Prognosen 2009, PAC

Anwender müssen innovativ sein

23.12.2008 von Christophe Châlons
Die deutsche IT-Szene hat ihre Lektionen aus der Dotcom-Krise gelernt, glaubt PAC-Geschäftsführer Christophe Ch"lons. Allerdings schalten die Verantwortlichen derzeit von Angriff auf Verteidigung.

Die internationale Finanzkrise hat auch die deutsche Wirtschaft erfasst, und das Bruttoinlandsprodukt wird 2009 im besten Fall stagnieren. Die Schwere und Dauer der Krise werden nicht zuletzt davon abhängen, mit welchen Maßnahmen und wie schnell die Regierungen die Wirtschaft stützen und wie sich die Banken in Bezug auf die generelle Kreditvergabe verhalten werden. Die Wirtschaftskrise hat natürlich auch Auswirkungen auf den IT-Markt, aber in welchem Ausmaß? Welche Segmente werden am stärksten betroffen sein beziehungsweise welche werden sogar von der Krise profitieren?

Der Wachstumsknick wird in den beiden kommenden Jahren nicht so heftig ausfallen wie in der Dotcom-Krise.
Foto: PAC

Zunächst einmal stellt sich die Frage, ob wir aus den letzten Krisen lernen können. Selbstverständlich können wir das, aber die Rahmenbedingungen sind sehr unterschiedlich. Der deutsche IT-Markt hat gerade vier nette Jahre hinter sich, allerdings blieben die Wachstumsraten weit unter dem Niveau der zweiten Hälfte der 90er Jahre. Darüber hinaus war die letzte Krise eine IT-Krise: das Platzen der E-Business-Blase war das Ende eines Traums, der sich auf die IT stützte. Es war die Zeit des "IT doesn't matter". In den Jahren 2004 bis 2008 wurden dann zahlreiche IT-Projekte gestartet, allerdings mit einem pragmatischen Ansatz und mit klar definierten RoI-Erwartungen und Business-Cases. Die Onshore-Tagessätze erholten sich geringfügig, allerdings führte der zunehmende Offshore-Anteil zu einer weiteren Reduzierung der durchschnittlichen Sätze.Vom Umfeld her ähnelt die jetzige Krise eigentlich eher der von 1992-1993. Damals erholte sich der IT-Markt ziemlich schnell, weil IT oft als Schlüssel zur Effizienz- und Produktivitätssteigerung gesehen wurde.

IT wird als strategisches Werkzeug anerkannt

Wie unterscheidet sich das heutige Umfeld noch von dem im Jahre 1992 beziehungsweise 2001? Die Rolle der IT als "Support" und sogar als "Enabler" für einzelne Prozesse und umso mehr für die Integration zwischen Prozessen und/oder Funktionen hat mit Konzepten wie ERP, später SCM, CRM, PLM oder E-Business sowie EAI und SOA, deutlich zugenommen. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre mündeten zahlreiche, meistens mit übertriebenen Erwartungen verbundene Investitionen in bittere Enttäuschungen, weil Unternehmen eine Software-Implementierung als die Lösung all ihrer Probleme sahen und den dazugehörigen Aufwand zur Anpassung der Prozesse unterschätzten. Inzwischen werden aber alle oben genannten Themen nicht nur akzeptiert, sondern mittlerweile von den CXOs als strategische Werkzeuge gesehen, um die Performance einer Firma zu erhöhen. Damit stellt die IT einen unerlässlichen Erfolgsfaktor dar, und die zahlreichen Compliance-Vorgaben verstärken noch einmal die Notwendigkeit einer verlässlichen IT. Kurz: "IT matters. Definitely today!"

Christophe Ch"lons, Geschäftsführer PAC: "Kostensenkung und Effizienzsteigerung reichen nicht aus, um eine langfristige Verbesserung der Performance einer Firma zu gewährleisten. Um erfolgreich zu sein, muss eine Firma innovativ sein."

Die Krise wird die grundsätzlichen Herausforderungen an die Firmen und deren IT nicht wesentlich verändern. Die Bedeutung von Kostensenkung und Effizienzsteigerung (für alle Prozesse und Funktionen), Globalisierung (verstärkten Wettbewerb einerseits, neue Märkte und Produktionsstandorte andererseits), Flexibilität und Agilität sowie Fusionen und Übernahmen wird eher zu- als abnehmen. Diese Themen verlangen einen erheblichen Beitrag der IT und stellen gleichzeitig Herausforderungen an die IT selbst dar. Eine weitere Lektion aus der "Post-E-Business-Krise": Kostensenkung und Effizienzsteigerung (sowohl auf Prozess- wie auf IT-Ebene) reichen nicht aus, um eine langfristige Verbesserung der Performance einer Firma zu gewährleisten. Um erfolgreich zu sein, muss eine Firma innovativ sein. Und auch hier hat sich der Einsatz der IT mittlerweile zu einem kritischen Erfolgsfaktor entwickelt, einerseits als Werkzeug zur Produktentwicklung (zum Beispiel PLM und Collaboration), andererseits als integraler Bestandteil neuer Produkte und Dienstleistungen (zum Beispiel Embedded-Systeme und E-Business).

Firmen schalten von Angriff auf Verteidigung

Jedoch verändert sich die strategische Grundeinstellung der Firmen in der momentanen Krise von "Angriff" auf "Verteidigung". Dadurch werden sich die meisten Unternehmen vermehrt auf die Optimierung des Portfolios, der Prozesse, des Einsatzes der Mitarbeiter und auf Kundenbindungsmaßnahmen (einschließlich Ausschöpfung des Cross-Selling-Potenzials) fokussieren. Für die meisten Unternehmen bedeutet die Krise geringere Einnahmen und damit geringere Investitionen sowie schließlich einen stärkeren Fokus auf einen kurzfristigen RoI.

Die Investment-Banker und die Automobilbranche streichen ihre IT-Budgets im Zuge der Krise am stärksten zusammen.
Foto: PAC

Diese Trends werden sich auch auf die IT-Investitionen auswirken, jedoch erwarten wir keinen dramatischen Rückgang wie in den Jahren 2001 bis 2003. Zwar werden die meisten Investitionsvorhaben und sogar laufende Projekte in Frage gestellt werden, was wiederum zu zahlreichen Projektstopps und -Verschiebungen führen wird. Man darf aber nicht vergessen, dass eine Krise oft eine einzigartige Gelegenheit insbesondere für Großunternehmen darstellt, "heilige Kühe zu schlachten" und damit in guten Zeiten unantastbare Unternehmensabläufe, Systeme und Organisationen gegebenenfalls radikal zu modernisieren. Letztendlich erwarten wir keinen so dramatischen Preiseinbruch wie in der letzten Krise: Die Tagessätze haben sich zwar leicht erholt, konnten aber nicht mit den letzten Lohnerhöhungen mithalten, und das wissen die Anwenderunternehmen. Trotzdem nützen gerade Großunternehmen die Marktlage, um den Druck auf Ihre IT-Partner zu erhöhen. Eine übertriebene Beschleunigung des Offshoring-Trends ist ebenfalls nicht zu erwarten: Auch hier wissen die CIOs mittlerweile, dass Offshoring ein langfristiger Prozess ist.

IT-Ausgaben werden bis 2010 stagnieren

PAC erwartet eine Stagnation der gesamten IT-Ausgaben in den Jahren 2009 und 2010 (ein bis zwei Prozent Wachstum in nominaler Währung) aber dennoch eine geringe Zunahme der Software- und IT-Services-Ausgaben (um drei bis vier Prozent insgesamt, ohne Outsourcing um 1,5 bis drei Prozent).

Welche Segmente werden am geringsten von der Krise betroffen sein oder sogar von der Krise profitieren?

  1. Outsourcing, Sourcing-Modelle, strategische Partnerschaften und Globalisierung: Die Krise wird den Trend zum Outsourcing in all seinen Formen (Infrastructure Outsourcing, Application Management, BPO, SaaS) verstärken. Allerdings setzt die Krise das Bestandsgeschäft stark unter Druck (in Bezug auf Preise und Volumina, bis hin zur Insolvenz einzelner Kunden). Darüber hinaus führt die rapide Veränderung des Wirtschaftsumfelds zu einer Verzögerung der Abschlüsse. Anwenderunternehmen werden auch weiterhin ihre Sourcing-Modelle optimieren. Oft führt dies zu einer reduzierten Anzahl von IT-Partnern - auch wenn einige Unternehmen gerade merken, dass sie bereits zu weit gegangen sind. Global agierende Anbieter mit Offshore-Fähigkeiten werden zunehmend bevorzugt.

  2. Collaboration und Workflow (innerhalb sowie zwischen Unternehmen), Prozessintegration, Prozessharmonisierung, Prozessoptimierung, Prozessautomatisierung: Diese Trends wirken sich auf nahezu alle Prozesse aus, von der Entwicklung (unter anderem PLM) über Produktion (unter anderem MES, Digital Factory) und Logistik (SCM) bis hin zum Vertrieb und Kundenservice (CRM, MRO).

  3. Risk Management, Compliance, Performance Management: Die Krise verlangt eine noch schnellere Reaktionsfähigkeit der Anwenderunternehmen, die insbesondere durch eine optimierte Bereitstellung der Informationen ermöglicht und vor allem durch sinnvolle Assoziationen von Informationen verstärkt wird.

  4. Rationalisierung, Konsolidierung, Flexibilisierung der IT-Landschaft: Die Strategien in diesem Umfeld müssen weiterhin implementiert werden. Jedoch werden sich einige Vorhaben verzögern.

  5. Innovation und neue Technologien: Das Thema Innovation wird zwar pragmatischer, aber trotzdem weiterhin konsequent angegangen. Hierbei geht es um Prozesseffizienz aber auch um attraktive Produkte und kundenfreundlichen Service.

Letztendlich darf man nicht vergessen, dass industriespezifische Themen weiterhin mehr als 50 Prozent der IT-Ausgaben generieren. Und gerade in diesem strategischen Umfeld steckt ein erhebliches Optimierungspotenzial, das gerade in Krisenzeiten angegangen wird. Um nur ein paar vertikale Themen zu nennen, die in den kommenden Monaten für Wachstum sorgen werden: Solvency II und die Umstellung auf kundenzentrische Versicherungssysteme in der Versicherungsbranche, Warenwirtschaft und E-Commerce im Handel, Embedded-Systeme im Antriebsumfeld, MES, MRO und REACH in der Industrie, Basel II, die Abgeltungssteuer und Kundenbindungssysteme bei Banken, die Gesundheitskarte im Gesundheitswesen, die Umstellung auf digitale Produktion in der Medienbranche, Anreizregulierung und Entflechtung bei den Energieversorgern.