Nutzen von PPS-Systemen untersucht

Anwender erwarten oft zu viel

31.01.2003 von von Wolf-Michael
Wettbewerbsvorteile sollen sie verschaffen, Kosten sparen und die Produktion insgesamt verschlanken. Doch eine eingebaute Erfolgsgarantie können Systeme zur Planung und Steuerung der Produktion nicht geben.

„RÜCKBLICKEND betrachtet, würde ich unsere internen Verantwortungsstrukturen exakter definieren, um den Zeitraum zwischen Einführung und Echtbetrieb zu verkürzen“, so das Fazit von Christian Tipecska, geschäftsführender Gesellschafter der Tipecska Maschinenbau GmbH. Seit August 1998 läuft das PPS-System (Produktionsplanung und -steuerung) von Tornado Systems beim Spezialmaschinenbauer mit Sitz in Murnau produktiv. Insgesamt ist Tipecska sehr zufrieden, wurden doch seine Erwartungen hinsichtlich Nutzen und Qualität des PPS-Systems übertroffen. Und auch der Kostenrahmen wurde eingehalten. Für die neunmonatige Dauer der Einführungsphase bis zum Echtbetrieb führt er interne Gründe an. Zehn PPS-Arbeitsplätze wurden eingerichtet, insgesamt beschäftigt das Unternehmen 70 Mitarbeiter

Leider gibt es nicht nur Beispiele für gelungene PPS-Einführungen. Am anderen Ende der Skala etwa steht das Unternehmen Daum + Partner, das 33 Mitarbeiter beschäftigt und sein PPS-System von Impress gekauft hat. Außer bei den Kosten und den von Impress geleisteten Servicediensten blieben alle Erwartungen von Michael Daum, Sohn des geschäftsführenden Gesellschafters des Maschinenbauers aus Aichstetten, unerfüllt. Dennoch sieht er sich selbst in der Verantwortung. „Aus heutiger Sicht betrachtet, hätten wir das Anforderungsprofil ganz anders gestalten müssen.

Verantwortung der Anwender

Auch das Konzept für die internen Anwenderschulungen hätte anders aussehen müssen. Dann wäre sicherlich bei der Systemauswahl unsere Entscheidung anders ausgefallen, und die Einführungszeit von insgesamt 24 Monaten wäre wesentlich kürzer gewesen“, so Daums Resümee.

Gerade diese Extrembeispiele machen deutlich, wie hoch der Anteil der Anwender selbst am Erfolg oder Misserfolg von PPS-Systemen ist - und das trotz aller werbewirksamer Beratungskompetenz der Anbieter. Offensichtlich hat sich an diesem Zusammenhang seit 1999 nicht viel geändert. Bereits damals wurde er in einer Studie herausgearbeitet, die vom Institut für rechnerunterstützte Produktion (IRP) an der Technischen Universität Ilmenau gemeinsam mit der Gesellschaft für integrierte rechnerunterstützte Produktion e.V. veröffentlicht wurde. „Das besondere Problem der Anforderungen an PPS-Systeme in kleinen Unternehmen liegt in der Diskrepanz zwischen den hohen funktionalen Anforderungen oder Erwartungen und den tatsächlichen Realisierungsmöglichkeiten.“ Mittelständische Unternehmen verfügen in der Regel weder über die finanziellen noch über die personellen Ressourcen, um alle Erwartungen zu erfüllen.

Termintreue gilt als das oberste Ziel

Eine Blitzumfrage der Autoren in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsunternehmen Trovarit, das sich auf Beratungsleistungen rund um das Thema Auswahl von Softwarelösungen für Unternehmen spezialisiert hat, lässt vermuten, dass diese Diskrepanz weiter besteht. Befragt wurden insgesamt 27 mittelständische Unternehmen. Die Anzahl der Mitarbeiter variiert von 33 bis insgesamt 250, die Zahl der PPS-Arbeitsplätze von zehn bis 45.

Auch heute steht das Ziel Termintreue als Resultat der Einführung von PPS-Systemen ganz oben auf der Prioritätenliste. Das ist eine Anforderung des Absatzmarktes, erst dahinter rangieren die von den Herstellern gerne betonten wirtschaftlichen Vorteile wie höhere Kapazitätsauslastung, geringere Durchlaufzeiten und Bestandssenkung. Während die Blitzumfrage bestätigen kann, dass die Erwartungen an die Termintreue im Schnitt erfüllt werden, schneiden die PPS-Systeme bei den anderen Faktoren besser ab als erwartet. Das liegt daran, dass hier die Erwartungen der Anwender subjektiv geringer sind. Frappierend allerdings ist, dass die zweite Anforderung des Absatzmarktes nicht erfüllt wird: Die realen Steigerungen bei der Flexibilisierung der Steuerung von Produktionsabläufen bleiben weiterhin hinter den Erwartungen zurück. Kein Wunder also, dass nur drei der fünf betrachteten Unternehmen mit dem gewählten PPS-System und dem damit generierten Nutzen

zufrieden sind. Hersteller und ihre Produkte werden aber nicht automatisch in einen Topf geworfen. Denn die Anbieter konnten den Budgetrahmen in allen fünf Fällen einhalten. Folglich zeigen sich vier von fünf Unternehmen mit dem PPS-Hersteller zufrieden. Auch hier wird die interne Verantwortung für den Erfolg von PPS-Systemen deutlich.

Zwischen der Entscheidung für ein PPS-System und dem Echtbetrieb liegen der Blitzumfrage zufolge im Schnitt 14,4 Monate. Allerdings spiegeln sich darin hohe Schwankungen wider. Während die Phase der Systemauswahl bei allen Befragten mit drei bis vier Monaten nahezu gleich lang dauert, sieht es bei den Phasen „Problembewusstsein“ und „Einführung bis Echtbetrieb“ ganz anders aus.

Falsches Anforderungsprofil kostet Zeit und Geld

Für die Mehrzahl der mittelständischen Produktionsbetriebe scheint die Grundsatzfrage, ob überhaupt ein PPS-System nötig ist, schon nach kurzer Zeit mit Ja beantwortet zu sein. Nur ein einziges Unternehmen gab an, sich mit der Antwort auf diese Frage acht Monate Zeit gelassen zu haben. Andererseits kann die Einführungsphase zwischen einem und 24 Monaten liegen. Lange Einführungszeiten lassen sich jedoch nicht automatisch auf das Versagen der PPSHersteller oder ihrer Systeme zurückführen. Vielmehr wirken sich die Fehler, die bei der Systemauswahl und bei der Erstellung des Anforderungsprofils gemacht wurden, vor allem in der Implementierungsphase aus - zum Nachteil der Anwender natürlich.

Auch bei den Kosten ergeben sich deutliche Schwankungen. Der Umfrage zufolge kostet die Einrichtung eines PPS-Arbeitsplatzes von der Entscheidungsfindung bis zum Echtbetrieb zwischen 4445 und 10 200 Euro. Sicher ist, dass die reinen Softwarekosten neben den Aufwendungen für die Einführungsunterstützung die beiden größten Kostenblöcke darstellen. Die Kosten für Hardware und PPS-Vorbereitungen fallen demgegenüber weniger stark ins Gewicht. Die Aufwendungen für Einführungsunterstützung setzen sich aus den Kategorien Schulungen, Tests, Anpassungen der Listen und Belege, Datenübernahme und Individualprogrammierung zusammen. Mehr als 90 Prozent dieser Kosten entfallen dabei allein auf Schulungen und Tests.

Die Frage, ob externe Berater die Einführungszeiten und die Gesamtkosten des Projekts reduzieren können, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Die befragten Unternehmen gingen hier sehr individuelle Wege. Das Modell, praktisch ausschließlich auf das interne Know-how zurückzugreifen, findet sich ebenso wie die konsequente Nutzung externen Wissens. Allerdings wäre auch der Umkehrschluss falsch, dass externe Beratung nur kostet und wenig bringt. Vielmehr kann diese Frage nur individuell beantwortet werden. (uk)

* Prof. Dr.-Ing. Wolf-Michael Scheid ist Professor am Institut für rechnergestütze Produktion an der TU Ilmenau. Marcus Ehrenwirth ist freier Journalist in Augsburg.