Sich selbst verwirklichen, Spaß an der Arbeit, flexible Netzwerke statt starre Hierarchien, selbstbestimmt leben und arbeiten sowie eine ausgewogene Work-Life-Balance. Das sind laut Definition vieler Arbeitsforscher charakteristische Merkmale und typische Forderungen der Generation Y, also der nach 1980 Geborenen, die sich aktuell dazu aufschwingen, den Arbeitsmarkt zu entern beziehungsweise dort auch antreten sollen, um mehr Verantwortung in den Unternehmen zu übernehmen. Etliche Personalverantwortliche sind angesichts der vermeintlich neuen Mitarbeiterparadigmen verunsichert und stellen ihre Personalkonzepte auf den Prüfstand. Andere Vorstellungen von Arbeit und vom Leben würden automatisch zu Konflikten in den Unternehmen führen, so ihre Befürchtung.
Allerdings zeigte der Workshop "Bereit machen für die Generation Y" auf der CITE-Konferenz, dass viele IT-Verantwortliche die angeblichen Herausforderungen rund um die neue Mitarbeitergeneration wesentlich entspannter sehen, als es die öffentliche Diskussion zumeist widerspiegelt. Das mag auch daran liegen, dass in vielen IT-Organisationen offenbar immer noch die älteren Mitarbeiter überwiegen. Georg Kraus, Chef des Beratungshauses Dr. Kraus & Partner, ließ zu Beginn des Workshops die rund 20 Teilnehmer auf die vier Ecken des Raumes verteilen, je nach dem Anteil der unter 30-Jährigen in ihren Abteilungen. Ergebnis: Fast alle drängten sich in der Ecke, in der dieser Anteil unter 25 Prozent liegt.
Die Generation Y gibt es gar nicht
Bei allen Diskussionen rund um die Besonderheiten der Generation Y handelt es sich um einen überbewerteten Hype - darin waren sich letztendlich alle Diskussionsteilnehmer einig. Das gipfelte in der Aussage: "Eigentlich gibt es die Generatio Y gar nicht." Im Grunde bringe jede neue Generation eine eigene neue Einstellung zu Arbeit und Leben mit. Diese Veränderungen sorgten vielfach zunächst für Skepsis und auch Kritik - doch das sei ein Reflex der älteren Generation, der schon seit Aristoteles zu beobachten sei.
Auch Frank Scholz, CIO der DB Regio AG, der sich selbst - wenn auch nur knapp angenähert - der angeblichen Generation Y zugehörig fühlt, bleibt gelassen. Er sieht zwar durchaus neue Herausforderungen im Umgang mit seinen Mitarbeitern. Die Gründe dafür lägen jedoch in grundsätzlich veränderten Lebens- und Arbeitsbedingungen. Dies sei in den meisten Fällen jedoch keine Frage des Alters.
Aus Sicht von Scholz gibt es derzeit vier Themenbereiche, in denen sich Veränderungen abzeichneten:
Verhältnis von Arbeit und Freizeit;
Hierarchiedenken;
Kostenbewusstsein;
Entscheidungsfreudigkeit und Verantwortungsbewusstsein.
Gerade in Sachen Work-Life-Balance seien Scholz zufolge keine altersspezifischen Regeln festzustellen. Da gebe es den 55-Jährigen, der sich ein Haus an der Ostsee gekauft habe und daher nur noch vier Tage in der Woche arbeiten möchte, genauso wie den 30-Jährigen Familienvater, der gerne pünktlich Feierabend machen möchte, weil er mit seinem Junior noch auf den Fußballplatz will. Umgekehrt gebe es in allen Altersgruppen sogenannte "Heißdreher", für die vor allem der Job im Mittelpunkt stehe.
Demgegenüber seien allerdings in dem einen oder anderen Aspekt durchaus altersspezifische Unterschiede zu beobachten, berichtete Scholz aus seiner Praxis. Beispielsweise gingen ältere Mitarbeiter mit einem ausgeprägteren Kostenbewusstsein an Projekte heran, während Jüngere meist einfach losstarteten ohne sich groß über Kosten und Aufwand den Kopf zu zerbrechen. Außerdem sei unter den jüngeren Mitarbeitern das Hierarchiedenken längst nicht so verbreitet wie unter den Älteren. Scholz zufolge haben die Jungen keine Berührungsängste ihren Vorgesetzen beziehungsweise dem Management gegenüber.
Junge wollen keine Entscheidungen treffen
Doch obwohl die nachrückende Generation offenbar selbstbewusst von den Universitäten in den Arbeitsmarkt strömt, wollen sie keine Entscheidungen treffen, stellte Scholz fest. Beraterchef Kraus bestätigte diese Beobachtung und nannte als mögliche Ursache ein im Zuge der neuen Bachelor- und Master-Studiengänge zu stark verschultes Universitätssystem. Die Studenten würden wie in der Schule entlang vorgegebener Pläne durch das Studium gelotst und müssten sich immer weniger selbst organisieren. Sie lernten nicht mit Selbständigkeit umzugehen. Dies setze sich später im Job weiter fort. Kommen die Absolventen dann in die Firmen, fragten sie oft als erstes nach einem Plan - zu Karriere, Gehaltsentwicklung etc.
Diesen Vorwurf wollte ein jüngerer Diskussionsteilnehmer allerdings nicht auf sich sitzen lassen. Schließlich hätten die Universitäten durch die Hochschulreform viele positive Aspekte beispielsweise von den Fachhochschulen übernommen. Heute gehe es vor allem darum, die Studenten zügig und pragmatisch auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten.
Das zumindest scheint zu funktionieren. Scholz berichtet, dass die Jungen heute schon mit 21 bis 23 Jahren in den Job drängten. Dabei bringen sie von den Universitäten in erster Linie Methodenwissen mit. Das Fachwissen liege in aller Regel bei den Älteren im Betrieb. Darin sieht der DB-Regio-CIO allerdings kein Problem. Die Jungen organisierten sich in Netzwerken und fänden dort oft Lösungen und Antworten für ihre Arbeitsaufgaben. Der damit verbundene Kontrollverlust ist Scholz jedoch teilweise unheimlich. "Ich möchte gar nicht wissen, welche Informationen aus meinem Unternehmen in diesen Netzen kursieren."
Was Akzeptanz und Affinität bezüglich neuer IT-Techniken betrifft, sei dies aber kein Vorrecht der angeblichen Generation Y, konstatiert Scholz. "Die Generation Y kommt nicht nur von der Uni, sondern hat auch einen Schraubenschlüssel in der Hand." Man dürfe in diesem Zusammenhang nicht nur die Schlipsträger im Blick haben. Zudem schließen sich höheres Alter und Experimentierfreude sowie Technikbegeisterung nicht aus. Der DB-Regio-CIO berichtet von einem Pilotprojekt mit der neuen Datenbrille "Google Glass". Dafür hätten sich vor allem die älteren Mechaniker interessiert, die nicht mehr mit dicken Technik-Manuals hantieren möchten, wenn sie unter der Diesellok liegen.