Offshoring Teil 2

Aufs Sourcing-Management kommt es an

09.10.2009 von Ronald Paschen
Worauf Unternehmen nach der Unterzeichnung eines Offshoring-Vertrags achten müssen.

Bereits in der Ausschreibung werden die Weichen für eine reibungslose Zusammenarbeit mit einem Provider gestellt (siehe "Offshoring - Teil 1". Ob ein Offshore-Vorhaben dann aber tatsächlich zum Erfolg führt, hängt von vielen weiteren Faktoren ab. Entscheidend sind gute Vorbereitung und realistische Erwartungen, vor allem aber ein effektives Sourcing-Management.

Warum Offshore-Vorhaben scheitern

Offshore-Outsourcing wurde lange Zeit als Wundermittel gegen zu hohe Lohnkosten gepriesen. Allerdings hat das Thema vor allem in der IT-Branche nicht den besten Ruf. Kompliziert, zeitaufwendig, riskant, schlechte Qualität, Kulturbarrieren und mittlerweile auch stetig sinkende Kostenvorteile - so könnte man die Erfahrungen zusammenfassen, die viele Unternehmen mit Dienstleistungen aus Offshore-Ländern wie Indien, China oder den Philippinen gemacht haben. Die Gründe hierfür sind vielfältig (siehe Kasten "Gründe für Probleme beim Offshoring").

Gründe für Probleme beim Offshoring

  • Unklare Definition der Entscheidungsprozesse und -rechte nach Vertragsabschluss;

  • geringes Verständnis für Vertragsdetails;

  • Fehlen von geeigneten Vertrags-Management- und Überwachungsstrukturen;

  • Mangelnde Mitarbeiterqualifikation zur Vertragsüberwachung und Leistungskontrolle;

  • Verlust von fachlich qualifiziertem Personal während des Offshore-Prozesses und daraus resultierender mangelnder Wissens-Transfer;

  • interner Widerstand gegen sich verändernde Prozesse (häufig bedingt durch mangelhafte Kommunikation);

  • Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede zwischen Dienstleister und Auftraggeber;

  • mangelnde Unterstützung durch das Senior-Management - etwa in Form von Eskalationsmechanismen bei der Vertragsüberwachung;

  • abweichende Qualitätsansprüche von Auftraggeber und -nehmer;

  • unerfahrene Projektteilnehmer;

  • Unfähigkeit des Dienstleisters, eine stetig steigende Nachfrage zu bedienen;

  • mangelnde Flexibilität, um sich einem dynamischen Umfeld anzupassen.

Allerdings gibt es durchaus positive Beispiele für die Verlagerung von IT-Dienstleistungen in Offshore-Lokationen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einem effektiven SM&G-Modell (Service Management & Governance). Nur damit ist der Auftraggeber in der Lage, seine Anforderungen mit den spezifischen Offshore-Herausforderungen abzugleichen und auf diese Weise die Risiken zu minimieren. Voraussetzung ist allerdings eine permanente Überwachung und Reflektion auf sich verändernde Prozesse und Anforderungen sowie flexible Steuerungselemente.

Effektives Service-Management

Ein gutes SM&G-Modell mit entsprechender Anpassungsflexibilität kann nach Vertragsabschluss wesentlich dazu beitragen, das Offshoring effektiv zu steuern. Es sollte die folgenden vier Kernbereiche abdecken (siehe Grafik).

Etabliert man die diese Funktionen schon während der Transaktionsphase, lassen sich die einzelnen Aufgaben klar zuordnen. Bei einer anschließenden Schnittstellenabgrenzung zu anderen Kernbereichen im Unternehmen - etwa der Finanz- oder der Rechtsabteilung - entsteht auf diese Weise ein Rahmenwerk, über das sich der Vertrag erfolgreich managen lässt. Wichtig ist dabei auch ein aussagefähiges Reporting, das die Leistungserbringung mit den vorher definierten SLAs und den entsprechenden Governance-Strukturen abgleicht. Die Zusammenlegung dieser Funktionen zu einer dedizierten Organisation, die sich primär um Outsourcing-Verträge kümmert, ist unerlässlich. Allerdings ist ein solcher Change-Prozess häufig mit internen Widerständen verbunden. Zum Beispiel unterliegt das Contract-Management in vielen Unternehmen der Rechtsabteilung und lässt sich nur schwer herauslösen.

Offshore-Profis sind Mangelware

Zudem verlangt eine eigenständige SM&G-Organisation auch veränderte Anforderungen an das Aufgabenprofil der jeweiligen Verantwortlichen. Sie sollten unter anderem über fundierte Kenntnisse des internationalen Vertragsrechts verfügen. Erfahrungen im Vertrags-Management - inklusive der kaufmännischen Aspekte - sowie Sprachkenntnisse sind von Vorteil, wenn nicht sogar unabdingbar. An dieser Kombination aus Kenntnissen und Erfahrungen mangelt es jedoch in vielen Unternehmen. Sie sind daher gezwungen, die fehlenden Kompetenzen durch Rekrutierung neuer Mitarbeiter zuzukaufen oder durch entsprechendes Training intern aufzubauen.

Vor diesem Hintergrund muss das auslagernde Unternehmen einen Wandel - von einer operational ausgerichteten zu einer Service-orientierten Organisation - vollziehen. Für die betroffenen Mitarbeiter bieten sich zwar einerseits neue Entwicklungsmöglichkeiten, andererseits ist aber nicht jeder Angestellte bereit, Veränderungen in seinen gewohnten Abläufen hinzunehmen. Neben einer klaren Kommunikationsstrategie empfiehlt sich daher der Einsatz so genannter Change Agents, die den Wechsel entsprechend coachen.

Demand-Management - keine leichte Aufgabe

Neben dem Management der extern erbrachten Leistungen gilt es auch die internen Anforderungen zu steuern und in Einklang mit dem Vertrag zu bringen. Diese Demand-Management-Aufgabe ist allerdings nicht so einfach zu bewältigen. Insbesondere Finanzdienstleister haben sehr spezielle und kundenspezifische Anforderungen. Es kommt daher darauf an, die jeweiligen Erwartungen professionell zu steuern und gegeneinander abzuwägen. Sonst besteht die Gefahr, dass Offshore-Ziele wie Einsparungen, die Standardisierung von Prozessen oder der Einsatz von Standard-Software konterkariert werden.

Hilfreich ist es, dem anfordernden Bereich die Kosten direkt zuzuordnen und die Kosten in "run" und "change" aufzuteilen. Der wesentliche Unterschied liegt dabei im Management der Ausgaben: Run-Kosten decken das Budget für den laufenden Betrieb ab. Sie werden im Rahmen des jährlichen Budget-Prozesses abgestimmt und dann fortlaufend kontrolliert. Change-Kosten hingegen reflektieren neue Services beziehungsweise Projekte, die der ständigen Überwachung bedürfen und einem abgestimmten Zustimmungs- und Überwachungsprozess unterliegen sollten (in der Regel monatlich).

Cost, Capability, Capacity, Culture, Compliance

Neben den obligatorischen drei "Cs" - Cost, Capability, Capacity - sind beim Offshoring noch zwei weitere C’s zu berücksichtigen. "Culture" beinhaltet Sprachbarrieren beziehungsweise ein abweichendes Sprachverständnis ("English is not English"). Auch hierarchische Gegebenheiten sowie die teilweise stark differierende Rechtsauffassung und -auslegung von internationalen Verträgen zählen dazu. So herrscht in China eine ganz eigene Auffassung vom Schutz geistigen Eigentums. Das zweite "C" steht für "Compliance" und betrifft vor allem Anwenderunternehmen, die strengen beziehungsweise unterschiedlichen regulatorischen Anforderungen in ihren Heimatländern unterliegen - inklusive der Kontrolle der operationalen Risiken, Datenschutzrichtlinien und Digtial-Rights-Vorschriften. Das Thema Compliance gewinnt immer mehr an Bedeutung. Denn nicht nur Finanzdienstleister müssen sich zunehmend vor dem Verlust geistigen Eigentums schützen. (sp)