Exklusive Demografiestudie

Ältere IT-Mitarbeiter haben einen schweren Stand

07.01.2010 von Jürgen Tenckhoff und Rolf Bastian
Unternehmen müssen die betrieblichen Risiken des demografischen Wandels offensiver angehen. Das zeigt eine Online-Studie von Result Counts und der Dr. Tenckhoff UG im Auftrag der CW.

"Im beruflichen Umfeld wird Alter mehr und mehr zur Belastung, da hier noch kein Umdenken bei den Verantwortlichen stattgefunden hat. Das Topmanagement ist allerdings schon weiter als das mittlere Management." Diese Einschätzung eines 45-jährigen IT-Managers aus Nordrhein-Westfalen scheint repräsentativ zu sein: In Unternehmen der IT- und Telekommunikationsindustrie (ITK) in Deutschland liegt die Altersakzeptanz auf einer Skala von 0 (keine Altersakzeptanz) bis 100 (volle Altersintegration) mit 36 noch leicht unter dem ohnehin niedrigen Branchendurchschnitt von 37 (erst Werte über 60 deuten auf eine ausgeglichene Situation hin).

Im Vergleich zu anderen Branchen liegt die Altersakzeptanz
Foto: DR. Tenckhoff UG

Mehr als 200 Führungskräfte und Mitarbeiter aus der ITK-Branche - von insgesamt 625 Teilnehmern - hatten bis Mitte November ihre Einschätzung abgegeben. Damit lassen sich auf hinreichender statistischer Grundlage bereits aufschlussreiche Zwischenergebnisse feststellen.

der IT/TK-Branche um mittleren bzw. unteren Bereich. Quelle: Dr. Tenckhoff
Foto: DR. Tenckhoff UG

Im Vergleich zu allen betrachteten Branchen liegt die IT in der unteren Hälfte, die Telekommunikation gar nur im unteren Drittel. Aufschlussreich ist eine Differenzierung nach Alter und Geschlecht: Mit steigendem Alter schätzen die Teilnehmer die Altersakzeptanz in ihrem Unternehmen geringer ein, dabei urteilen Frauen sogar negativer als Männer. Dieser Trend ist in der ITK noch ausgeprägter als in anderen Branchen.

Hier schlagen offensichtlich konkrete Erfahrungen zu Buche, die sich auch in zahlreichen freien Antworten dokumentieren: "Früher habe ich es nicht glauben wollen: Ab 40 ist man für den Arbeitsmarkt zu alt", schreibt etwa ein 50-jähriger Mitarbeiter des IT-Supports aus Rheinland-Pfalz. "Ich werde nach 17 Jahren erfolgreicher Tätigkeit für die Firma ausgegrenzt", so ein 54-jähriger Softwareentwickler aus Sachsen. Wobei einige die Lage auch differenzierter betrachten: "In meinem Unternehmen werden inzwischen nur noch junge Kräfte eingestellt, aber die Alten werden immer noch hoch geschätzt", berichtet ein 59-jähriger IT-Leiter aus Niedersachsen, und ein 31-jähriger IT-Manager aus Bayern meint: "Akzeptanz hat weniger mit dem Alter als mit der Eignung für den jeweiligen Beruf zu tun."

Altersakzeptanz in der IT/TK-Branche nach Geschlecht und Altersgruppen im Vergleich zum Gesamtdurchschnitt. Quelle: Dr. Tenckhoff
Foto: DR. Tenckhoff UG

Dass Unternehmen noch immer glauben, durch Verjüngung ihrer Belegschaft den Folgen des demografischen Wandels entgehen zu können, dokumentiert sich ebenfalls in vielen Statements. "Das Thema wird noch nicht wirklich ernst genommen oder zumindest verdrängt", schreibt ein 58-jähriger Telco-Leiter aus Nordrhein-Westfalen, und eine 46-jährige Telco-Managerin ebenfalls aus NRW ergänzt: "Es wird dramatisch, aber alle verdrängen die Realität. Ich mache das auch. Es gibt keine sichtbaren Ansätze, dem entgegenzuwirken."

Diese Einschätzungen decken sich mit einer branchenübergreifenden Untersuchung der Commerzbank vom Sommer dieses Jahres. Sie stellte fest, dass deutsche Unternehmen noch immer einseitig auf die Qualifikation der Jungen bauen und Mitarbeitern über 50 kaum Weiterbildung und andere Fördermaßnahmen angedeihen lassen.

Angstfrei
1. Setzen Sie auf Informationen!
Statt dem Flurfunk zu glauben und lange zu grübeln, sollten Sie recherchieren oder Fragen stellen. Häufig haben sich beängstigende Entwicklungen als reine Gerüchte entpuppt.
2. Mobbing, nein danke.
Verzichten Sie selbst auf Mobbing, um Ihre Ziele durchzusetzen, unterstützen Sie andere nicht bei unfairen Angriffen. Ein Unternehmen ohne Mobbing macht das Leben für alle ein Stück einfacher.
3. Helfen Sie Kollegen und Chefs.
Jeder Mitarbeiter verfügt über andere Kompetenzen und Interessen. Was für den einen Stunden dauert, bewältigt ein anderer manchmal in Minuten. Setzen Sie dabei aber auch Grenzen, um nicht ausgenutzt zu werden.
4. Zeigen Sie Interesse!
Wenn Sie ehrliches Interesse zeigen, berichten Ihnen die Kollegen nicht nur von ihren Urlaubsplänen, sondern auch von ihren Hoffnungen und Ängsten. Nehmen Sie diese ernst und unterstützen Sie den Gesprächspartner.
5. Ein starkes Team.
Nicht jeder Fehler muss gleich dem Chef berichtet werden. Viele Kleinigkeiten lassen sich im Kollegenkreis regeln, was den Zusammenhalt stärkt.
6. Fehler müssen möglich sein.
Ermöglichen Sie sich und Ihren Kollegen Fehler zuzugeben und aus diesen zu lernen. Wichtig ist nicht die Suche nach dem Schuldigen, sondern das Vermeiden des Fehlers für die Zukunft.
7. Das direkte Gespräch.
Sprechen Sie nicht schlecht über Abwesende. Nur das direkte Gespräch führt zur Veränderung und damit zum Erfolg.
8. Bleiben Sie flexibel.
Durch ständige freiwillige Weiterbildung erhalten Sie Ihren Wert für das Unternehmen und auf dem Arbeitsmarkt. Das macht Sie flexibel und zugleich zum gefragten Ratgeber.
9. Das größte Risiko.
Machen Sie sich bewusst, was das größte Risiko in Ihrem Berufsleben ist. Vielfach ist dieses Szenario weitaus weniger bedrohlich, als man gemeinhin glaubt.
10. Unterbrechen Sie die Angstspirale!
Lassen Sie rationale Argumente in angstgesteuerte Gespräche einfließen. Helfen Sie besorgten Kollegen, eine realistische Sichtweise zu gewinnen.

Dies aber ist eine gefährliche Illusion: So haben Altersstrukturanalysen der Dr. Tenckhoff UG in zahlreichen Unternehmen nachgewiesen, dass sich angesichts heutiger Belegschaftsstrukturen selbst bei unrealistisch niedrigen unteren Einstellungsgrenzen und Frühverrentungsprogrammen der steigende Altersdurchschnitt nicht mehr aufhalten lässt. Unternehmen bleibt also gar nichts anderes übrig, als Wege zu finden, um ihre Geschäftsmodelle mit älteren Mitarbeitern umzusetzen. Viele Teilnehmer der Umfrage haben einen solchen "demografischen Realismus" schon entwickelt, so etwa ein 55-jähriger Telco-Leiter aus NRW: "Ältere werden zu einer nicht mehr zu vernachlässigenden Ressource, da Jüngere nicht beliebig zur Verfügung stehen."

Neben der Gefahr des Fachkräftemangels birgt die geringe Altersakzeptanz weitere handfeste betriebswirtschaftliche Risiken, was sich auch in vielen Statements der Umfrage dokumentiert. "Viel Know-how und Erfahrung geht verloren, was Kapitalvernichtung ist", konstatiert ein 59-jähriger IT-Leiter aus NRW. Studien haben zudem nachgewiesen, dass altersgemischte Teams gerade in innovativen Branchen leistungsfähiger sind als altershomogene - was eine 43-jährige Telco-Managerin aus Bayern auch selbst festgestellt hat: "Die Erfahrung zeigt, dass eine ausgewogene Mischung aus männlich/weiblich sowie alt/jung ein Team besonders stark macht."

Fotolia, M. Meier
Foto: Fotolia, M. Meier

Des Weiteren können stereotype negative Altersbilder und die Ausgrenzung Älterer die Motivation und Loyalität der Mitarbeiter beeinträchtigen und Konflikte zwischen den Altersgruppen hervorrufen. Ein 49-jähriger ehemaliger IT-Mitarbeiter aus Bayern formuliert es so: "Aus demotivierten ‚Älteren‘ werden zumindest im verursachenden Unternehmen keine motivierten Mitarbeiter mehr." Dass auch manche jüngere IT-Mitarbeiter und Führungskräfte die geringe Altersakzeptanz kritisch beurteilen, verwundert nicht. Selbst wenn sie heute davon profitieren können, sehen sie hier ihre eigene betriebliche Zukunft vorweggenommen.

Insgesamt wird deutlich, dass Mitarbeiter die größten Probleme beim Übergang von ihrer Jugend in diejenige Kategorie haben, die in der heutigen Berufswelt als "älter" eingeordnet wird. Eine detaillierte Auswertung aller Teilnehmer der gesamten Umfrage zeigt eine "Badewannen"-Kurve. In jungen Jahren wird die Altersakzeptanz relativ hoch eingeschätzt, danach fällt sie ab - mit einem Minimum zwischen 45 und 51 Lebensjahren - und steigt ab etwa 60 Jahren wieder deutlich an. Hier spiegelt sich eindrucksvoll ein Großteil heutiger beruflicher Lebensläufe.

Um die Altersakzeptanz und Altersintegration im Unternehmen zu verbessern, bedarf es vieler Ansatzpunkte: einer Änderung des Wertesystems, damit der Unternehmenskultur und -kommunikation, aber auch konkreter Maßnahmen zur Personalentwicklung, Qualifikation und Karriereangebote. Eine 54-jährige Telco-Leiterin aus Bayern bringt es so auf den Punkt: "Arbeitgeber müssen noch offener werden für die dauerhafte Planung mit Älteren - das gilt für Einstellungen, Fortbildungen, Beförderungen und die gesamte Firmenkultur." Ein 45-jähriger Telco-Manager aus NRW sagt: "Das Rollenmodell in Unternehmen ist nicht ausreichend daran angepasst, beispielsweise über alternative ‚Karrierepfade‘ auch älteren Beschäftigten eine für sie und das Unternehmen sinnvolle und erfüllende Position/Rolle zu bieten."

Der erste Schritt kann das Messen der konkreten Altersakzeptanz im Unternehmen sein. Die Online-Umfrage kann dazu einen Bezugsrahmen bilden. Sie wird fortgesetzt bis Sommer 2012 (die Teilnahme ist unter survey.tenckhoff.eu möglich) und soll demnächst auf EU-Ebene ausgedehnt werden.

Altersakzeptanz

Sie beschreibt den kulturellen Wert, der unser kommunikatives Handeln generationsübergreifend leitet. Damit können erstmals die "weicheren" Konsequenzen des demografischen Wandels wie zunehmende Karrierehindernisse und stereotype Vorstellungen, aber auch die Wertschätzung älterer Beschäftigter gemessen werden. Sie beeinflusst die Kommunikation in und zwischen den Altersgruppen. Angesichts der künftigen Altersstruktur-Entwicklung ist dies eine Schlüsselgröße. Wie die Altersakzeptanz in Deutschland ausgeprägt ist, eruiert seit Sommer dieses Jahres eine auf drei Jahre angelegte Online-Studie der Beratungsunternehmen Dr. Tenckhoff UG in Hennef/Sieg und Result Counts GmbH in Mainz.