Mitarbeiter darf entlassen werden

AU-Bescheinigung aus dem Ausland taugt nichts

13.03.2011 von Renate Oettinger
Ein ärztliches Attest, das nicht den deutschen Maßstäben entspricht, ist nicht immer als Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung geeignet

Wer im Ausland erkrankt, sollte darauf achten, dass die vom Arzt ausgefüllte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch "deutschen Maßstäben" entspricht. Ist das nicht der Fall, so der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn, Präsident des VdAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart unter Hinweis auf ein soeben veröffentlichtes Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz vom 24.06.2010, Az.: 11 Sa 178/10, kann der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber verloren gehen.

In dem Fall war der 46 Jahre alte türkischstämmige Arbeitnehmer seit über 25 Jahren bei der Beklagten als Hilfsarbeiter mit einem Bruttomonatsentgelt von 2.000,22 Euro. beschäftigt. Zunächst beantragte der Kläger Urlaub für die Zeit vom 20. Juli bis zum 21. August 2009. Dieser Urlaubsantrag wurde von der Beklagten mit der Begründung abgelehnt, in der Ferienzeit dürften nur drei Wochen Urlaub genommen werden. Sodann stellte der Kläger einen erneuten Urlaubsantrag, diesmal für die Zeit vom 3. August bis zum 21. August 2009. Diesen lehnte die Beklagte erneut ab und führte zur Begründung aus, "laut Urlaubsplan und Arbeitsaufkommen" sei "Urlaub nicht möglich". Einen dritten Urlaubsantrag des Klägers für die Zeit vom 13. Juli bis zum 31. Juli 2009 genehmigte die Arbeitgeberin sodann.

Foto: Fotolia, Gerhard Seybert

Zu Beginn seines Urlaubs fuhr der Kläger dann in sein Heimatland Türkei. Im August 2009 erschien er nicht wieder zur Arbeit. Er legte später ein Attest eines türkischen Krankenhauses nebst deutscher Übersetzung vor. Danach befand er sich in der Zeit vom 27. bis 30. Juli 2009 stationär im Krankenhaus mit dem Befund "pheripherige Vertigo, Hypertension/Kopfschmerzen durch starke Druck". Nach der Entlassung seien 30 Tage Bettruhe empfohlen, anschließend sei der Kläger wieder arbeitsfähig. Die Arbeitgeberin zweifelte den Wahrheitsgehalt der ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an und verweigerte die Entgeltfortzahlung, wogegen der Arbeitnehmer Klage erhob. Diese wurde vom Arbeitsgericht Ludwigshafen abgewiesen.

Auch die Berufung vor dem LAG Rheinland-Pfalz scheiterte, betont Henn. Zwar komme einem ärztlichen Attest grundsätzlich ein hoher Beweiswert zu. Der Kläger habe jedoch hier nicht bewiesen, dass er im Anschluss an die Krankenhausbehandlung auch tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt war.

Viele Zweifel

Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt habe, ergeben sich im vorliegenden Fall erste Zweifel schon daraus, dass der Kläger für den überwiegenden Krankheitszeitraum zuvor zweimal erfolglos Urlaub bei der Beklagten beantragt hatte und dass die Arbeitsunfähigkeit in seiner letzten genehmigten Urlaubswoche eingetreten ist. Weitere erste Zweifel resultieren daraus, dass unstreitig bereits im Januar 2009 eine vom Kläger vorgelegte Folgebescheinigung nach Untersuchung durch ärztlichen Dienst nicht anerkannt worden sei.

Zweifel würden sich hier darüber hinaus aber auch schon aus der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung selbst ergeben. Ungewöhnlich sei eine empfohlene 30-tägige Bettruhe "nach bereits abgeschlossener Behandlung". Es sei merkwürdig, dass bei einer derart schwerwiegenden Erkrankung, die eine 30-tägige Bettruhe erfordere, keine weiteren Kontrolluntersuchungen vorgesehen worden seien. In diesem Fall müsse der Kläger die Arbeitsunfähigkeit daher auf andere Weise beweisen.

Er habe jedoch nicht im Einzelnen vorgetragen, wie sich die von ihm vorgetragene Erkrankung im August 2009 geäußert hätte, welche Behandlungen durchgeführt worden seien und aufgrund welcher Umstände er durch seine Erkrankung an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert gewesen sei. Den ihn behandelnden Arzt habe er auch nicht von der Schweigepflicht entbunden, andere Beweismittel für das Vorliegen seiner Arbeitsunfähigkeit im August 2009 habe er nicht angeboten. Nach alledem bestehe kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. (oe)

Weitere Informationen und Kontakt:

Henn empfiehlt, dies zu beachten, und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. (www.vdaa.de) verweist. Michael Henn, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht und VdAA-Präsident, c/o Rechtsanwälte Dr. Gaupp & Coll, Stuttgart, Tel.: 0711 305893-0, E-Mail: stuttgart@drgaupp.de, Internet: www.drgaupp.de und www.vdaa.de

Die fünf größten Irrtümer beim Thema Kündigung
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Irrtum 1: Ein krankgeschriebener Arbeitnehmer kann nicht gekündigt werden.
Eine Krankheit kann den Ausspruch einer Kündigung nicht verhindern. Ein Arbeitgeber kann grundsätzlich auch während einer Krankschreibung eine Kündigung aussprechen; dies macht die Kündigung nicht "per se" unwirksam.
Irrtum 2: Jede Kündigung muss eine Begründung enthalten.
Eine Kündigung muss nicht begründet werden. Aus Arbeitgebersicht ist es sogar eher unklug, eine Begründung in die Kündigung aufzunehmen, da dies in der Regel "Angriffsfläche" in einem nachfolgenden Kündigungsschutzprozess ergibt. Gekündigte Arbeitnehmer hingegen sollen unverzüglich um Rechtsrat nachsuchen, ob die ausgesprochene Kündigung auch wirksam ist.
Irrtum 3: Eine Kündigung kann auch mündlich ausgesprochen werden.
Arbeitsverträge kann man zwar mündlich abschließen, aber nicht beenden. Es bedarf nach dem Gesetz immer einer schriftlichen Kündigung. Vorsicht ist auf Arbeitgeberseite im Übrigen auch geboten bei Kündigungen per Mail oder per SMS, während Arbeitnehmer, die eine Kündigung in dieser Form erhalten, ebenfalls sofort um Rechtsrat nachsuchen sollten. Dies sollte unverzüglich erfolgen.
Irrtum 4: Vor der Kündigung muss immer drei Mal abgemahnt werden.
Eine sog. verhaltensbedingte Kündigung setzt nur eine Abmahnung voraus. Dabei gilt des Weiteren, was häufig verkannt wird: Ist in dem Betrieb ein Betriebsrat installiert, muss dieser einer Kündigung nicht etwa zustimmen; er muss nur angehört werden. Dieser kann der Kündigung zwar widersprechen. Dies führt aber nicht zu einer Unwirksamkeit der Kündigung.
Irrtum 5: Gekündigte Mitarbeiter haben stets einen Anspruch auf eine Abfindung.
Das Kündigungsschutzgesetz ist in erster Linie ein "Bestandsgesetz". Damit richtet sich der Schutz zunächst auf den Erhalt des Arbeitsplatzes. Zwar enden in der Tat tatsächlich viele Kündigungsschutzverfahren letztendlich mit dem Abschluss eines Abfindungsvergleichs. Bestehen allerdings Gründe für die Kündigung. greift diese rechtlich auch durch, und der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, eine Abfindung zu zahlen.