Arbeitgeber verlangen Branchenwissen

23.04.2004 von Karen Funk
Die Maschinen- und Anlagenbaubranche in Deutschland sucht händeringend nach Ingenieuren: Auch in diesem Jahr gibt es wieder mehr offene Stellen, als Hochschulabsolventen aus den Universitäten kommen. Allerdings sind hauptsächlich Maschinenbau- und Elektrotechnikspezialisten gefragt. Informatiker haben meist nur mit Branchenkenntnis und speziellem Anwendungswissen eine Chance.

Aus konjunktureller Sicht sei das vergangene Jahr für die deutschen Maschinenbauer "ein verlorenes Jahr" gewesen, zog Diether Klingelnberg, Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), bittere Bilanz. Produktion, Umsatz und Mitarbeiterzahlen gingen zurück, viele Unternehmen in der mittelständisch geprägten Branche meldeten Insolvenz an.

Der Maschinenbau schöpft für 2004 wieder Hoffnung. Das Bild zeigt den neuen Handgabelhubwagen von Jungheinrich. (Foto: Jungheinrich)
Foto: Jungheinrich AG

Der Maschinenverkauf sank 2003 um ein Prozent auf 128 Milliarden Euro. Zäher als erwartet flossen die Bestellungen aus dem Ausland, so dass die exportabhängige Branche mit dem Schlimmsten rechnete. Erst gegen Ende des Jahres kam die Belebung und bescherte den Maschinen- und Anlagenbauern ein Plus von drei Prozent beim Auftragseingang. Die Zahl der Mitarbeiter fiel bis Dezember 2003 im Vergleich zum Vorjahr um 24000 auf 875000. Aufgrund des Tarifabschlusses 2004 rechnet Klingelnberg mit einem weiteren Arbeitsplatzabbau in diesem Jahr.

Vorsichtiger Optimismus

Insgesamt blicken die Maschinenbauer für dieses Jahr jedoch wieder optimistischer in die Zukunft, da die ersten beiden Monate für die Branche gut liefen. Im Februar 2004 stieg der Auftragseingang gegenüber dem Vorjahresmonat um fünf Prozent. Zwar fiel das Inlandsgeschäft um fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahresniveau, aber aus dem Ausland kamen zwölf Prozent mehr Aufträge. "Die Stimmung ist derzeit positiv. Wir sind uns sicher, dass der Aufschwung kommt", erklärt Sven Laux vom VDMA. Hoffnung schöpft die Branche auch aus der Prognose der EU-Kommission, die für 2004 und 2005 einen Zuwachs bei den Ausrüstungsinvestitionen in Deutschland von 4,8 beziehungsweise 4,7 Prozent erwartet.

Dennoch bleibt der VDMA vorsichtig, was konkrete Zahlen für das Gesamtjahr betrifft. Die zögerliche Belebung der Investitionsgüternachfrage in Europa und der starke Euro-Kurs entzögen der langsam einsetzenden konjunkturellen Erholung noch einige Kraft. Daher rechne man für 2004 mit einem Produktionsplus von nur zwei Prozent.

Nische für Informatiker

Trotz des allgemeinen Stellenabbaus in der Maschinenbaubranche suchen die rund 6000 Anlagenbauer weiterhin qualifizierte Mitarbeiter, vor allem Ingenieure. Laut einer Studie der Prognos AG, die vom VDMA in Auftrag gegeben wurde, benötigen die deutschen Maschinenbauer bei guter Konjunkturlage bis 2010 rund 47000 Ingenieure. Davon entfallen unter anderem 31000 auf Spezialisten im Bereich Maschinenbau und 11200 auf Elektroingenieure. Für reine Informatiker besitzt die Anlagenbaubranche Nischenfunktion: Bis 2010 werden hier der Studie zufolge nur 2000 Spezialisten gesucht.

"Es ist oft einfacher, einem Maschinenbauer IT-Kenntnisse beizubringen." Rainer Glatz, VDMA.

Der Grund dafür liegt vor allem in der Tatsache, dass für das Gros der Aufgaben im Maschinenbau - auch auf der IT-Seite - Fachkräfte benötigt werden, die Branchenkenntnisse mitbringen. Und die seien bei Informatikern oft nicht vorhanden. Umgekehrt besäßen Maschinenbauer häufig IT-Kenntnisse, da viele Universitäten Informatik als Nebenfach für Ingenieure anbieten.

Rainer Glatz vom VDMA-Fachverband Software formuliert es so: "Es ist oft einfacher, einem Maschinenbauer IT-Kenntnisse beizubringen, als einen Informatiker in Sachen Maschinenbau zu trimmen." Zudem ginge es häufiger darum, bereits bestehende Branchenlösungen beispielsweise von SAP an die jeweiligen Arbeitsprozesse und Workflows eines Unternehmens anzupassen, als sie komplett neu zu programmieren.

Für diese Aufgaben seien Maschinenbauexperten mit IT-Wissen eher geeignet als reine Programmierer. "Wie in anderen Branchen auch suchen die Anlagenbauer vor allem nach anwendungsorientierten Spezialisten", so Glatz weiter. Die reinen Informatiker seien dagegen in den Softwarehäusern gefragt, die Lösungen für die Branche entwickeln.

SAP-Know-how gefragt

Dass vor allem Schnittstellenwissen und spezielles Anwendungs-Know-how gesucht wird, bestätigt Detlef Pohl, zuständig für die Personalkommunikation bei der Brose Fahrzeugteile GmbH & Co. Neben Mitarbeitern im Hardware- und Softwarebereich speziell für Rechenzentrumstechnik, IT-Support und -Service, Administration und Telekommunikation interessiert sich das Coburger Unternehmen vor allem für SAP-Spezialisten, die die Module Business Information Warehouse (BW) und Product-Lifecycle-Management (PLM) beherrschen und auf ihre Geschäftsprozesse ausrichten können.

Das Automobilzulieferungsunternehmen Brose, das weltweit 7500 Mitarbeiter beschäftigt, 4500 davon in Deutschland, zählt derzeit insgesamt 162 IT-Spezialisten, wovon nur 31 im Ausland arbeiten. "Insgesamt suchen wir in diesem Jahr zehn bis 15 IT-Mitarbeiter für den Standort Deutschland. Für die gängigen IT-Berufe gibt es genug Bewerbungen, aber bei besonderem Anwendungswissen sieht es anders aus", schildert Pohl. Defizite wiesen die Bewerber vor allem bei den SAP-Modulen BW und PLM auf, weil diese sehr speziell und neu seien.

Der Automobilzulieferer Brose legt Wert auf Anwendungs-Know-how, vor allem bei speziellen SAP-Modulen. (Foto: Brose)

Und immer wieder Soft Skills

Generell verlangt Brose von seinen IT-Mitarbeitern neben der Branchenerfahrung in der Automobil- und Zuliefererindustrie auch Projekt- und Berufserfahrung, Englischkenntnisse, Flexibilität und Teamfähigkeit. Um seine Angestellten in Hard und Soft Skills sowie für den zunehmend globalisierten Markt fit zu machen, bietet Brose entsprechende interne Trainings nach Bedarf an. Ferner haben die Mitarbeiter die Möglichkeit, an einem besonderen Spezialisten- und Führungskräfteentwicklungsprogramm sowie an internationalen Einsätzen teilzunehmen.

Auch die Jungheinrich AG aus Hamburg, Experte in Flurförderzeug-, Lager- und Materialflusstechnik, sucht in diesem Jahr vor allem SAP-Spezialisten. Diese sollen mit der SAP-Anwendungsentwicklung und den Basissystemen vertraut sein. Zudem stehen Profis in Sachen neue Medien auf dem Kandidatenwunschzettel.

Offshoring noch am Anfang

Wie in anderen Industriezweigen auch versuchen Maschinenbauunternehmen, ihre IT-Kosten durch Outsourcing zu senken, und lagern zunehmend Aufgaben wie beispielsweise den Betrieb ihres Rechenzentrums aus. Die IT-Fremdbezugsquote schätzt Karl Gosejacob, Vorsitzender des VDMA-Fachverbands Software, auf 20 bis 30 Prozent. Seit neuestem denkt die Branche zudem über Offshoring nach, bei dem etwa Programmierungsaufgaben an Firmen in Billiglohnländern abgegeben werden.

Erst Ende März gründete der VDMA speziell zu diesem Thema eine Arbeitsgruppe. Gosejacob erklärt: "Seit zirka sechs Monaten stellen die Unternehmen Überlegungen zu Offshoring an. Allerdings steht die Branche hier noch ganz am Anfang." Die Bedeutung der EU-Osterweiterung lasse sich in diesem Zusammenhang noch nicht einschätzen. Allerdings hält Gosejacob die Bedrohung für heimische IT-Jobs in der Maschinenbaubranche für "nicht signifikant". Viel eher seien diese Arbeitsplätze durch konjunkturelle Schwankungen gefährdet.