Zwischen Indien und Norderstedt

Arbeiten als Berater

23.04.2012 von Peter Ilg
Christina Butzlaff und Daniel Titze sind Informatiker, die nach dem Studium in der IT-Beratung angefangen haben. Ihre Jobs sind ähnlich und doch unterschiedlich: Sie arbeitet in einem global tätigen Konzern, er bei einem kleinen Mittelständler.
Christina Butzlaff, Accenture: "Wann kommt man schon für so eine lange Zeit nach Indien?"
Foto: Accenture

So wie Software Hardware braucht, ist Bangalore als Hightech-Standort mittlerweile für die IT unverzichtbar geworden. Doch im Vergleich zum amerikanischen ist IT-Leistung im indischen Silicon Valley viel günstiger zu bekommen. Deshalb haben sich dort zahlreiche Computerfirmen angesiedelt - auch Accenture, ein globales Beratungsunternehmen und Outsourcing-Dienstleister mit gut 245.000 Mitarbeitern weltweit.

Christina Butzlaff, 28, arbeitet seit Anfang 2012 in diesem Unternehmen. Nach dem Studium der Medizintechnik mit Schwerpunkt medizinische Informatik hat sie noch den Informatik-Master drangehängt. Beides stand in ihrem Profil bei Xing. Das hat eine von Accenture beauftragte Personalberaterin gelesen, die junge Frau angeschrieben und ihr das Einstiegsprogramm Jump Start des Beratungshauses vorgestellt. Von der zweimonatigen Ausbildung findet der größte Teil in Bangalore statt. "Wann kommt man schon für so eine lange Zeit nach Indien?", fragte sich Butzlaff. Und weil ihr bei Accenture die kontinuierliche Weiterbildung imponierte, hat sie das Stellenangebot der Firma angenommen. Zurzeit bereitet sie sich auf ihr erstes Projekt vor.

Frank Mang, Accenture: "Unsere Mitarbeiter sollen das internationale Geschäft durch eine Ausbildung und erste Projekte in Indien kennenlernen."
Foto: Accenture

Frank Mang ist bei Accenture in der Deutschland-Zentrale in Kronberg im Taunus für SAP-Projekte verantwortlich, zudem Initiator des Ausbildungsprogramms in Indien. Jeder Berufsanfänger, der bei Accenture in Deutschland, Österreich oder der Schweiz in die SAP-Beratung einsteigt, nimmt an einem Jump-Start-Programm teil. Der technische Abschnitt dieses Trainings fand in diesem Jahr zum ersten Mal in Indien statt. "Künftig wollen wir nicht nur einen Teil der Einsteigerschulung in Indien abhalten. Neue Mitarbeiter sollen dort auch an ihrem ersten Projekt teilnehmen und dafür etwa ein halbes Jahr in Indien bleiben", kündigt Mang an und begründet die Regelung so: "Wir wollen die Anzahl der Kollegen, die Erfahrung in Indien gesammelt haben, deutlich steigern. Von dort aus sollen Mitarbeiter aus Deutschland das internationale Geschäft der IT-Beratung kennenlernen."

Als SAP-Berater in Shanghai
Leben und Arbeiten in Shanghai
...heißt es seit zwei Jahren für SAP-Berater Andreas Leidloff, der jeden Monat zwei Wochen in Shanghai arbeitet.
Die Niederlassung von Itelligence in Shanghai...
....hat Andreas Leidloff (Bildmitte) aufgebaut. In China musste er umdenken. So hat ein unterschriebener Vertrag weniger Bedeutung als in Deutschland.
Von der fremden Kultur....
...ist Leidloff fasziniert. Er hat gelernt, dass man in China nicht so stark zwischen Privatem und Geschäftlichem trennt. Und dass beim Essen und Karaoke-Abende oft wichtige Kontakte geknüpft und Entscheidungen getroffen werden.
Andreas Leidloff, Itelligence, ...
...weiß aber auch, dass man nie sofort zum Geschäftlichen kommen sollte. Wichtig ist die Kunst, Umwege zu gehen, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren; sich Zeit zu lassen für wichtige Entscheidungen.
Nicht nur beim Einkaufen....
kommt man als Europäer ohne Chinesischkenntnisse schnell an seine Grenzen. Leidloff war überrascht, dass in der 16-Millionen-Metropole kaum Englisch gesprochen wird.
In Herrn Zhu...
...fand IT-Berater Leidloff dennoch einen guten Ansprechpartner. Von ihm lernt er jedes Mal etwas Neues über Tee - der Sprachbarriere zum Trotz.
Teetrinken als Oase in der Hektik des Shanghaier Alltags
Leidloff lernte etwa von Herrn Zhu, den Tee immer erste nach dem zweiten Aufguss zu trinken. Der erste Aufguss ist nur dazu da, die Blätter zu öffnen und dem tee die Bitterkeit zu entziehen.

Die Projektumfänge steigen

Im deutschsprachigen Raum beschäftigt Accenture rund 5500 Mitarbeiter, wovon die meisten im Bereich Technologie und IT-Consulting tätig sind. Mehrere hundert Stellen sind zurzeit offen. Neben einem Studium der Informatik, der Wirtschaftsinformatik, des Ingenieurwesens oder der Betriebswirtschaft sollten Bewerber Neugier mitbringen, belastbar, teamfähig, mobil und interkulturell interessiert sein. Dass Beratung beim Kunden vor Ort erbracht wird, versteht sich von selbst, deshalb ist Reisebereitschaft in diesem Job eine Notwendigkeit.

Wie in großen Beratungshäusern üblich, gibt es auch bei Accenture klar definierte Karrieremodelle. Doch im Gegensatz zu McKinsey und Co. wechseln in der IT-Beratung Mitarbeiter nicht so häufig zu Kunden. Mang begründet das mit deutlich längeren Projektlaufzeiten - im Durchschnitt dauern sie zwischen neun und 15 Monaten - und mit der notwendigen Erfahrung, die für IT-Beratung notwendig sei. Und die kommt erst mit den Jahren. Dennoch: Die wenigsten bleiben ihr ganzes Berufsleben bei Accenture. Manche wechseln zu Kunden, andere wollen nicht mehr so viel reisen. Ein Trend, den Mang seit einigen Jahren beobachtet, ist, dass die Projektumfänge steigen, weil Unternehmen nicht nur Teile, sondern komplexe Projekte an IT-Berater vergeben. Das mache den Job umso interessanter.

SAP-Berater in einem kleinen Consulting-Unternehmen

An spannenden Aufgaben mangelt es Daniel Titze (26) ebenfalls nicht. Er hat Wirtschaftsinformatik mit Bachelor-Abschluss studiert und bei einer Karrieremesse an der Fachhochschule Wedel das IT-Beratungshaus Innobis kennengelernt. Dort schrieb er seine Abschlussarbeit und ist geblieben. "Die Kollegen sind nett, die Projekte spannend, es gab keinen Grund, das Stellenangebot auszuschlagen." Seit September 2010 arbeitet Titze bei Innobis in Norderstedt. Das Unternehmen hat 40 Mitarbeiter, davon sind 30 IT-Berater. Die Norddeutschen sind spezialisiert auf die SAP-Beratung von Banken und Finanzdienstleistern. Dabei geht es weniger um die Einführung von SAP-Lösungen als beispielsweise um das Weiterentwickeln und Optimieren bestehender Systeme sowie um Outsourcing.

Titze hat zuletzt eine Schnittstelle entwickelt, um eine SAP-Anwendung mit einem Programm zu verbinden, mit dem gekündigte Darlehen verwaltet werden können. "Wir müssen uns mit Softwarearchitekturen auskennen, über die Abläufe in Banken Bescheid wissen, kreativ im Finden neuer Lösungen sein und zuhören können, um zu verstehen, was der Kunde erwartet", beschreibt er einige der Anforderungen in seinem Job. Titze hat in einem kleinen Beratungshaus angefangen, "weil bei uns jeder jeden kennt, es wenig Bürokratie gibt und alles unkompliziert und direkt funktioniert". Innobis-Vorstand Jörg Petersen würde "mindestens zehn weitere IT-Berater einstellen, wenn sie am Markt verfügbar wären".

Einstiegsgehälter bis 46.000 Euro

Ursula Glock, Kienbaum: "In der IT-Beratung wechseln Mitarbeiter nicht so häufig zum Kunden wie in der Strategieberatung."
Foto: Kienbaum

Dass IT-Berater gefragt sind, bestätigt auch Ursula Glock. Sie ist als Senior-Personalberaterin bei Kienbaum Executive Consultants in der Niederlassung Stuttgart für IT-Berufe zuständig. "Unsere Zielgruppe beginnt bei Projektleitern. Consultants sind eher die Ausnahme." Deren Einstiegsgehalt beziffert sie auf 40.000 bis 46.000 Euro, das von Projektleitern auf 80.000 bis 90.000 Euro - "und je nach Projektgröße auch deutlich darüber". Die Fluktuation ist auch nach ihren Angaben in der IT- nicht so hoch wie in der Strategieberatung. "Zu McKinsey und Boston Consulting gehen Mitarbeiter, um bei einem Kunden zu landen." Bei IT-Consultants sei das nicht der Fall, "sie haben Interesse an möglichst herausfordernden Projekten".

Beratergehälter nach Level
Beraterhonorare nach Berater-Level
Wieviel verdient ein Junior Consultant und wieviel ein Senior Manager? Eine Studie von PAC liefert die Berater-Honorare von 2011.
Beraterhonorare nach Berater-Level
Was kostet ein Junior Consultant und wieviel ein Senior Manager? Eine Studie von PAC liefert die Berater-Honorare von 2011.
Junior Consultant
0 bis 2 Jahre Beruferfahrung
Durchschnittlicher Honorarsatz: Junior Consultant
Preis pro Acht-Stunden-Tag ohne Nebenkosten.
Consultant
2 bis 3 Jahre Beruferfahrung
Durchschnittlicher Honorarsatz: Consultant
Preis pro Acht-Stunden-Tag ohne Nebenkosten.
Senior Consultant
3 bis 5 Jahre Beruferfahrung
Durchschnittlicher Honorarsatz: Senior Consultant
Preis pro Acht-Stunden-Tag ohne Nebenkosten.
Manager
5 bis 8 Jahre Beruferfahrung
Durchschnittlicher Honorarsatz: Manager
Preis pro Acht-Stunden-Tag ohne Nebenkosten.
Senior Manager
Über 8 Jahre Beruferfahrung
Durchschnittlicher Honorarsatz: Senior Manager
Preis pro Acht-Stunden-Tag ohne Nebenkosten.

Nach Schätzungen des Bitkom gibt es etwa 140.000 IT-Berater in Deutschland, und nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Lünendonk erwarten die führenden IT-Beratungsunternehmen hierzulande in den nächsten Jahren durchschnittliche Umsatzzuwächse im zweistelligen Prozentbereich. (hk)

Zwischen Softwareentwicklung und Strategieberatung gibt es Parallelen

Informatiker eignen sich gut für die Strategieberatung. Das liege an der Art ihrer Ausbildung, meint Stefan Salzer. Der Informatiker ist bei der Boston Consulting Group (BCG) Mitglied der Praxisgruppe Konsumgüter und Handel, außerdem als Recruiting-Direktor für die Einstellung von IT-Fachleuten zuständig.

CW: BCG veranstaltet im Juni einen Strategie-Workshop für Informatiker. Warum sollten Computerfachleute in die Strategieberatung gehen?

Stefan Salzer, Boston Consulting Group: "Wer Stabilität will, sollte nicht als Berater arbeiten."
Foto: Boston Consulting Group

SALZER: In vielen Projekten können Informatiker die Fähigkeiten, die sie im Studium erworben haben, anwenden, obwohl sie nichts mit einem IT-Thema zu tun haben. Informatiker können komplexe Inhalte strukturieren, abstrahieren und daraus konkrete Lösungen ableiten. Die Schritte, wie eine Software entwickelt wird, und eine Strategie, wie Unternehmen sich verbessern können, ähneln sich oft. Informatikern nützt in der Strategieberatung ihre Art, an Aufgaben heranzugehen, und ihre Kompetenz, Probleme strukturiert zu lösen.

CW: Verliert das Fachwissen aus dem Studium in der Strategieberatung an Bedeutung?

SALZER: Das detaillierte Fachwissen wird bei uns ebenso unbedeutend, wie es das in der IT-Branche wird, falls ein Informatiker dort arbeitet. So wie ich vor zehn Jahren im Studium programmieren gelernt habe, würde heute niemand mehr ein Programm schreiben. Als Berater spezialisiert man sich erst nach einiger Zeit, gleichzeitig nehmen Management- und Branchenwissen zu.

CW: Gibt es bei BCG überhaupt Projekte, in denen IT-Fachwissen vonnöten ist?

SALZER: Ja, denn wir bieten auch IT-Strategieberatung an, weil die IT eines Unternehmens strategisch geführt sein sollte. In diesen Fällen beraten wir in technischer Hinsicht und aus unternehmerischer Perspektive. Dadurch, dass die Teams bei BCG interdisziplinär zusammengesetzt sind, können wir solche Aufgaben lösen. Die Kombination macht`s aus.

CW: Bitte nennen Sie drei Charakterzüge, die ein Informatiker haben sollte, um in der Strategieberatung erfolgreich zu sein.

SALZER: Neugier, Begeisterungsfähigkeit sowie eine gesunde Portion Pragmatismus.

CW: Und wer eignet sich nicht für einen Job bei BCG?

SALZER: Jemand, der zu sehr auf Vorhersagbarkeit und Stabilität aus ist - also etwa den Wunsch verspürt, immer mit denselben Kollegen zusammenzuarbeiten. Wer das braucht, wird bei uns eher unglücklich werden. Informatiker, die programmieren wollen, sind bei uns ebenfalls fehl am Platz.

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