Bewerbung

Arbeitszeugnisse ohne Aussagekraft

03.11.2012 von Alexandra Mesmer
Da immer mehr Mitarbeiter ihr Zeugnis selbst verfassen, verlieren die Dokumente für Personalexperten an Wert.
Geschönte Zeugnisse sind in den Augen von Personalern nicht mehr viel Wert.
Foto: eyezoom1000, Fotolia

Für die meisten Personalexperten gehört ein Arbeitszeugnis immer noch zu einer vollständigen Bewerbung. Allerdings fallen die Beurteilungen der Mitarbeiter immer häufiger zu positiv aus, da diese ihre Zeugnisse oft selbst verfassen. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage der Personalberatung Personal Total AG unter 266 Personalexperten in Deutschland. So lehnen 77 Prozent der Befragten Bewerbungen häufig oder zumindest gelegentlich aufgrund der vorgelegten Zeugnisse ab. Gleichzeitig haben mehr als zwei Drittel der Teilnehmer schon selbst eine aus ihrer Sicht zu positive Beurteilung ausgestellt, um mögliche Auseinandersetzungen mit dem Arbeitnehmer zu vermeiden.

Auch die Praxis, dass der Mitarbeiter selbst das Zeugnis verfasst, ist weit verbreitet, räumen 80 Prozent der Personalexperten ein. Vor dem Hintergrund entspricht die schriftliche Beurteilung häufig nicht mehr der tatsächlichen Leistung und dem Engagement des Mitarbeiters. Die Folge: Arbeitszeugnis bieten künftigen Arbeitgebern kaum noch Anhaltspunkte, um den Bewerber realistisch einzuschätzen. Nur jeder vierte der Umfrageteilnehmer glaubt von sich, aus qualifizierten Arbeitszeugnissen immer oder zumindest in den meisten Fällen eine korrekte Bewertung ableiten zu können.

Referenzen sind objektiver als Zeugnisse

"Das qualifizierte Arbeitszeugnis ist offensichtlich nicht mehr zeitgemäß", kommentiert erläutert Personal-Total-Vorstand Armin Betz. "Es sorgt für hohen Aufwand in den Personalabteilungen, ist Ursache für Missverständnisse auf beiden Seiten und immer wieder Anlass für gerichtliche Auseinandersetzungen. Arbeitsproben, Referenzen und ausführliche Tätigkeitsbeschreibungen sind heute deutlich objektivere und fairere Grundlagen für die Auswahl eines Mitarbeiters. Darauf sollten auch der Gesetzgeber und die Tarifpartner reagieren und eine Neuregelung angehen."

zeugnismängel
Die größten Zeugnismängel
Neun Mängel sind es, die Kritiker der üblichen Arbeitszeugnisse vorbringen:
1. Angaben fehlen: beredtes Schweigen
Arbeitnehmer die eine prägnante Lücke in ihrem Zeugnis entdecken, haben gute Chancen auf eine Ergänzung.
2. Lob unglaubwürdig: Gefälligkeitszeugnis
Ein vor Lob überschäumendes Einser-Zeugnis ist keinesfalls eine Garantie für optimale Erfolgschancen bei einer Neubewerbung - jedenfalls nicht, wenn sich die Lobeselogen allzu auffällig als Teil eines Gefälligkeitszeugnisses entpuppen.
3. Zeugnissprache unprofessionell: Eigenentwurf
Wenn Arbeitgeber den Eigenentwurf eines Arbeitnehmers akzeptieren und unterzeichnen, wollen sie - wie auch beim Gefälligkeitszeugnis - eine Kündigung möglichst konfliktfrei und versöhnlich gestalten. Die Chance, einen Eigenentwurf einzureichen, sollten Sie unbedingt nutzen. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten; die Fehlermöglichkeiten in Eigenentwürfen sind unbegrenzt!
4. Missverständliche Textbausteine: uneinheitliche Bedeutung
Zeugnisfachbücher oder Zeugniserstellungs-Software bieten einen ganzen Katalog hilfreicher Textbausteine. Auf der sicheren Seite ist man damit trotzdem nicht, denn die Autoren wenden sehr unterschiedliche Maßstäbe an.
5. Nachträgliche Änderungen: Widersprüche
Wenn sich Arbeitnehmer nachträglich für eine Aufwertung ihres Zeugnisses einsetzen, gehen ihnen oft wichtige Passagen durch die Lappen.
6. Versteckte Kritik: Verschlüsselungen
Verschlüsselungstechniken erlauben es dem Zeugnisaussteller, negative Urteile zwischen den Zeilen zu äußern, ohne dass sie für den ungeübten Leser erkennbar sind.
7. Persönliche Note fehlt: geringe Wertschätzung
In einem sehr guten Zeugnis sprechen die Erfolge für sich selbst. Konkrete Beispiele können daher die Glaubwürdigkeit eines Zeugnisses unterstreichen und ihm eine persönliche Note geben. Fehlen diese Beispiele, mangelt es entweder an Erfolgen oder an Wertschätzung.
8. Schlechter Eindruck: Stil- und Rechtschreibfehler
Rechtschreibfehler, Tippfehler und stilistische Mängel sind pures Gift für das Zeugnis. Dabei kann sich der Zeugnisempfänger nicht darauf berufen, dass die Fehler jemand anderes gemacht hat. Schließlich hätte er diese Mängel bemerken und reklamieren müssen.
9. Mängel nicht beseitigt: nachlässiger Bewerber
Wer sich in ungekündigter Stellung erfolgreich neu bewirbt, misst seinem Zeugnis keine entscheidende Bedeutung zu. Die Quittung kommt erst bei der übernächsten Neubewerbung - dann können unvorteilhafte Zeugnisaussagen zu einem echten Problem werden.