Arbeiten, wo das Leben brodelt

17.10.2003 von Bettina Suttner
Jan Reichelt arbeitete drei Monate in Bangkok und ist rückblickend froh, dass er die Möglichkeit hatte, Einblick in eine fremde Kultur zu bekommen. Denn diese unterscheidet sich erheblich von der europäischen.

In der Sechsmillionen-Stadt ist es laut, es wimmelt von Menschen und Autos, Fahrrädern und Booten, den Hauptverkehrsmitteln auf den unzähligen Kanälen. Die Luft ist schwül, und die Feuchtigkeit nimmt einem den Atem. Die thailändische Hauptstadt erscheint für einen Farang, wie die Thailänder die Europäer nennen, spannend und chaotisch zugleich. Die meisten Deutschen kommen als Touristen hierher und halten nur kurz inne, um die buddhistischen Tempelanlagen und Heiligtümer zu bestaunen. Sie besuchen Bangkok auf der Durchreise zu den schneeweißen Stränden oder den Urwäldern Thailands.

Jan Reichelt hat die asiatische Metropole anders kennen gelernt. Der Student der Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Unternehmensführung an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU) in Vallendar bei Koblenz arbeitete als Praktikant bei der Detecon International GmbH in Bangkok. Das deutsche Unternehmen für Management- und Technologieberatung, das zum Deutsche Telekom-Konzern gehört, ist mit einem Büro in der südostasiatischen Metropole vertreten.

Dort entwickelte der 24-Jährige eine Akquisitionsstrategie für neue und bestehende Kunden der Unternehmensberatung. Seine Aufgabe war es, die Länder der Region hinsichtlich ihres Beratungsbedarfs vor allem im Telekommunikationsumfeld zu untersuchen. Reichelt lebte insgesamt drei Monate in Bangkok: "Mein erster Gedanke war: Mein Gott ist das spannend hier! Zuerst erscheint es hässlich und laut und dreckig - aber diese Stadt ist wie eine riesige Wühlkiste. Es gibt unwahrscheinlich viel zu entdecken und auch sehr schöne Ecken", erzählt der Student.

Wie viele ausländische Arbeitnehmer wohnte Reichelt in einem der komfortablen Apartments mitten in Bangkok, das ihm von seiner Firma gestellt wurde. Seine Freizeit nutzte er dazu, die Stadt und das Umland kennen zu lernen, die thailändische Kultur zu erleben oder mit einem einheimischen Trainer Squash zu spielen.

Die Uhren gehen anders

Durch den Kontakt zu den Thailändern merkte er schnell, wie groß die kulturellen Unterschiede zwischen Westeuropa und Südostasien sind: "Die Menschen sind viel ruhiger und zurückhaltender, dabei sehr freundlich und hilfsbereit. Ihr Lebensrhythmus ist ein ganz anderer, sie haben ein anderes Zeitverständnis. Was bei uns sofort erledigt werden muss, hat bei den Thais auch noch bis übermorgen Zeit", sagt Reichelt. Und läuft einmal nicht alles ganz glatt, sagen die Thailänder "mai pan rai", was so viel bedeutet wie "Das macht nichts, das ist nicht tragisch", und untermalen den Ausspruch mit einem Lächeln.

Kultur und Arbeit lässt sich in Thailand sinnvoll verbinden.

Ein Urlaub war Reichelts Aufenthalt in Bangkok nicht: Schließlich legt Professor Huchzermeier, der das Praktikum vermittelte, Wert darauf, dass Studenten und Firmen gleichermaßen profitieren. Während ihrer Zeit im Unternehmen erstellen seine Studenten eine praktische Arbeit mit konkreter Aufgabenstellung. Für seine Marktanalyse recherchierte der WHU-Student Eckdaten der südostasiatischen Länder wie Einwohnerzahl, Bruttosozialprodukt, Wirtschaftswachstum sowie Kaufkraft und analysierte die wichtigsten Unternehmen der Region.

 Sein Chef in Bangkok ließ sich nicht nur über die Schulter schauen, sondern unterstützte ihn bei seinem Projekt. Er nahm den Praktikanten unter anderem mit zu einer Präsentation in ein Telekommunikationsunternehmen nach Vietnam. Dort konnte er sich selbst ein Bild davon machen, wie Verhandlungen in Südostasien funktionieren. "Es war sehr interessant zu sehen, wie so ein Gespräch in Asien abläuft, ganz anders als bei uns. Die vietnamesischen Manager haben durch keine Emotion verraten, was sie gut oder schlecht fanden an unserem Angebot."

 Präsentieren vor den Chefs

Das Projekt war nicht nur für den Studenten aufschlussreich - auch Detecon zeigte Interesse an den Ergebnissen. Der angehende Kaufmann hat sein Projekt in einer Arbeit zusammengefasst und dem Beratungsunternehmen zur Verfügung gestellt. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland präsentierte er die Ergebnisse vor dem Top-Management: "Das ist das erste Mal, dass ich während eines Praktikums mein Projekt nicht nur vor Mitarbeitern und meinem Professor, sondern vor dem Geschäftsführer vorstellen durfte", freut sich der Student.

Detecon
Das Unternehmen für integrierte Management- und Technologieberatung hat seinen Schwerpunkt in Beratungs- und Umsetzungslösungen für Probleme, die sich aus dem Einsatz moderner Informations- und Telekommunikationstechnologien ergeben. Mit den beiden Zentralen in Bonn und Eschborn, vier weiteren nationalen und zwölf internationalen Standorten sowie rund 40 Projektbüros sind die Berater auf nahezu allen Kontinenten vertreten.
Detecon International GmbH ist im Juli 2002 hervorgegangen aus der Diebold Management- und Technologieberatung sowie der Detecon Consulting GmbH. Das neue Unternehmen ist eine 100-prozentige Tochter der T-Systems International GmbH.