Die Lage am Arbeitsmarkt 2010

Abschied vom Traumjob

28.01.2010 von Jens Ohle
Seit rund zwei Jahren sind die Aussichten für Berufseinsteiger und Wechselkandidaten eher bescheiden. Dennoch lassen sich auch in schwierigen Zeiten neue Karriereperspektiven entdecken.

Die volkswirtschaftliche Entwicklung zeigt nach oben. Also, alles klar zum Durchstarten auf dem Arbeitsmarkt? Nein, so einfach wird's nicht. Konjunktur und Beschäftigung entwickeln sich weder synchron, noch unterliegen sie den gleichen Gesetzen. Die Arbeitsmarktdaten gelten unter Statistikern als nachlaufende Indikatoren. Hinzu kommt, dass sich eine positive Beschäftigungsdynamik nur entwickeln kann, wenn viele Unternehmen mittelfristig mit Wachstum rechnen. Mit Blick auf diese beiden Punkte gibt es jedoch Anzeichen, dass es sich bei der aktuellen Krise nicht um eine typische Produktions-Nachfrage-Anpassung handelt.

Fotolia, glohs
Foto: Fotolia, glohs

Kurzfristig dämpft die Kurzarbeit die Einstellungsneigung deutscher Unternehmen: Es hat sich einiges an Überkapazitäten aufgebaut. Die stark gefallene Produktivität hiesiger Großfirmen zeigt das deutlich. Entweder wird dieser Faktor durch eine Anpassung der Belegschaftsgrößen ausgeglichen - die Bundesagentur für Arbeit geht von einem Anstieg der Arbeitslosenzahl um mehr als 20 Prozent auf über vier Millionen aus - oder durch eine längere Phase, in der viele Unternehmen nur wenig oder gar nicht einstellen. Oder wahrscheinlich durch beides.

Neueinstellungen direkt von den Hochschulen herunter gehen zurück. Eine zwar gemilderte, aber nicht überwundene Unsicherheit über die Chancen auf eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung führt dazu, dass Unternehmen nur noch von Quartal zu Quartal "planen". Zum Beispiel stellte ein Autounternehmen im Jahr 2008 insgesamt 700 Hochschulabsolventen ein. Letztes Jahr waren es 400, dieses Jahr sollen es 250 werden.

Immerhin hat die sich abzeichnende Stabilisierung dazu geführt, dass frei gewordene Stellen wieder nachbesetzt werden. Für diese Positionen kommen jedoch eher Professionals als berufsunerfahrene Hochschulabsolventen in Betracht.

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Bewerbungsgespräch
"Warum sollen wir gerade Sie einstellen?" Als Bewerber zahlt es sich aus, auf diese Frage im Vorstellungsgespräch vorbeireitet zu sein. Was Sie sonst noch über eine erfolgreiche Bewerbung wissen sollten, das sagt Ihnen Cornelia Riechers, Autorin des paradoxen Bewerbungsratgebers "So bleiben Sie erfolgreich arbeitslos.", in den folgenden zehn Tipps.
Traumberuf
Der erfolgreiche Bewerber weiß, was er will. Er hat das, was er am allerliebsten tut, zu seinem Beruf gemacht. Die Freude an seiner Arbeit gibt ihm immer genug Kraft, um sich und seine Familie damit zu ernähren, auch in schlechten Zeiten. Wenn er in einer Firma seinen Job verliert, findet er im Handumdrehen etwas Neues oder macht sich selbständig.
Eigeninitiative
Der erfolgreiche Bewerber wartet nicht, wie der Mann auf dem Bild, bis jemand an seiner Haustür klingelt und ihm seinen neuen Job auf dem Silbertablett serviert. Er wird selbst aktiv und setzt alle Hebel in Bewegung. In seine Bewerbungskampagne investiert er genauso viel Arbeit wie in eine Vollzeitanstellung. Rückschläge verkraftet er gut, weil er immer mehrere Eisen im Feuer hat.
Zielgerichtete Bewerbung
Der erfolgreiche Bewerber sieht ein Unternehmen nicht als Anlaufstelle für seine Versorgungsansprüche. Vielmehr agiert er wie ein Verkäufer, der dem Arbeitgeber einen Nutzen bietet und dafür eine Vergütung erhält. Er zeigt dem Unternehmen, was er leisten kann, um dessen Umsätze und Gewinne zu steigern.
Selbstpräsentation
Der erfolgreiche Bewerber knausert nicht und übertreibt nicht. Sein Foto misst etwa sechs mal neun Zentimeter, seine schlichte, praktische Bewerbungsmappe umfasst maximal sieben bis zehn Dokumente. Sein Anschreiben passt auf ein Blatt; sein Lebenslauf darf sich über zwei bis drei Seiten erstrecken. Beim Vorstellungsgespräch tritt er bescheiden, jedoch nicht unterwürfig auf und strahlt Selbstvertrauen aus, ohne arrogant oder anmaßend zu wirken. Achten Sie auf Ihre Körperhaltung: verkrampfte Hände und unruhige Füße wirken unsicher.
Stärken und Schwächen
Der erfolgreiche Bewerber besinnt sich auf seine besonderen Stärken. Dann findet er heraus, welche Unternehmen Bedarf an seinem Können haben. An diese wendet er sich, lange bevor sie ein Stellenangebot veröffentlichen. So erschließt er den verdeckten Stellenmarkt und verschafft sich dadurch Vorteile.
Wege zum Markt
Der erfolgreiche Bewerber kennt mehr als einen Weg zum neuen Job. Er reagiert auf Angebote in Printmedien und Internet-Jobbörsen, er schaltet auch ein eigenes Stellengesuch. Die Möglichkeiten der Agentur für Arbeit schöpft er aus, einschließlich der angeschlossenen Institutionen wie ZAV (Zentrale Auslands- und Fachvermittlung). Er geht von selbst auf Firmen zu, nicht nur per Telefon, Brief und E-Mail, sondern auch persönlich. Sein berufliches und privates Kontaktnetzwerk nutzt er, um seinen Aktionsradius zu erweitern. Und er optimiert seinen Auftritt mit der Unterstützung eines Outplacement- oder Karriereberaters.
Bewerbungsmappe
Der erfolgreiche Bewerber gestaltet seine Bewerbungsunterlagen so, dass der Arbeitgeber seine Eignung für den angestrebten Job erkennt. Er legt den Schwerpunkt auf diejenigen Erfahrungen und Kompetenzen, die ihn dafür qualifizieren.
Anschreiben
Der erfolgreiche Bewerber befasst sich gründlich mit einem Stellenangebot, bevor er es beantwortet. Seine Analyse beginnt ganz oben, bei der Selbstdarstellung des Unternehmens und der Beschreibung der Aufgaben. Er versteht, worauf es bei der ausgeschriebenen Position ankommt, und arbeitet in seinem Anschreiben Punkt für Punkt alles ab, was er in Bezug auf die Anforderungen zu bieten hat. Dabei vergisst er auch seine Englisch- und IT-Kenntnisse nicht.
Vorstellungsgespräch
Im Vorstellungsgespräch zeigt der erfolgreiche Bewerber, dass er sich mit seinem zukünftigen Unternehmen und seiner Tätigkeit dort intensiv beschäftigt hat und dass er die anstehenden Aufgaben lösen kann. Außerdem spürt man seine Freude an genau dieser Arbeit, deshalb hat er die Nase vorn und kann die Konkurrenz ausstechen.
Einarbeitungszeit
In der Probezeit achtet der erfolgreiche Bewerber vor allem darauf, sich in das bestehende Team einzufügen. Er weiß, dass sein Erfolg nur zu zwanzig Prozent von seinen fachlichen Leistungen abhängt. Weil er dafür sorgt, dass sein Chef und seine neuen Kollegen ihn mögen, umgibt ihn automatisch auch der Nimbus des Tüchtigen.

Dennoch gibt es Hoffnung auf neue Jobs: Im Jahr 2015 werden über fünf Milliarden Menschen Zugang zu Telefon und Internet haben, viele davon auf Breitbandbasis. Das wird zu einer Dynamik führen, wie es sie seit dem Aufkommen von Schifffahrt, Eisenbahn und Flugzeug nicht mehr gegeben hat.

Die gering verschuldeten Staaten Asiens haben alle Voraussetzungen, eine starke Wachstumsregion zu bleiben. Die mit der Aufholjagd einhergehenden Wohlstandeffekte werden auch zu Wachstumsimpulsen in den reifen Industrieländern führen.

Hinzu kommen die Fortschritte in der Medizin, die durch eine neue, relativ sehr wohlhabende Generation von "Alten" angestoßen werden. Der Gesundheitsmarkt wird dadurch kräftig wachsen. Auch die Suche nach sauberen und effizienten Energiequellen wird zu einer Fülle neuer Unternehmen, Jobs und Berufe führen.

Eine aktive, eigenverantwortliche Einstellung ist das einzig Richtige. Eine Strategie à la "Die Flut hebt alle Boote" taugt dagegen nur für spekulative Gemüter. Der nächste Job wird den meisten Bewerbern nicht in den Schoß fallen, das besondere Engagement jedes Einzelnen ist gefragt.

Fünf Thesen zu den Jobaussichten 2010

1. Die Produktivität vieler Unternehmen ist in den letzten zwei Jahren kräftig gefallen. Sie werden längere Zeit gar nicht oder nur zurückhaltend einstellen.

2. Für Absolventen wird es 2010 noch schwieriger, einen passenden Job, geschweige denn den Traumjob, zu finden. Die Zahl der Neueinstellungen von Hochschulabsolventen wird im zweiten Jahr nacheinander zurückgehen, da die wirtschaftliche Erholung noch relativ schwach ist.

3. Für berufserfahrene Akademiker kommt wieder mehr Bewegung in den Markt, die Unternehmen besetzen offene Positionen wieder nach.

4. Aufgrund der verbreiteten Unsicherheit über die Nachhaltigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung planen Unternehmen immer kurzfristiger, im Extrem nur noch von Quartal zu Quartal. Damit ist auch für individuelle Karrieren Schnelligkeit ein wesentlicher Schlüssel.

5. Ein nahezu alle Bereiche der Wirtschaft umfassender Boom ist in der neuen Dekade eher unwahrscheinlich. Damit wird es noch wahrscheinlicher, dass der nächste Job keinem mehr in den Schoß fallen wird. Aktives Engagement für die eigene Karriere ist gefragt. Wer einen Job will, sollte sich gezielt in Richtung der Märkte Energie, Rohstoffe, Asien, Infrastruktur und Medizin orientieren.