CRM-Software, Web 2.0 und AC/DC

Auf digitaler Tuchfühlung mit dem Kunden

13.07.2009 von Jan Boluminski
Neue Datenschutzrichtlinien, die schwierige Wirtschaftslage, technische Entwicklungen des Web 2.0 oder Mobile Marketing - viele Faktoren wirken auf den CRM-Markt ein. Welche Trends sind zu beobachten? Worauf müssen sich Unternehmen einstellen?

Ob Kundenclubs, Bonussysteme, Kundenkarten oder Communities - Unternehmen investieren immer mehr in Loyalitätsmaßnahmen, die die Kunden enger an das Unternehmen und seine Produkte binden sollen. Das Customer-Relationship-Management wird zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor, über den sich Unternehmen in einem schwierigen Markt differenzieren können. Die IT-Abteilungen müssen dafür die nötigen Techniken bereitstellen und auf neue Herausforderungen schnell und angemessen reagieren. Welche Trends und Tendenzen sind in nächster Zeit für die CRM-Branche zu erwarten, und was bedeuten sie für die IT? Um dies herauszufinden, hat das Beratungsunternehmen Client Vela auf Basis einer PESTLE-Analyse (auch als STEP-Analyse bekannt) die politischen, rechtlichen, ökonomischen und ökologischen Einflussfaktoren auf den CRM-Markt untersucht und dabei einige Trends ausgemacht. Ratgeber zum Thema CRM finden Sie unter "Was Sie über CRM wissen müssen".

Passgenaues Timing

In der modernen Konsumgesellschaft erwarten die Verbraucher, dass Angebote zu jeder Zeit sofort verfügbar sind - am Point of Sale (POS), per Internet oder auch mobil. Gleichzeitig ist der Kunde besser informiert denn je, vor allem durch Produktvergleiche und -bewertungen im Web. Vor diesem Hintergrund geschieht die optimale Kundenansprache schnell und aus Unternehmenssicht fremdgesteuert: Der Konsument will den Zeitpunkt und das Ausmaß des Dialogs bestimmen. Entscheidend ist dabei, dass Unternehmen die technische Möglichkeit schaffen, Interessenten sofort mit weiteren Informationen zu versorgen. Etwa durch das so genannte Mobile Tagging: Dabei fotografiert der User mit seinem Handy einen Barcode, das Handy decodiert diesen und zeigt dann die Internet-Seite an. Lufthansa zum Beispiel führte den neuen Service "Mobile Ticketing" mit Hilfe von Mobile Tagging ein. Über einen Code auf einer Anzeige der "Wirtschaftswoche" führte die Lufthansa Interessenten auf eine Internet-Seite, wo alle weiteren Informationen über das Mobile Ticketing abruf- und testbar waren. Die Chance einer vom Kunden bestimmten Ansprache liegt in seiner größeren Bereitschaft, sich in diesem Moment mit dem Thema näher zu beschäftigen. Dazu muss die Benutzeroberfläche und -führung einfach und transparent sein. Die Integration auf Prozess- und Systemebene ist hierzu die Voraussetzung. Nur so wird den Bedürfnissen der Kunden Rechnung getragen.

Kundenbindung durch Content-Anbindung

Die Einbindung von Content in andere Werkzeuge der Kundenansprache birgt ebenfalls Vorteile: Exklusive oder nach der Lebens- beziehungsweise Produktphase ausgerichtete Inhalte schaffen nicht nur Mehrwert, sondern auch Lust auf mehr. So stellt Globetrotter, der größte europäische Händler für Outdoor-Ausrüstung, in seinem Kundenmagazin 4-seasons.de exklusive Informationen rund ums Thema Outdoor-Trends zur Verfügung. Erlebnis- und Reiseberichte, Produkttests und -vorstellungen bringen den Leser auf den neuesten Stand. Ergänzt wird das Angebot durch neun verschiedene On-Demand-Kanäle im Internet (www.4-seasons.tv) mit zusätzlichen Informationen und Tipps. Die Erfolgsfaktoren: Globetrotter bietet relevante und hilfreiche Informationen statt bloßer Werbung sowie eine nahtlose Integration der unterschiedlichen Kanäle und Systeme.

User-Generated Content

Viel Potenzial liegt auch darin, den informierten Kunden direkt die eigene Meinung oder Bewertungen abgeben zu lassen. Offen Kritik von Kunden zuzulassen kostet viele Unternehmen noch Überwindung. Doch durch die Hilfe von Trendscouts und Schwarmintelligenz lassen sich die Bedürfnisse der Kunden besser identifizieren und verstehen. Dieses Wissen kann direkt in die Produktentwicklung einfließen. Die Unternehmen werden empfänglich für direktes Feedback aus dem Markt und können danach ihre eigene Entwicklung ausrichten - Kundennähe garantiert. Allerdings muss die IT-Abteilung dafür zuerst eine Infrastruktur aufbauen, die es dem Kunden ermöglicht, sich zu äußern. Probate Mittel sind etwa Unternehmens-Blogs sowie Foren und Communities.

Social-Media-Plattformen und virale Kommunikation

Daneben gewinnen Social-Media-Plattformen an Bedeutung. Weg.de bietet Nutzern beispielsweise die Möglichkeit, Bewertungen zu ihrem Urlaub abzugeben. Diese unzensierte Kommunikation soll dem Konsumenten nicht nur das Gefühl geben, ernst genommen zu werden. Zusätzlich sollen Interessenten an einem Reiseangebot von authentischen Informationen profitieren. Virales Marketing, das moderne Pendant zur klassischen Mund-zu-Mund-Propaganda, funktioniert im Internet meist durch ein witziges oder spielerisches Video oder Bild, manchmal auch kombiniert mit interaktiven Elementen, die zum Weiterleiten einladen. Die Wirkung haben mittlerweile auch die Altrocker von AC/DC entdeckt: Auf ihrer Website wird ein Ausschnitt des Musikvideos zu "Rock N Roll Train" im Excel-Datei-Format zum Download angeboten. Mit nur einem Klick lassen verschiedene Zahlenkombinationen Angus und Co. zur neuen Single über die Bühne hüpfen. Der Excel-Clip lässt sich per E-Mail weiterleiten, bis die Botschaft der Band ganz von alleine Verbreitung findet.

Neue und erprobte Kommunikationskanäle

Möglichkeiten für das Kunden-Management ergeben sich noch aus anderen technischen Neuerungen. RFID und Near Field Communication sind wegweisend, zudem eröffnen auch mobile Technologien wie USB und Bluetooth neue Kanäle für die Kommunikation mit dem Kunden. Als zentrales Kriterium müssen Unternehmen dabei beachten, dass jeder Konsument als Individuum betrachtet und auch so behandelt werden will. Allerdings gilt es auch die Frage zu beantworten: "Ist meine Zielgruppe affin für diese Technologie, und lohnen sich die Investitionen langfristig?" Zu beachten ist insbesondere, dass bei vielen Systemen auch der Kunde eigene Voraussetzungen mitbringen muss, damit die Interaktion gelingt - wie zum Beispiel ein Handy mit den richtigen Features. Baut die Ansprache auf einer Technik auf, die sich nicht durchsetzt, führen die hohen Investitionen schnell zu Verlusten.

Einhaltung des Datenschutzes

In den letzten Monaten haben einige Fälle von Datenmissbrauch das Misstrauen der Öffentlichkeit geschürt. Unternehmen müssen deshalb über ihre Datenverwendung glaubwürdig und transparent informieren. Zudem können Prüfsiegel - wie sie beispielsweise der TÜV vergibt - sehr werbewirksam sein. Empfehlenswert ist ein ganzheitliches, integriertes Datennutzungskonzept, das neben der Datenspeicherung auch die Zugriffs- und Verwertbarkeitsrechte sowie das Erlaubnis-Management regelt und sowohl in den beteiligten Systemen als auch in den zugehörigen Prozessen verankert ist.

Gewinner im Wettlauf um loyale Kunden werden diejenigen Unternehmen sein, deren Kunden genau wissen, welche Daten zu welchen Zwecken verwendet werden - und dass diese Zusage eingehalten wird.

Einfluss der Wirtschaftslage

Die wirtschaftlich angespannte Lage wirkt sich in zweierlei Hinsicht auf den CRM-Markt aus: Zum einen wächst die Unsicherheit unter den Konsumenten, die die Folgen der eingeschränkten Kreditvergaben und die schwierigere Lage auf dem Arbeitsmarkt erleben. Hier gilt es für Marketing und Vertrieb, mit der Unsicherheit der Verbraucher intelligent umzugehen und besonders jetzt auf vertrauensbildende Maßnahmen zu setzen, etwa durch einen transparenten Dialog. Zum anderen neigen Unternehmen in diesen Zeiten dazu, Investitionen zu verschieben oder zu reduzieren und stattdessen Kosten zu senken, was natürlich auch die Einführung der genannten Techniken erschwert. Gleichzeitig ergeben sich aber auch Chancen, wenn bestehende Verfahren auf den Prüfstein gestellt werden.

Kundenbedürfnisse sind zentraler Erfolgsfaktor

Die gesellschaftlichen Einflüsse reichen von der Ablehnung des "gläsernen Kunden" als Konsequenz aus den Datenmissbräuchen über die größere Schere zwischen Arm und Reich bis hin zum Diktat der sofortigen Verfügbarkeit von Waren und Diensten und der zunehmenden Beweglichkeit der Kunden (siehe "Kundenzufriedenheit"). Die Unternehmen müssen darauf mit Lösungen zur Vertrauensbildung und Angeboten für kundenindividuelle Mehrwerte reagieren. Welche Maßnahmen und welche Vermarktungskanäle Erfolg versprechen, ist je nach Unternehmen unterschiedlich. Parameter für die Entscheidungsfindung sollte immer der Kunde und seine Bedürfnisse sein.

Bleibt also die Erkenntnis, dass es nicht die eine Lösung gibt, um den Herausforderungen im CRM-Markt zu begegnen. Viel mehr gilt es, die ab kommenden Sommer gültigen neuen Datenschutzbestimmungen in den strategischen und operativen Planungen zu berücksichtigen und sich Gedanken darüber zu machen, welcher Mix aus Kanal, Technologie, Zeit und Content cross-medialen Erfolg verspricht. Für eine erfolgreiche Umsetzung bleibt dabei die enge Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb mit der IT-Abteilung ein wichtiger Erfolgsfaktor.