Arbeiten im Ausland: Jung, bissig, motiviert

13.05.2002 von in Ingrid
Mailand, Paris, London, New York - für einige Jahre im Ausland zu arbeiten erweitert den Horizont und verbessert die Karrierechancen. Gute Vorbereitung, fundierte Sprachkenntnisse und interkulturelle Kompetenz helfen, dass aus dem Traum eine erfolgreiche Reise wird.

"Wir haben eine neue Generation von mobilen Talenten, die oft schon eine internationale Schule besucht und im Ausland studiert hat, und ein Global Mind Set mitbringt", erzählt Dagmar Wilbs, Partnerin der Human- Resource-Beratung von PricewaterhouseCoopers (PWC). Sind die 25- bis 30-Jährigen sehr interessiert an Arbeitsmöglichkeiten im Ausland, so lässt die Mobilität der deutschen Arbeitnehmer über 30 zu wünschen übrig, so das ernüchternde Ergebnis der PWC-Studie mit dem Titel "Managing mobility matters - a European perspective".

Dublin, O´Connel Bridge Quelle: The European Commission

Für die Untersuchung befragte die Unternehmensberatung im vergangenen Jahr 10 000 Europäer aus zehn Ländern, ob sie bereit sind, im Ausland zu arbeiten, welches die bevorzugten Ziele sind und welche Schwierigkeiten sie bei einer Entsendung sehen.

Junge Leute sind mobiler

Außerdem gaben 400 Unternehmen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Schweden, der Schweiz, Spanien und der Tschechischen Republik Auskunft darüber, wie groß der Bedarf an mobilen Mitarbeitern ist. "Bei den Fach- und Führungskräften fehlen mobile Mitarbeiter", so Wilbs, "denn wir haben eine steigende Nachfrage." Zwar existiert seit Januar eine einheitliche Währungszone in der europäischen Union, doch Ansätze für ein einheitliches Arbeits- und Sozialrecht sind noch Zukunftsmusik. Wie die Studie zeigt, liegen gerade hier Gründe für die zögerliche Haltung vieler Arbeitnehmer, innerhalb Europas den Arbeitsort zu wechseln. Doch Interessierte sollten sich von Entscheidungen, die auf politischer Ebene noch einige Zeit dauern dürften, keineswegs abschrecken lassen.

Internationale Jobbörsen und zahlreiche Anlaufstellen helfen weiter. Neben der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) in Bonn stehen an vielen örtlichen Arbeitsämtern internationale Berater für den europäischen Wirtschaftsraum (Eures-Berater) für alle Fragen rund um die Themen Arbeitserlaubnis, Jobsuche und Vorbereitungszeiten zur Verfügung. "Bewerber müssen sich fragen: ´Was kann ich besser als mein Konkurrent?´, und die Vor- und Nachteile gut abwägen", so Eicke Lenz, Eures-Berater am Münchner Arbeitsamt, zu den Chancen einer erfolgreichen Auslandsbewerbung.

Viele Stellenangebote sind nur lokal ausgeschrieben, und die Interessenten verfügen längst nicht über alle potenziellen Angebote. Allerdings gibt es durchaus Möglichkeiten für Leute, die "jung, bissig und motiviert" sind. "Die Person ist das wichtigste, Fachkenntnisse kann man lernen", so die Erfahrung von Lenz. Zu den persönlichen Voraussetzungen zählt er Offenheit, Toleranz, die Fähigkeit, sich zurückzunehmen und nicht dem deutschen Klischee des ewigen Besserwissers zu entsprechen. "Die Leute sollten in dem festen Glauben ins Ausland gehen, dass es auch dort tolle Leute gibt", ergänzt Lenz das Profil.

Fehlt den Bewerbern dagegen Praxiserfahrung während des Studiums, schrumpfen die Chancen auf einen Job, denn schließlich seien die deutschen Absolventen mit einem Universitätsabschluss in der Regel älter als ihre Kollegen im internationalen Vergleich. Zwar mag ein anderes Vorurteil, nämlich dass die deutschen Arbeitnehmer gewissenhaft und genau arbeiten, weiterhelfen, doch das allein reicht nicht für eine Anstellung. "Wer bei einer guten Arbeitsmarktlage hier Probleme hat, einen Job zu finden, hat es im Ausland nicht leichter", gibt Lenz zu bedenken.

Quelle: The European Commission

Neben den lokalen Arbeitsämtern und Beratungsstellen bietet die ZAV zirka 47 Programme für Abiturienten, Studenten und Interessenten mit einer abgeschlossenen Ausbildung an, um für einige Wochen oder Monate Praxiserfahrung im Ausland zu sammeln. Das Angebot reicht vom Animateur in US-Feriencamps bis zum Sprachassistenten in Kasachstan. Die Programme starten jeweils im Herbst und Frühjahr. Interessenten sollten sich bereits einige Monate vor dem geplanten Ausreisetermin informieren und bewerben. Da für den Flug, Visa und Arbeitserlaubnis Kosten anfallen, kann kaum jemand auf das große Geld hoffen, doch meistens bleibt am Ende eine schwarze Null übrig.

"In Europa können Arbeitnehmer durchaus auf eigene Faust auf Jobsuche gehen, dagegen kommt man in den USA fast nicht ohne eine Firma zu einer Arbeitsstelle", meint Wilbs. "Ich empfehle den Leuten daher, möglichst einige Semester in den USA zu studieren und Berufspraxis mit internationalen Praktika zu sammeln", so die HR-Expertin. "Bessere Chancen bietet dagegen eine europäische Tochtergesellschaft eines amerikanischen Unternehmens oder der international ausgerichtete Mittelstand."

Eigeninitiative gefragt

Eine weitere Möglichkeit sind internationale Recruiting-Messen. HRGardens aus Köln beispielsweise organisiert für unterschiedliche Fachrichtungen, für Young Professionals mit einigen Jahren Berufserfahrung oder für Absolventen direkt nach der Hochschule, Kontaktveranstaltungen. "Gute Leute sind immer noch gesucht", so Anja Hofmann, Marketing-Managerin von HRGardens. Neben einer kreativeren Jobsuche empfiehlt Hofmann, bei der Bewerbung auf die internationalen Standards zu achten. "Der Lebenslauf sollte nicht länger als eine Seite sein, und in der ersten Bewerbungsphase sind Zeugnisse und Passfoto nicht mitzuschicken."

Wer mit Hilfe der Carl Duisberg Gesellschaft (CDG) den Sprung ins Ausland wagen möchte, dem eröffnen sich vielfältige Gelegenheiten. Allerdings sollten die Bewerber hier Berufserfahrung und vor allem viel Eigeninitiative mitbringen, denn die Teilnehmer müssen ihre künftigen Praktika- und Arbeitsstellen selbständig suchen. "Die Identifikation ist größer, wenn sich die Interessenten den Platz selbst erkämpft haben", erklärt Edda von Homeyer, Pressesprecherin der Carl Duisberg Gesellschaft in Köln. "Außerdem erhöht es die Toleranzschwelle; wir haben kaum Abbrecher bei unseren Programmen."

Den Teilnehmern wird auf diese Weise auch von Anfang an klar, dass sie selbst aktiv werden müssen. "Wir wollen keine Anspruchshaltung fördern", so die Maxime. Und der Erfolg gibt dem Konzept Eigeninitiative Recht, denn die Interessenten lernen von Anfang an, dass sie sich engagieren müssen. Allein 2001 nahmen an den unterschiedlichen Entsendungsprogrammen 7000 Deutsche teil. Dabei sammelten die meisten, nämlich 5350, in Europa Auslandserfahrung, darunter 680 Teilnehmer, die sich für Osteuropa interessierten. Nach wie vor beliebt bei den Teilnehmern sind die USA-Programme mit 875 Entsandten, in den asiatisch-pazifischen Raum dagegen gingen nur 335, und Lateinamerika fanden nur 185 interessant.

"An fast jeder Stelle kann man etwas lernen", erklärt von Homeyer. Deshalb haben Ausreisewillige mit den Zielen Osteuropa oder Lateinamerika gute Chancen, von der CDG Fördermittel zu erhalten. Die Unterstützung reicht dabei von Vollstipendien über Sprachkurse und Reisekostenzuschuss bis zu Geldern für Unterkunft und Verpflegung, aber auch Programme für Selbstzahler finden sich im Angebot, bei denen die CDG bei der Arbeitserlaubnis oder dem Visa weiterhilft. Zwar stellen junge Erwachsene bis 30 oder 35 Jahre die größte Gruppe der Teilnehmer dar, doch inzwischen verwischt sich die Altersgrenze immer mehr. Die Maxime des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) vom "Lebenslangen Lernen" widerspricht einer Altersbegrenzung. Für Informatiker und Ingenieure gebe es durchaus gute Chancen, in den Genuss einer Förderung zu kommen.

USA immer noch beliebt

"Grundsätzlich ist die Bereitschaft unserer Mitarbeiter sehr groß, ins Ausland zu gehen", so Uwe Heidsieck, Leiter Personalwesen bei Siemens in Erlangen und verantwortlich für die Entsendung von Mitarbeitern und die Betreuung ausländischer Mitarbeiter in Deutschland. Außerdem erhöhe ein Auslandsaufenthalt die Attraktivität der Angestellten (Employability). "Die Mitarbeiter beweisen, dass sie flexibel sind, gewinnen eine neue Perspektive und beurteilen Situationen anders. Außerdem bauen Führungskräfte auf diese Weise ein eigenes internationales Netzwerk auf."

Uwe Heidsieck, Siemens Erlangen Quelle: Siemens

Nach wie vor gehören die USA zu den beliebtesten Zielländer der Siemens-Mitarbeiter. Zurzeit arbeiten zirka 800 Mitarbeiter in unterschiedlichen Unternehmensbereichen jenseits des Atlantiks. Neben Europa zieht es aber auch viele Mitarbeiter nach Asien. Besonders China und Singapur sind beliebt. Insgesamt betreut das Team von Uwe Heidsieck momentan 2200 Mitarbeiter rund um den Globus. Die meisten Entsandten bleiben zwischen drei und vier Jahre, maximal sind fünf Jahre vorgesehen. Möchten Mitarbeiter länger bleiben, legt ihnen die Personalabteilung einen Wechsel nahe. Allerdings dann zu den Bedingungen des Ziellandes und ohne Rückkehrgarantie. Die PWC-Studie belegte ebenfalls die Vorliebe der deutschen Arbeitnehmer für die USA. Auf Platz zwei schafft es Spanien, und den dritten Rang belegt Australien.

"Interkulturelle Kompetenz ist wichtig, allerdings reicht ein Training alleine nicht aus", so Michael Frankenstein, Consultant bei PricewaterhouseCoopers, selbst Trainer für interkultruelle Seminare. "Wichtig ist es, geeignete Leute für eine Auslandsentsendung zu finden, die dafür auch geeignet sind, im Gastland intuitiv die kulturellen Unterschiede zu spüren", erklärt er. Heidsieck von Siemens beschreibt seine Mitarbeiter, die sich für ein Auslands-Assignment interessieren, ähnlich: "Sie müssen aufgeschlossen sein gegenüber anderen Kulturen, fachliche Kompetenz mitbringen und idealerweise die Landessprache sprechen, zumindest aber über solide Englischkenntnisse verfügen."

Hürden und Stolpersteine gibt es beim ersten Job im Ausland jede Menge. Doch, so Frankenstein: "Wer flexibel ist, stolpert vielleicht, fällt aber nicht hin." Und fügt hinzu: "Trotz allen interkulturellen Trainings darf man seine eigenen Wurzeln nicht vergessen".