Alles über Netweaver: Was die Plattform wirklich bietet

03.04.2007 von Carl Winter
SAPs Netweaver ist Dreh- und Angelpunkt für die Enterprise Service-oriented Architecture (E-SOA). Vielen Anwendern ist jedoch nach wie vor nicht klar, welche Möglichkeiten die Integrationsplattform bietet. Von Carl Winter*

SAP nähert sich seinen Zielen. Wie 2003 geplant, soll in diesem Jahr die SOA-Roadmap abgeschlossen werden. Bis Ende 2007 soll die gesamte Suite Service-fähig sein. Wie jüngste Umfragen seitens der Anwendergruppen ergeben haben, freunden sich auch die Nutzer langsam mit der neuen SAP-Welt an, wenn auch vornehmlich aus rein monetären Gründen. Demnach migrieren fast die Hälfte der Firmen nur deshalb von R/3 auf Mysap, um den steigenden Wartungsgebühren zu entgehen. 38 Prozent erhoffen sich von dem Umstieg mehr Funktionen, und nur sechs Prozent der Anwender wechseln auf die neue Technik, um SAPs E-SOA-Technik zu nutzen. Noch haben die Anwender viele Fragen, wie der Umstieg auf die schöne neue Softwarewelt zu bewerkstelligen ist und was er bringen soll.

Welche SAP-Produkt-Versionen und SAP-Releases gehören und passen zusammen?

"Mysap ERP 2004" war die erste Version aus SAPs Mysap-ERP-Serie. Funktionales Herzstück des Systems war die "ERP Central Component" (ECC), Version 5.0. Die Szenarien dieser Version waren die ersten, die auf SAP Netweaver-Technik beruhten. Mysap ERP 2004 umfasste die SAP Netweaver-Komponenten "SAP Application Server", "SAP Enterprise Portal", "SAP Business Information Warehouse", "SAP Exchange Infrastructure", "SAP Master Data Management" sowie "SAP Mobile Infrastructure".

Im Jahr 2006 erschien das aktuelle Release "Mysap ERP 2005" mit der "ECC 6.0". Diese Version basiert auf "SAP Netweaver 04s". Mit SAP Mysap ERP 2005 und SAP Netweaver 04s hat sich die SAP weitgehend von ehemaligen Produkten wie dem SAP Enterprise Portal gelöst. Der Fokus liegt nun auf den Unternehmensprozessen und IT-Szenarien, die Anwender mit Hilfe der SAP Netweaver-Komponenten umsetzen können. Für das Jahr 2008 ist eine neue Netweaver-Version geplant. Der Nachfolger von Mysap ERP soll im Jahr 2010 erscheinen.

Wie hängen Enterprise Service-oriented Architecture (E-SOA) und SAP Netweaver im Rahmen der Business Process Platform (BPP) zusammen?

Globalisierung, stärkerer Wettbewerbsdruck und immer neue Anforderungen des Marktes zwingen Unternehmen, ihre Prozesse laufend zu verbessern und sich den wechselnden Geschäftsbedingungen anzupassen. Dazu benötigen die Firmen eine flexiblere IT-Infrastruktur anstelle der herkömmlichen, eher statisch ausgerichteten Client-Server-Architektur. SAP verspricht mit Netweaver beziehungsweise der Enterprise Service-oriented Architecture den Anwendern Funktionen, um sich auf die gesteigerten Anforderungen des Marktes einstellen zu können.

Netweaver und deren Komponenten bilden die technische Grundlage für den Aufbau einer E-SOA. Die Business Process Platform wird Standardkonzepte der E-SOA und des Business Process Management (BPM) umsetzen. Sie soll die technische Infrastruktur bilden sowie vordefinierte Komponenten für Geschäftsprozesse enthalten.

Hier lesen Sie ...

  • was Anwender bei der Implementierung von Netweaver beachten sollten;

  • wie die verschiedenen E-SOA-Komponenten der SAP zusammenhängen;

  • welche Vorteile Unternehmen aus einer SOA-Strategie ziehen können.

Was sind die Grenzen von SAP Netweaver und E-SOA?

Die Grenzen für Netweaver bestimmt in erster Linie der ausgelieferte Funktionsumfang. Mit den Netweaver-Komponenten lassen sich SAP zufolge die Rahmenbedingungen für E-SOA schaffen. Die Anzahl der verfügbaren Enterprise Services ist jedoch noch gering. Weitere Servicedefinitionen will SAP allerdings mit den künftigen Erweiterungspaketen, den "Enhancement Packages", zu ERP 2005 ausliefern.

Eine weitere Grenze für den Netweaver-Einsatz bildet das Fehlen von Werkzeugen und Konzepten, die zum Betrieb einer E-SOA notwendig sind. Derzeit ist das systemübergreifende Monitoring beziehungsweise das Monitoring der implementierten Business-Prozesse nur rudimentär möglich. In diesem Bereich sind deutliche Verbesserungen notwendig, um den Unternehmen einen zuverlässigen Betrieb einer E-SOA-Landschaft zu ermöglichen.

Was für Möglichkeiten für die Abbildung von Geschäftsprozessen ergeben sich durch die neue Technologieplattform SAP Netweaver und damit verbunden durch eine E-SOA?

Mit Netweaver sollen Unternehmen SAP zufolge in die Lage versetzt werden, ihre Geschäftsprozesse flexibler und standardisiert abzubilden. Sie könnten verschiedene Portale und Integrationsszenarien, um Geschäftsprozesse technisch umzusetzen, innerhalb einer Standardumgebung mit vordefinierten Szenarien implementieren.

Für wen ist SAP Netweaver ein Thema? Nur für die SAP-Basis, für die gesamte IT, für das gesamte Unternehmen?

SAP Netweaver und E-SOA sollten auch für die Unternehmens- und Geschäftsführung ein Thema sein. Denn mit Netweaver ändern sich nicht nur IT-Prozesse. Die SAP-Lösung hat darüber hinaus Einfluss auf das gesamte Unternehmen und auf die Zusammenarbeit mit Lieferanten und Kunden, da sämtliche Unternehmensprozesse entlang der Wertschöpfungskette betroffen sind.

Wann sollten sich Unternehmen mit dem Thema SAP Netweaver und E-SOA beschäftigen?

SAP-Anwender sollten bereits heute die Weichen für den Übergang auf die E-SOA stellen. Diese werde laut den SAP-Plänen ein essenzieller Bestandteil der zukünftigen Unternehmens- und IT-Strategie sein. Allerdings müssen die Unternehmen diesen Übergang sorgfältig planen. Die Umstellung auf die neuen Service-orientierten Architekturen ist kein einfaches Upgrade, sondern ein Entwicklungsprozess, der in mehreren Schritten erfolgen sollte.

Bereits heute könnten Firmen jedoch beginnen, abgegrenzte Projekte auf E-SOA auszurichten. Diese bleiben in einem überschaubaren Rahmen und bringen ersten Business-Nutzen. So können Unternehmen ihre gesamte Organisation schrittweise vorbereiten und frühzeitig die Richtung für E-SOA vorgeben.

Mit einer frühen Vorbereitung auf E-SOA und ersten Projekten lassen sich Prozesse flexibilisieren und Kosten einsparen.

Wie muss eine Kostenbetrachtung von SAP Netweaver aussehen?

Foto: Realtech

Die isolierte Betrachtung der IT-Betriebskosten reicht nicht mehr aus, um den Return on Investment (RoI) eines SAP-Netweaver-Projekts zu analysieren. Für eine angemessene Kostenbetrachtung müssen Unternehmen ihren Blickwinkel ändern. Für die RoI-Analyse darf man nicht nur die reinen Systemkosten heranziehen, sondern muss auch die Kosten der Unternehmensprozesse analysieren.

SAP Netweaver ist die technische Basis für E-SOA. Wie bildet man mittels der SAP Netweaver-Komponenten einen Geschäftsprozess ab?

Mit Mysap ERP 2005 hat SAP die ersten 500 Enterprise Services als Teil des SAP-Standards ausgeliefert. Weitere Services folgen mit den Enhancement Packages zu Mysap ERP 2005. Auf diesen aufbauend, können Unternehmen ihre Geschäftsprozesse Service-orientiert darstellen. Zusätzlich können sie über die Netweaver-Technik weitere Enterprise Services erstellen und so ihre spezifischen Anforderungen exakt abbilden.

Das Upgrade von SAP R/3 4.6c beziehungsweise Enterprise 4.70 auf ERP 2005 bringt, entsprechend den Master- und Upgrade-Guides der SAP, große Architekturwechsel mit sich. Was sind die Gründe dafür, und welche Folgen hat das für IT und Anwender?

E-SOA erfordert eine neue Prozessschicht, die die verschiedenen Integrations-Dimensionen auf Anwendungs-, Prozess- und Programmebene unterstützt. Eine Folge davon ist, dass die Komplexität der SAP-Landschaft zunimmt. Unternehmen müssen deshalb bestehende IT-Prozesse und -Konzepte neu entwerfen, sich in die neuen Komponenten und Techniken einarbeiten und zugleich die Betriebsabläufe überdenken. So passen beispielsweise bisher verwendete Service Level Agreements nicht mehr auf eine E-SOA. Wo ehemals die Verfügbarkeit einzelner Systeme und Systemverbünde im Vordergrund stand, rückt nun die systemübergreifende Prozessverfügbarkeit in den Blickpunkt.

Kann man das Upgrade auf Mysap ERP 2005 auch ohne Einführung der neuen SAP-Netweaver-Komponenten abwickeln?

Der Upgrade der ERP-Vorgängerversionen auf ECC 6.0 ist zunächst eine rein technische Umstellung. Untersuchungen der DSAG (Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe) und ASUG (Americas SAP Users Group) haben ergeben, dass ein Großteil der abgeschlossenen oder geplanten Upgrades zunächst keinen funktionalen Hintergrund hat. Soll nach dem Upgrade der Funktionsumfang von ECC 6.0 nicht erweitert werden, müssen Anwender auch keine Netweaver-Komponenten einführen.

Welche Möglichkeiten haben SAP-Kunden, SAP Netweaver einzuführen? Welche Herangehensweise ist sinnvoll, und welche Risiken verbergen sich dahinter?

Vor allem vor dem Hintergrund knapper IT-Budgets ist das Upgrade des ERP-Systems auf Mysap ERP 2005 gebräuchliche. Diese ist jedoch nur dann umsetzbar, wenn keine IT-Projekte anstehen, für deren Realisierung Anwender bald SAP-Netweaver-Komponenten benötigen.

Der ideale Einstieg für Unternehmen, die bereits konkrete Anforderungen an SAP Netweaver haben, liegt in der Einführung einer dedizierten SAP-Netweaver-Komponente. Durch ein in sich abgeschlossenes Projekt ist es möglich, die Software schrittweise und projektbezogen zu implementieren. In Einzelfällen kann es notwendig werden, dass SAP-R/3-spezifische Eigenentwicklungen und Anwendungen programmiert werden müssen. Diese haben die Aufgabe, die Kompatibilität zwischen unterschiedlichen Release-Ständen herzustellen. Im Hinblick auf zukünftige Projekte sollten diese System-Modifikationen nicht zu umfangreich werden, da sie im weiteren Projektverlauf Anpassungen erforderlich machen. Bevor Anwender diese spezifischen Lösungen entwickeln, sollten sie eine E-SOA-Roadmap erstellen, um frühzeitig bewerten zu können, wie sich diese Modifikationen auswirken werden und welcher Anpassungsaufwand entsteht.

Eine dritte Möglichkeit, Netweaver ins Unternehmen zu bringen, liegt in der direkten Abbildung eines abgeschlossenen Prozesses wie beispielsweise "Order-to-Cash" über Enterprise Services. Aufgrund des damit verbundenen Aufwands ist dies jedoch meist nur für große Unternehmen mit entsprechend schlagkräftiger IT-Abteilung möglich.

Was sind die Voraussetzungen für den Einstieg in die SAP-Netweaver-Welt?

Unabhängig von der Art des Einstiegs sollten Unternehmen fünf Schritte tun, um insbesondere die IT auf Netweaver vorzubereiten:

Wenn Unternehmen diese fünf Punkte abarbeiten, dann sollten sich Netweaver und die damit verbundene E-SOA erfolgreich einführen lassen.

Was versteht man unter den SAP-Netweaver Integrated Services?

Neben den Grundkomponenten des Netweaver-Stacks bietet SAP weitere Funktionen an, die sich unter dem Begriff "Netweaver Integrated Services" zusammenfassen lassen.

Hierbei handelt es sich um Funktionen und SAP-Produkte, die den Betrieb einer Netweaver-Landschaft beziehungsweise die Umsetzung bestimmter Szenarien unterstützen sollen. Dazu zählen beispielsweise der SAP Solution Manager und die Adobe Interactive Forms. (ba)