Accenture bleibt trotz Imageproblem auf Kurs

30.06.2004 von Joachim Hackmann
Die Geschäfte von Accenture laufen gut, doch das Image des Hauses ist angeschlagen. In den USA sorgt die Steuerflucht auf die Bermudas, in Deutschland das holprige Projekt für die Bundesagentur für Arbeit für Unmut. Dennoch: Accenture ist es gelungen, das volatile Beratungsgeschäft durch krisensichere Outsourcing-Verträge zu ergänzen.
Starkes Wachstum verzeichnete Accenture in seinem dritten Quartal in den Bereichen Outsourcing und öffentliche Hand. Die Steigerungfsraten sind um Wechselkursschwankungen bereinigt. 
Starkes Wachstum verzeichnete Accenture in seinem dritten Quartal in den Bereichen Outsourcing und öffentliche Hand. Die Steigerungfsraten sind um Wechselkursschwankungen bereinigt. 

Nach langem Gezerre hat sich Accenture doch noch den größten Auftrag seiner jungen Unternehmensgeschichte gesichert. Der IT-Dienstleister wird im Auftrag der US-amerikanischen Heimatschutzbehörde Department of Homeland Security (DHS) ein System für biometrische Grenzkontrollen einrichten und betreiben. Das Projekt "US Visitor and Immigrant Status Indicator Technology" (US-Visit) ist mit bis zu zehn Milliarden Dollar dotiert, läuft über fünf Jahre und kann um weitere weitere fünf Jahre verlängert werden.

Anfang Juni hatte sich Accenture zwar gegen die Konkurrenz von CSC und Lockheed Martin durchgesetzt, doch vor allem die US-amerikanischen Demokraten rannten Sturm gegen diese Entscheidung. Und sie hatten zunächst Erfolg: Das Repräsentantenhaus genehmigte das Gesamtbudget für Maßnahmen zur Stärkung der inneren Sicherheit in Höhe von 32 Milliarden Dollar nur unter der Auflage, dass der Großauftrag für das Grenzkontrollsystem nicht an ein Unternehmen mit Hauptsitz außerhalb der USA vergeben wird . Das von Accenture geführte Konsortium "Smart Border Alliance" war damit vorerst aus dem Rennen.

Steuern gespart, Auftrag riskiert

Seit sich Accenture im Jahr 2001 unter eigenem Namen von der einstigen Muttergesellschaft Andersen Consulting losgesagt hat, firmiert die Zentrale offiziell auf den Bermudas. Auf diese Weise spart der Dienstleister zwar Steuern, gefährdet aber das zunehmend wichtige Geschäft mit Regierungsaufträgen. Die Operating Group Government weist seit 2001 Wachstumsraten von 20 bis 30 Prozent auf und trägt mittlerweile knapp 15 Prozent zum Gesamtgeschäft bei.

Fürsprecher fand Accenture unter den konservativen Abgeordneten, obwohl auch sie Vorbehalte anmeldeten: "Man kann schlecht nach Hause gehen und hart arbeitenden Amerikanern erklären, warum wir einen der größten jemals abgeschlossenen Verträge an eine Firma oder an ein Konsortium vergeben, das auf den Bermudas sitzt", erklärte das republikanische Ausschussmitglied Don Sherwood. Mit einigen Klimmzügen gelang es den Beteiligten aber, Accenture wieder einzubürgern, denn offiziell wurde die US-amerikanische Niederlassung mit dem Regierungsauftrag betraut, und die hat ihren Hauptsitz in Reston, Virginia, beschäftigt in den USA 25 000 Mitarbeiter und entrichtet dort Steuern.

Am 1. September übergibt CEO Joseph Forehand (links) das Zepter an William Green.

Dem Accenture-Image hat das Hickhack dennoch geschadet. Der Präsidentschaftskandidat der Demokraten, John Kerry, machte die Vergabe kurzzeitig zum Wahlkampfthema und verglich den IT-Dienstleister mit Benedict Arnold. Der General im Unabhängigkeitskrieg gilt in den USA als Synonym für einen Verräter, weil er seine Soldaten für ein Bestechungsgeld an die Briten verkaufen wollte und nach Aufdeckung des Plans zu den Briten überlief. Und auch in Deutschland, wo die Beraterbranche mit ihren üppig dotierten Verträgen ohnehin in der Kritik steht, prägten die Probleme um den "Virtuellen Arbeitsmarkt" ein negatives Bild Accentures in der Öffentlichkeit. Die von der Bundesagentur für Arbeit geplante Suchmaschine für Jobs im Internet, deren Aufbau und Betrieb Accenture übertragen wurde, verteuerte sich von anfänglich prognostizierten 65 Millionen auf letztlich 100 Millionen Euro. Außerdem beklagten Nutzer immer wieder funktionale Schwächen.

Erstaunlicherweise laufen die Geschäfte trotzdem so gut wie nie. Die Zahlen des dritten Geschäftsquartals 2004 erscheinen makellos. Sie sind ein deutliches Zeichen dafür, wie geschickt der im September scheidende CEO Joseph Forehand Accenture durch die IT-Krise manövrierte, indem er schon frühzeitig auf die Wachstumsfelder Outsourcing und Behördenaufträge setzte. Das Geschäft mit Auslagerungsaufträgen legte seit Jahren zweistellig zu. Während Accenture (damals noch Andersen Consulting) im gesamten Geschäftsjahr 2000 rund 1,5 Milliarden Dollar oder 16 Prozent vom Gesamtumsatz mit Outsourcing einnahm, sind es allein im aktuellen dritten Geschäftsquartal 2004 bereits 1,36 Milliarden Dollar. Das sind knapp 37 Prozent vom Gesamtumsatz.

Allerdings begeben sich die Berater von Accenture nicht in die Niederungen des Rechenzentrums- und Desktop-Betriebs, sondern bevorzugen Aufträge, in denen das Applikations-Management, besser noch der Betrieb von Geschäftsprozessen, verlangt wird. Das von Accenture vermarktete "Transformational Outsourcing" zielt zudem auf Kostenersparnis durch Effizienzsteigerung, indem die zu übernehmende Betriebsumgebung konsolidiert und neu gestaltet wird - selbstverständlich mit Hilfe der Accenture-Mitarbeiter, so dass auch die derzeit schwer zu vermittelnden IT-Berater wieder in Lohn und Brot stehen.

Deutsche Dependance schwächelt

Einzig in Deutschland tut sich das Unternehmen mit diesem Konzept schwer. Im Geschäftsjahr 2003 entfielen laut Angaben der Münchner Marktforscher von Pierre Audoin Consultants (PAC) hierzulande nur 15 Prozent der gesamten Einnahmen in Höhe von 550 Millionen Euro auf Outsourcing-Dienste. Das ist gemessen an den weltweiten Vorgaben zu wenig. Allerdings argumentiert Accenture zu Recht, dass hiesige Anwender im internationalen Vergleich viel zurückhaltender auf die Business-Process-Outsourcing- (BPO-)Offerten der Anbieter reagieren.

Dennoch kann auch die deutsche Dependance auf erste bemerkenswerte Erfolge verweisen. Im letzten Jahr übernahm Accenture etwa die IT-Abteilung der Schmidtbank und sucht damit den Einstieg in den Markt für Betriebsdienstleistungen in der Finanzbranche. Außerdem übertrug der Chiphersteller Infineon Accenture die Betreuung der SAP-Applikationen für sieben Jahre. Unterm Strich wuchs das deutsche Outsourcing-Geschäft im Jahr 2003 deutlich, während die Gesamteinnahmen der hiesigen Niederlassung um sechs Prozent zurückgingen. Im Jahr 2004 konnte sich Accenture bereits zwei prestigeträchtige Outsourcing-Aufträge mit der Deutschen Bank im Bereich Personalverwaltung und Einkauf sichern.

Forehand-Nachfolger hält Kurs

Accenture-Boss Forehand übergibt zum 1. September seinem designierten Nachfolger William Green, gegenwärtig noch Chief Operating Officer, ein derzeit in weiten Teilen gesundes Unternehmen. Green kündigte bereits an, den vom Vorgänger eingeschlagenen Kurs weiterverfolgen zu wollen. Dass der IT-Dienstleister seine aktuellen Geschäftserfolge wiederholen wird, ist jedoch keineswegs sicher. Das angekratzte Image könnte einen Vertrauensverlust auf Kundenseite bewirken. Auch den kürzlich von Forehand und Chief Financial Officer Harry You veröffentlichten Geschäftsausblick, wonach das margenträchtige Consulting-Geschäft wieder kräftig anziehen wird und die Tagessätze sich erholen, teilen viele Marktbeobachter nicht. Sie rechnen damit, dass sich Accenture zunehmend dem Wettbewerbs- und Preisdruck von Offshore-Anbietern stellen muss.