Adobe: Open Screen Project öffnet Flash-Plattform, Capuchin verbindet sie mit Java

04.05.2008
Ist Flash ein Industriestandard? Laut Hersteller Adobe können über 98% aller internetfähigen Endgeräte Flash-Inhalte abspielen. Mit dem jüngst angekündigten Open Screen Project schmiedet Adobe eine Industrieallianz, die Flash-Technologie zum essentiellen Bestandteil aller Browser machen und die Barriere zwischen Desktop und Handy überbrücken könnte. Eine erste Interpretation liefert Sony Ericsson: Project Capuchin verheiratet Flash und JavaME.

Wer YouTube nutzt, sich Werbebanner anschaut oder die dynamische Navigation vieler hipper Web2.0-Sites bestaunt, blickt meistens auf die Früchte einer Technologie, die seit 1998 ein fester Bestandteil des Web-Ökosystems ist. Geplant als innovatives Vektorgrafiktool des mittlerweile von Adobe einverleibten Unternehmens Macromedia, wandelte sich Flash zum Allround-Tool für die leichtgewichtige Präsentation medialer Inhalte und befeuert die beliebtesten interaktiven Websites der Welt.

Mit einer internationalen Allianz aus Geräte- und Chipherstellern will Adobe jetzt Flash endgültig zum Standard erheben und damit einen entscheidenen Schritt vor die keimende Konkurrenz wagen. Im Rahmen des "Open Screen Projects" wird Adobe die lizenzrechtlichen Einschränkungen seiner Flash-Formate SWF und FLV/F4V entfernen, die APIs für die Portierung von SWFs aufs mobile Flash-Format freigeben, die Datenaustauschprotokolle FlashCast und AMF veröffentlichen und alle Lizenzgebühren für kommende mobile Flash Player und die AIR-Plattform erlassen.

Statt auf eine robuste Erstversion für alle denkbaren Plattformen zu setzen, will Adobe Flash im Rahmen einer evolutionären Update-Strategie verteilen. Dazu bedarf es einer Herauslösung von Flash Lite aus den ROMs vieler mobiler Endgeräte. Zwar kann auf flexiblen mobilen mobilen Betriebssystemen wie Symbian der Flash-Player relativ leicht gegen neue Versionen getauscht werden, doch steckt er in proprietären Systemen wie bei gewöhnlichen Handys von Samsung oder Sony Ericsson in der Firmware fest, die sich nur durch manuelle Updates verändern lässt. Auch laut CTO Kevin Lynch ist Adobe darauf angewiesen, dass die Handy-Industrie bei ihren Plänen mitspielt und Flash zu einer einzeln updatefähigen Komponente ihrer Systeme herauslöst. Das Open Screen Project umfasst bereits eine ganze Reihe namhafter Hersteller wie Nokia, Samsung, Sony Ericsson, LG Electronics, Motorola oder NTT DoCoMo, Content-Partner wie Viacom/MTV Networks, NBC/Universal und Netzwerk-Anbieter wie Chunghwa Telecom und Verizon Wireless.

Doch fehlen in der Liste der potenziellen Mitspieler wichtige Namen. Microsoft verfolgt mit seinem .NET-basierten Flash-Äquivalent Silverlight eigene Wege und trifft damit in der Industrie durchaus auf positive Resonanz. Die Integration von Flash Lite in Apples iPhone ist noch nicht abgeschlossen und ob Apple sich nach allen Bemühungen um ein eigenes Software Development Kit zusätzlich auf einen offenen Standard festlegen wird, ist noch nicht geklärt. Auch die von Google geschmiedete Open Handset Alliance findet man (noch) nicht in Adobes Partnerliste, sodass man derzeit von einem außerordentlich ambitionierten, aber noch nicht in letzter Konsequenz von einem durchgängig akzeptiertem Industriestandard sprechen kann. Immerhin wird sich Microsoft nicht gegen den Quasistandard verschließen: Die Redmonder unterzeichneten im März ein Industrieabkommen zur Integration von Flash-Technologie in ihre kommenden mobilen Betriebssysteme.

Überlappungen gibt es aber noch an anderer Stelle. Flash und Adobes Komponenten- und Serviceframework AIR sind so leistungsfähig und programmierbar, dass sie mittlerweile an Mächtigkeit der JavaME Konkurrenz machen. Läuft die Mehrzahl mobiler Applikationen heutzutage auf Java (insbesondere Spiele), könnten in Zukunft viele Programme auf der deutlich einfacher gestaltbaren Flash-Plattform aufsetzen.

Sony Ericsson zaubert als erstes Unternehmen eine Vermittler-Strategie aus dem Hut. Ihr Projekt "Capuchin" schlägt die Brücke zwischen JavaME und Flash. Das proprietäre Vorhaben, das (noch) nicht in einem JSR mündet, stellt mobilen Java-Entwicklern eine API für den im Handy verankerten Flash-Player zur Verfügung. Systemereignisse können von Java an die Flash Lite-Engine weitergeleitet werden, die Hoheit des Applikationsstatus obliegt aber weiterhin Java. Das Überzeugende an diesem Ansatz ist die Applikationsverteilung: die SWF-Datei für den Flash-Lite-Player kann bei Capuchin im JAR-File der Java Midlet-Suite Platz nehmen. Bestehende Flash-Applikationen lassen sich so auf Capuchin-fähigen Telefonen über die von Java bekannten Verteilungs- und Sicherheitsmechanimsen installieren. Entwicklern steht es dann frei, ausschließlich die eingebettete Flash-Applikation zu starten oder Flash Lite nur als Präsentationsschicht für ihre Java-Logik zu nutzen. Capuchin ist derzeit noch in der Entwicklungsphase, Sony Ericsson stellt eine erste Release-Version bzw. Handys mit diesem Ansatz für das zweite Halbjahr 2008 in Aussicht.

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