zurückkaufen. Die Zeche zahlt der Freelancer mit niedrigeren Stundensätzen." Bildquelle: Joachim Wendler
Rainer Göttmann, CEO, Metafinanz
"Der Freiberufler muss sich dem Stil des Unternehmens und der Branche anpassen." In der Finanzwelt seien der richtige Stil und die Haltung sehr wichtig. Die entsprechende Denkweise sei umso entscheidender, als nicht alle Kunden mit dem Einsatz von Freelancern einverstanden seien. Bildquelle: Joachim Wendler
Jutta Rößner, Abteilungsleiterin in der IT, Datev
"Wir holen uns durch Externe das neueste technische Wissen ins Haus." Bildquelle: Joachim Wendler
Stefan Korsch, Leiter E-Commerce, Weltbild
"Durch die Einsätze in diversen Projekten bringen die Externen neue Ansätze und Methoden mit in das Unternehmen. Davon wiederum profitieren die eigenen Mitarbeiter."
Armin Barbalata, CTO, Mindmatics
"Die fachliche Eignung der Freiberufler hat für uns oberste Priorität. Wir stellen hohe Anforderungen und zahlen auch hohe Stundensätze." Bildquelle: Joachim Wendler

Innovationen kommen von innen

Zusätzlich erwarten die Diskussionsteilnehmer, dass der Freelancer sein Wissen an die internen Mitarbeiter weitergibt. "Durch die Einsätze in diversen Projekten bringen die Externen neue Ansätze und Methoden mit in das Unternehmen", ergänzt Korsch. "Davon wiederum profitieren die eigenen Mitarbeiter." Interessant ist, dass wichtige Neuerungen fast ausschließlich intern erwartet werden. "Innovationen lassen sich nicht auslagern, sie kommen von unseren Mitarbeitern", betont der Mindmatics-Manager. Aber nicht nur das Neue, Kreative sollte in den eigenen Reihen entstehen, auch den Projektleiter hat der Auftraggeber zu stellen, so die einhellige Meinung in der Runde.

Unterschiedlich bewerten die Firmenvertreter die Sorge von Freelancern, dass polnische, ungarische oder tschechische IT-Profis die Preise verderben könnten. Rößner sieht hier keine große Gefahr. Datev bevorzugt deutsche Vertragspartner: "Bei ausländischen Partnern tauchen immer wieder Sprachprobleme auf, das wollen wir vermeiden." Metafinanz-Manager Göttmann wiederum glaubt schon, dass "preiswertere IT-Profis aus Osteuropa den Markt enger werden lassen".

Die Auftraggeber zeigten sich nicht nur mit dem Engagement der Selbständigen zufrieden, auch in Richtung Agenturen war wenig Kritik zu hören. Datev-Managerin Rößner arbeitet vorrangig mit regionalen Anbietern zusammen. Nach ihrer Erfahrung verstehen diese die besonderen Bedürfnisse des Unternehmens sehr gut: "Größe ist nicht unbedingt ein Beweis für Qualität." Weniger gute Erfahrungen hat indes Barbalata gemacht. Ihn stört, dass er die Profile potenzieller Kandidaten immer noch selbst unter die Lupe nehmen müsse: "Das sollte nicht meine Aufgabe, sondern der Job der Agenturen sein." In einem Punkt sind sich die Diskutanten einig: Ganze Auftragspakete werden nicht an Freelancer, sondern an Agenturen vergeben. Göttmanns Tipp an die Externen: "Schließt euch zu Netzwerken zusammen."

Die Folgen der Kettengeschäfte

Dem Einzelkämpfer geben die Diskutanten dann gute Chancen, wenn er in kleinen, kurzfristig angelegten Projekten sowie im Sektor Alttechnologien seinen Platz findet. Göttmann erklärt: "Wer fachlich topfit und zudem noch sozial kompetent ist, dem stehen alle Türen offen. Die anderen werden es schwer haben." Msg-systems-Mann Wittemer sieht in der Rekrutierung von Externen eine Veränderung: "Der Kunde schickt Freelancer verstärkt zu Beratungshäusern. Diese reichen sie weiter an Agenturen, von denen die Beratungshäuser die Externen zurückkaufen. Die Zeche zahlt der Freelancer mit niedrigeren Stundensätzen."

IT-Freiberuflerstudie 2010

Rund 1200 IT-Freiberufler befragte die COMPUTERWOCHE online zu Themen rund um ihre Arbeit. In einer Serie stellte die CW die Ergebnisse vor und diskutierte mit IT-Managern und Personalverantwortlichen aus Anwenderunternehmen und Softwarehäusern.