Nicht immer sofortiger Rauswurf angebracht

Anzüglichkeiten - vor Entlassung muss abgemahnt werden

02.08.2010 von Renate Oettinger
Auch bei einer Kündigung wegen sexueller Belästigung einer Mitarbeiterin ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
Quelle: Fotolia, Bozworthington
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Nach einem soeben vom Landesarbeitsgericht Hannover veröffentlichten Urteil hat bei sexuellen Belästigungen der Kündigung des Arbeitsverhältnisses - von Extremfällen abgesehen - regelmäßig eine Abmahnung vorauszugehen. Darauf verweist der Kölner Fachanwalt für Arbeitsrecht Frhr. Fenimore von Bredow, Leiter des Fachausschusses "Besondere Arten von Arbeitsverhältnissen" des VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart unter Hinweis auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hannover vom 13.10.2009, Az. 1 SA 832/09.

Der Fall

In dem Fall hatte ein langjährig auf einem Betriebshof einer Stadtverwaltung beschäftigter Gärtner gegenüber einer Leiharbeitnehmerin immer wieder sexuell anzügliche Bemerkungen gemacht, die schließlich ohne vorherige andere Maßnahmen, wie z. B. einer Abmahnung durch den Arbeitgeber, zu seiner Kündigung führten. Die hiergegen gerichtete Klage hatte auch in der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Hannover Erfolg, betont von Bredow.

Die Rechtslage

Nach den in § 12 Abs. 3 AGG übernommenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hat bei sexuellen Belästigungen der Kündigung des Arbeitsverhältnisses - von Extremfällen abgesehen - regelmäßig eine Abmahnung vorauszugehen. Sind mehrere Maßnahmen geeignet und möglich, die Benachteiligung infolge sexueller Belästigung für eine Arbeitnehmerin abzustellen, so hat der Arbeitgeber diejenige zu wählen, die den Täter am wenigsten belastet. Dies gilt umso mehr, wenn in der Dienststelle eine Dienstvereinbarung gilt, die gestufte Gegenmaßnahmen des Arbeitgebers für den Fall sexueller Belästigungen vorsieht.

Abmahnung nur in massiven Fällen entbehrlich

Sexuelle Belästigungen könnten zwar auch ohne Abmahnung eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung rechtfertigen. Dies setze allerdings massive sexuelle Belästigung in Wort und Tat oder ein zum Beispiel aus der Vorgesetztenstellung heraus erzwungenes sexuelles Entgegenkommen einen der untergebenden Personen voraus.

Hier habe sich das Verhalten jedoch nur auf eine Vielzahl wörtlicher sexueller Anzüglichkeiten beschränkt, die zwar ebenfalls einen Verstoß gegen arbeitsvertraglichen Pflichten gegenüber Arbeitskolleginnen und -kollegen darstellen. Der Arbeitgeber sein in diesen Fällen jedoch dann erst einmal gehalten, angemessene arbeitsrechtliche Maßnahmen zu erwägen, um weitere sexuelle Belästigungen zu unterbinden wie z. B. eine vorherige Abmahnung, Umsetzung oder Versetzung.

Von Bredow empfiehlt, dies zu beachten und bei aufkommenden Fragen dazu Rechtsrat in Anspruch zu nehmen, wobei er u. a. auch auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. (www.vdaa.de) verweist.

Weitere Informationen und Kontakt:

Frhr. Fenimore von Bredow, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Leiter des VdAA-Fachausschusses "Besondere Arten von Arbeitsverhältnissen", c/o Domernicht, v. Bredow, Wölke, Köln, Tel.: 0221 283040, E-Mail: v.bredow@dvbw-legal.de, Internet: www.dvbw-legal.de und www.vdaa.de.