SOA trifft ERP

"Aris for SAP" soll fachliche Services mit Software verbinden

30.05.2008 von Frank Niemann
Die nächste Version des für SAP Netweaver angepassten Aris-Programms soll die Anwender in die Lage versetzen, fachliche Services modellieren und mit Softwarediensten der SAP-Plattform in Beziehung zu bringen.

Service-orientierte Architekturen bilden nicht nur eine technische Plattform. Vielmehr sollen damit Geschäftsprozesse auf einer höheren Ebene beschrieben werden. In der Idealvorstellung lassen sich dabei fachliche Services einer IT-Umgebung in einer auch für Nicht-Informatiker verständlichen Form darstellen. Die fachlichen Dienste beruhen auf technischen Services einer Applikation.

SAP arbeitet daran, sämtliche in den Geschäftsapplikationen verfügbaren Prozesse als Services zur Verfügung zu stellen. Diese Geschäftsprozessbeschreibungen hält das "Enterprise Services Repository" (ESR) vor. IDS Scheer entwickelt mit "Aris for SAP" eine grafische Umgebung, die SAP-Anwender in die Lage versetzen soll, Geschäftsprozesse modellbasierend anzupassen. Mit dem Aris-System kann der Anwender fachliche Dienste modellieren und mit SAP-Diensten in Beziehung bringen. Das in Aris entstehende Servicemodell lässt sich mit den von SAP definierten Services im ESR abgleichen: Einem Aris-Objekt werden dabei die entsprechenden technischen SAP-Objekte zugewiesen.

Diese Schritte muss der Softwarenutzer laut IDS Scheer nicht manuell vornehmen: Für die im ESR vorhandenen Services gibt es bereits entsprechende fachliche Services innerhalb von Aris. Auf diese Weise können sich Aris-Nutzer auch ein Bild davon machen, mit welchen Services im SAP-Repository beispielsweise ein fachlicher Service wie "Verkauf ab Lager" ("Sell from Stock") realisiert wurde. Über das grafische Aris-Frontend kann sich der Benutzer bis hinunter auf die technische Ebene begeben - von der abstrakten, fachlichen Sicht über konkrete SAP-Servicedefinitionen bis zu Nachrichten und Datentypen.

Neue Services mit Tool-Unterstützung bauen

An der Integration von Aris und SAPs ESR arbeitet IDS Scheer intensiv.

Erleichtern soll es die Aris/ESR-Verbindung Anwenderunternehmen vor allem, neue Services zu entwerfen beziehungsweise bestehende SAP-Dienste zu erweitern oder abzuwandeln. Möchte ein SAP-Anwender den Prozess "Sell from Stock" anders gestalten als vom ERP-Hersteller vorgesehen, kann er den Sonderweg in der Aris-Oberfläche fachlich festlegen. Für diese neuen Objekte muss dann ein Softwareexperte die technischen Services bauen. Diese Arbeiten erledigen Programmierer jedoch nicht mit Aris, sondern greifen auf SAP-eigene Werkzeuge wie den "Enterprise Services Builder" zurück. Auf diese Weise erweitert das Unternehmen die Inhalte des ESR um kundenspezifische Ausprägungen. Diese werden in einem eigenen Namensraum abgelegt, um sie von SAP-eigenen Definitionen unterscheiden zu können.

Dieser Ansatz unterscheidet sich deutlich vom bisherigen Prozedere, um ERP-Prozesse anzupassen. Zwar konnte auch schon früher die fachliche Anforderung in Aris beschrieben werden, ihre Implementierung erfolgte jedoch durch Customizing in den Tiefen der ERP-Software und ohne Rückkopplung mit dem Aris-Modell. Im Gegensatz dazu macht nach Angaben von IDS Scheer das neue Produkt Aris for SAP die Einflüsse der Geschäftsprozessmodellierung auf die SAP-Services sichtbar.

Netweaver 7.1 als Basis

Im Enterprise Services Repository sind Prozesskomponenten nebst Beschreibungen hinterlegt

Die Verbindung zwischen fachlichen und technischen Services gelingt vor allem deshalb, weil SAP mit Hilfe von Aris-Technik die technischen Services im ESR beschrieben hat. Zudem wird "Netweaver 7.1", die nächste Version der SAP-Plattform, mit einer eingebetteten, abgespeckten Fassung von Aris versehen sein. Diese Funktionen richten sich jedoch an den Softwareexperten und nicht an Business-Analysten, die die fachlichen Services beschreiben. Letztere sollen mit Aris for SAP arbeiten.

Aris for SAP kann direkt auf dem ESR einer SAP-Umgebung agieren. Daneben haben Anwender die Möglichkeit, sich einzelne Objekte des Repository in eine Stand-alone-Variante des IDS-Scheer-Werkzeugs zu laden.

Mit Aris neue SAP-Services entwerfen

Laut IDS Scheer ist Aris for SAP auch dafür geeignet, neue Services von SAP mit den bestehenden Geschäftsprozessen des Unternehmens abzugleichen. Über "Enhancement Packages" liefert der Softwarekonzern regelmäßig funktionale Erweiterungen seiner ERP- und Netweaver-Software an die Kunden aus. Diese enthalten auch neue Serviceinhalte für das ESR. Verteilt der ERP-Hersteller beispielsweise über die Erweiterungspakete neue Servicedefinitionen für den Verkaufsprozess, können Aris-Nutzer prüfen, ob und wie diese Funktionen in fachlichen Prozesse passen. Noch befindet sich das neue Aris for SAP für die ESR-Integration in der Entwicklung, soll aber im dritten Quartal 2008 verfügbar sein.

Ohne Verständnis nutzt die SOA-Technik nicht viel

Zwar will IDS Scheer die Technik für die Geschäftsprozessmodellierung liefern, doch muss das Konzept trotz der versprochenen Einfachheit zunächst auch bei den Firmen ankommen. Viele der SAP-Kunden haben im Augenblick damit zu tun, ihre R/3-Systeme durch das aktuelle Produkt ERP 6.0 zu ersetzen. Meistens tauschen die Firmen hier aber nur die Software aus, ohne ihre Prozesse neu aufzulegen beziehungsweise sich bereits mit Netweaver intensiv auseinanderzusetzen. Daher nutzt derzeit nur ein kleiner Kreis von Nutzern die Enterprise-SOA-Konzepte bereits in der Praxis. Deren Zahl dürfte aber stetig zunehmen, da auch der Anteil der SAP-Nutzer mit aktuellen Softwareseleases steigt.

Ob SOA im SAP-Umfeld ein Erfolg wird, hängt letztlich auch damit zusammen, ob die Ideen sowohl von den Fachbereichen als auch von der IT verstanden werden. Hier liegt offenbar noch Vieles im Argen. Und selbst dann, wenn die Kunden das Verständnis für Service-orientierte Architekturen aufbringen stellt sich die Frage, wie sie sich in den zahlreichen SAP-Services - derzeit sind es 2800 - zurechtfinden sollen. Hier hängt viel davon ab, wie gut der Anwender bestehende Services identifizieren, finden und deren Funktionsumfang begreifen kann.

Mit dem "ERP Quick Check" von der COMPUTERWOCHE in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft zur Prüfung von Software aus Ulm können Anwender den Stand des eigenen ERP-Systems analysieren, Schwachstellen erkennen und Verbesserungspotenzial bestimmen.