IT-Berater und -Beratung/IT-Projekte benötigen einen qualifizierten Softwarearchitekten

Auch die Berater müssen auf den Prüfstand

11.07.2003
Wie schützen sich Unternehmen vor teuren Beratern und schlecht laufenden IT-Projekten? Ganz einfach: Alle Beteiligten erkennen wieder den Wert von echten Experten. Einige Anhaltspunkte reichen aus, um die Spreu vom Weizen zu trennen.Von Markus Stoth *

Die Beratergilde leidet unter großem Vertrauensverlust. Laut einer im letzten Jahr vom Wirtschaftsmagazin "Capital" in Auftrag gegebenen Studie stuften lediglich 59 Prozent der Unternehmen die Tätigkeit der IT-Berater als "erfolgreich" oder "sehr erfolgreich" ein. Denn trotz Tagessätzen von bis zu 4000 Euro bekleckern sich viele Berater nicht mit Ruhm und landen mit ihren IT-Konzepten in der Sackgasse. Oftmals holen dann spezialisierte Softwareentwicklungs- oder Integrationsdienstleister die Kastanien wieder aus dem Feuer. Dann sind aber bereits erhebliche Kosten angefallen, zu denen sich noch ein aufwändiger Umbau bestehender Konzepte und Lösungen addiert.

Wie kann es zu solchen Miseren kommen? Eine gewisse Mitschuld tragen die Kunden: Zwar verfügen verständlicherweise wenige Unternehmen über das nötige Experten-Know-how. Dies entschuldigt aber kein Zurücklehnen und Verhalten eines Hausbauers, der bereits nach flüchtigen Skizzen einen stadtbekannten Maurer heranlässt und sich dann über fehlende Leitungskanäle wundert. Denn wichtige Anhaltspunkte klären, ob ein Modell stimmt und der Berater sein IT-Handwerk gelernt hat.

Der gordische Knoten

So konzentrieren sich weniger qualifizierte Berater meist auf fachliche Teilbetrachtungen und beschreiben in ihren Fachkonzepten lediglich die Anforderungen des Kunden. Technische Realitäten und ein logisches Gesamtmodell bleiben außen vor. Ein typisches Problemlösungsverhalten schlechter Berater ist die Neudefinition von Prozessen: Dabei konstruiert oftmals eine große Anzahl unterschiedlicher Teams ein Gewirr von nebenläufigen, voneinander abhängigen und schlimmstenfalls widersprüchlichen Prozessen. Nur äußerst komplexe Anwendungsmodelle und Konsolidierungsanstrengungen lösen danach den gordischen Knoten.

Beispiel Kunden-Management-Systeme: Unabhängig voneinander arbeitende Gruppen definieren für Ansprachekanäle wie Internet, Call-Center oder Filialsystem vollkommen unterschiedliche Plausibilisierungsregeln. Die Web-Seite erfordert dann zur Anmeldung eines Kunden zwingend das Geburtsdatum, das Call-Center wiederum nicht. Oder das Filialsystem arbeitet bestimmte Geschäftsfälle im Gegensatz zu den anderen Systemen nur asynchron ab. Folglich lassen sich die Teilnehmerdaten nicht über alle Kanäle hinweg übernehmen, und über das Internet angemeldete Kunden führen im Call-Center und Filialsystem zu Fehlern. In einem anderen üblichen Fall definiert in Migrationsprojekten das eine Team die Geschäftsfälle der neuen Anwendung, während eine andere Gruppe für den Datentransfer vom alten zum neuen System zuständig ist. Durch fehlende übergreifende Modelle und Absprachen entstehen auch hier Schnittstellen-Probleme und fehlerhafte Geschäftsprozesse.

An dieser Stelle fehlt ein zentraler IT-Architekt, der die Verantwortung für ein Gesamtmodell trägt, das sowohl die fachlich-logische als auch physisch-technische Seite abbildet. Gut ausgebildet, verfügt er über spezifische Methoden zur Konstruktion eines überschaubaren Modells und prüft die vorgeschlagenen Lösungen und Prozesse fortlaufend auf Konsistenz. Zumeist erweist sich nämlich bereits die grobe Trennung zwischen Fach- und DV-Konzepten als Trivialverfahren, das komplexen Aufgaben nicht gerecht wird.

Der Wille zur Transparenz fehlt

Eine Expertenmethode besteht dagegen beispielsweise in einem Realisierungskonzept, das nicht nur Anforderungen, sondern bereits hinreichend detailliert die spätere Software und die in ihr laufenden Prozesse beschreibt. Dem IT-Architekten zuarbeitende Analysten erstellen hiermit eine einheitliche und transparente Planungsgrundlage, die darüber hinaus auch frühzeitige Kostenaussagen ermöglicht.

Viele Beratungsunternehmen weisen - wenn überhaupt - dem Projektleiter oder einem führenden Consultant die Aufgaben des IT-Architekten zu. Dies verbietet sich jedoch, da diese Rolle volle zeitliche Aufmerksamkeit erfordert und nicht hinter budgetären oder politischen Aufgaben zurückweichen darf. Ein entscheidendes Erfolgskriterium für IT-Projekte liegt daher in der richtigen Auswahl einer ausschließlich für die Softwarearchitektur zuständigen Person.

Doch häufig sind die Fähigkeiten dieses Architekten schwierig einzuschätzen. Leider fehlen in Deutschland sowohl die geeigneten Ausbildungsstrukturen als auch der Wille der meisten Beratungsunternehmen, Transparenz zu schaffen. Denn selbst ein erfolgreicher Abschluss des Studiengangs Informatik qualifiziert nicht zu einem guten IT-Architekten. In der jungen Disziplin Informatik existiert noch kein entsprechender Studiengang oder ein als Softwarearchitekt qualifizierender Abschluss. Im Sinne gesteigerter IT-Qualität sollte sich dies so bald wie möglich ändern.

Kompetenz ist ein knappes Gut

Weiterhin ist zu kritisieren, dass die meisten Beratungsunternehmen bewusst den Qualifikationsanspruch an einen IT-Architekten verwässern: So setzen sie gerne Hochschulabsolventen verschiedenster Fächer als IT-Berater ein. Eine echte Qualifikation als Softwarearchitekt weisen jedoch nur Personen auf, die einerseits Informatiker sind und andererseits mehrere Jahre erfolgreich als Analyst in IT-Großprojekten gearbeitet haben. Mit diesen Voraussetzungen wandeln sich fähige Softwarearchitekten aber zu einem äußerst knappen Gut. Durchschauen die Kunden diese Situation, entstehen für Beratungshäuser Nachteile: Erstens können sie Mitarbeiter nicht mehr beliebig einsetzen und damit fortlaufend neue Projekte an Land ziehen. Zweitens gewinnen die wenigen Softwarearchitekten an Macht. Sie schaffen sich ihre eigenen Arbeitsbedingungen und können relativ leicht den Job wechseln oder sich selbständig machen. Nur ein Vergleich: In der Bau- und Anlagenindustrie arbeiten Architekten in der Regel als Freiberufler.

Ein Softwarearchitekt wirkt für IT-Projekte absolut erfolgsentscheidend. Kunden müssen daher in jedem Falle auf der Schaffung dieser Rolle bestehen und den Lebenslauf der Person, die sie ausfüllt, detailliert prüfen. Der Architekt beteiligt sich bereits in der ersten Analysephase und untersucht sämtliche Konzeptvorschläge und Prozesse auf umfassende Konsistenz. Danach erläutert er dem Kunden fortlaufend und transparent den Projektstand. Hierzu dienen inbesondere Realisierungskonzepte, die auch auf einer für Nichtexperten verständlichen Ebene darstellbar sind. Weiterhin ist der Architekt darin geschult, wie lange etwas dauert und was es kostet. Fortwährende unklare Aussagen von Beratern und ein Vertrösten auf spätere Termine sollten beim Kunden das Läuten sämtlicher Alarmglocken auslösen. Zur Optimierung von fachlichen Geschäftsprozessen sind hoch bezahlte Berater durchaus akzeptabel, doch den Erfolg des IT-Handwerks gewährleisten nur erfahrene und qualifizierte Experten. (rs)

* Markus Stoth ist Mitglied der Geschäftsleitung bei CHS Data Systems in Koblenz.

Angeklickt

- Umfragen zufolge haben sich viele Berater nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

- Auch die Kunden haben zu der Misere ihren Teil beigetragen.

- Mit Hilfe eines IT-Architekten, der die Verantwortung für ein Gesamtmodell trägt, lassen sich viele Probleme von Anfang an vermeiden.