IT-Berater - nein, danke!

Anwender bevorzugt: Warum SAP-Profis die Seiten wechseln

23.09.2010 von Winfried Gertz
IT-Dienstleister können sich nicht mehr darauf verlassen, dass SAP-Berater bei ihnen arbeiten wollen. Anwender bieten inzwischen ebenso interessante Jobs.

Markus Pfaffinger ist SAP-Berater. Mit seinem beruflichen Profil und den bisher erworbenen Kompetenzen zählt er zu den Begehrten des IT-Arbeitsmarktes. Fachkräfte wie er, die sich mit der Software des weltweit führenden Anbieters von betriebswirtschaftlichen Lösungen auskennen, können sich die besten Jobs aussuchen. Den Arbeitsvertrag bei der Allianz Common Applications and Services GmbH (Acas) unterschrieb der einstige Capgemini-Consultant, weil der Konzern ihm zusätzlich zum attraktiven Gehalt weitere Argumente lieferte, die für einen Wechsel sprachen, wie interessante Weiterbildungskurse und gute Aufstiegsperspektiven.

Markus Pfaffinger, Allianz: 'Der Lifestyle des Consultants fordert seinen Tribut.'
Foto: Markus Pfaffinger, Allianz

Ob Versicherungen oder Stahlgiganten, Markenartikler oder erfolgreiche Mittelständler - Anwenderunternehmen werden zunehmend attraktiv für SAP-Berater. Irgendwann, wenn sie das dreißigste Lebensjahr hinter sich und das Leben aus dem Koffer satt haben, entdecken sie die Vorteile solcher Unternehmen. "Der Lifestyle des Consultant fordert seinen Tribut", bekennt Pfaffinger. "Die Attraktivität eines Lebens in Vier-Sterne-Hotels verblasst, wenn man nie zu Hause ist."

Dass die Reisebereitschaft mit den Berufsjahren erheblich abnimmt, beobachtet auch der Kölner Personalberater und Ex-Personalchef von Web.de, André Häusling. Deshalb empfiehlt er, "gleich beim Anwender zu arbeiten. Das wirkt sich auch positiv aufs Familienleben aus." Reisebereitschaft sei immer ein "Knackpunkt", wenn Häusling mal wieder einen SAP-Experten für eine offene Stelle sucht. Stets unterwegs zu sein, weg von zu Hause - aus dieser Tretmühle wollen immer mehr Berater heraus und stellen sich dann zum Beispiel beim Wäschefabrikanten Triumph in München vor. "Wer von einem Dienstleister kommt", sagt deren Personal-Managerin Gisela Zölch, "möchte in der Regel nur noch für eine Firma tätig sein und weniger reisen."

Thomas Peetz, Triumph: 'Ein junger Familienvater muss nur in Ausnahmefällen reisen.'
Foto: Thomas Peetz, Triumph

Dabei verlangt Triumph, das weltweit rund 40.000 Mitarbeiter beschäftigt und immerhin auf 125 Jahre Unternehmensgeschichte zurückblicken kann, auch seinen SAP-Profis eine gewisse Mobilität ab. Steht etwa ein Roll-out in China oder Indien an, sind IT-Experten hin und wieder für einige Wochen unterwegs. "Dabei können wir aber gut auf individuelle Umstände eingehen", sagt Thomas Peetz, der das SAP Competence Center mit etwa 100 Mitarbeitern in München und Hongkong leitet. "Meist stellen wir die Teams so zusammen, dass zum Beispiel ein junger Familienvater seinen Wohnort nicht oder nur in Ausnahmefällen verlassen muss."

Anwender punkten mit spannenden Projekten

Am Standort München, das meistens auch für den Lebenspartner gute berufliche Perspektiven eröffnet, punktet Triumph vor allem dank interessanter Projekte wie etwa der Einführung einer CRM-Anwendung. Laut Peetz will man Konsumentendaten gezielt für Marketing-Aktionen wie etwa Bonuspunkte einsetzen und Zielgruppen in Kampagnen "treffsicherer" ansprechen können - Aufgaben, die in erster Linie SAP-Profis reizen dürften, die das SAP-Branchenmodul AFS beherrschen. Triumph leitet die europäische AFS User Group, in der sich Firmen wie Hugo Boss, Adidas oder Tommy Hilfiger regelmäßig treffen und sich mit SAP über Entwicklungsanforderungen abstimmen. "Im Gegenzug bekommen wir aus Walldorf Informationen zu technischen Entwicklungen und neuen Releases", stellt Peetz die Sonderstellung seines Arbeitgebers heraus.

Damit spricht der Münchner einen wunden Punkt an. Oft fürchten SAP-Experten, beim Anwender technologisch abgehängt zu werden. Unsinn, meint Frank Wiemer, IT-Vorstand der Kölner Rewe-Gruppe. Das SAP-Umfeld in seinem Haus sei up to date. "Wir setzen in der Entwicklung auf Netweaver mit Webdynpro-Entwicklung und sind auch mit den ERP- und BW-Systemen auf dem neuesten Stand." Regelmäßig fänden Inhouse-Schulungen statt, die speziell auf die Belange von Rewe zugeschnitten seien.

Dass es beim Anwender weniger innovativ zugehe, kann auch Pfaffinger nicht bestätigen. Im Gegenteil, meint der Spezialist für die SAP-Module SRM und MM: Er selbst versteht sich als treibende Kraft, um sein Umfeld auf Neuerungen aufmerksam zu machen. "Die IT muss immer vorangehen und die Fachbereiche hinsichtlich Innovationen und neuen Technologien beraten", lautet sein berufliches Selbstverständnis.

Pfaffinger ist zuversichtlich, bei der Allianz voranzukommen. "Beim Dienstleister gelingt mir das als Berater nur, wenn ich verkaufe." Jetzt hingegen investiert sein Arbeitgeber von vornherein in seine Weiterentwicklung mit der Perspektive, aus ihm eine Führungskraft zu machen.

Eine ganze Liste von attraktiven Arbeitgebern aus dem Kreis der Anwender hat Ralf Breitenfeldt aufgestellt. Er ist seit vielen Jahren als Personalberater auf den SAP-Arbeitsmarkt spezialisiert und hat vor wenigen Wochen die Allfield GmbH in München gegründet. Die Motivation, bei einem Anwender zu arbeiten, lässt sich für Breitenfeldt von der Aufgabenvielfalt und dem Anforderungsniveau ableiten. "SAP-Profis wollen von Anfang an dabei sein und später miterleben, was aus ihren Projekten wird."

Auch beim Gehalt können Anwender mithalten. SAP-Experten erzielen unverändert das höchste Gehaltsniveau in der IT-Arbeitswelt. Nicht nur Breitenfeldt beobachtet, dass sich die Schere zwischen Dienstleistern und Anwendern schließt. Was Beratungshäuser früher für "entgangene Work-Life-Balance" mehr zahlten, machen inzwischen immer mehr Anwender durch kräftige Aufschläge wett. Laut dem Nürnberger Personalberater Werner von Beyer zahlten Anwender teilweise sogar mehr als Dienstleister, "deren Tagessätze kontinuierlich sinken".

Keine Frage, aus Sicht der nach der Krise wieder heftig umworbenen SAP-Spezialisten haben sich Anwender zu einer ernst zu nehmenden beruflichen Alternative gemausert. "Wir sind Ansprechpartner für die Fachabteilungen, wenn es darum geht, Geschäftsprozesse zu verbessern", stellt Peetz ein weiteres Argument der Anwenderunternehmen gegenüber SAP-Beratungshäusern heraus.