Turboworkshop mit Resultaten

16.08.2006 von Jürgen Mauerer
Die Stadt Zürich hat mit Hilfe der Management-Methode Syntegration innerhalb von drei Tagen die Grundlagen für ihre neue IT-Strategie erarbeitet. Die Sichtweise aller Beteiligten ließ sich auf einen Nenner bringen.

"Ich kenne keine Methode, die es effektiver und in so kurzer Zeit schafft, hohe Komplexität zu bewältigen, verstreutes Wissen zu vernetzen und auf das gewünschte Ziel hin zu fokussieren." Daniel Heinzmann, Projektleiter der Stadt Zürich für die Konzeption der neuen IT-Strategie, ist Monate später noch vom Ergebnis der Syntegration überzeugt.

Hier lesen Sie...

  • warum die Stadtverwaltung Zürich auf die Syntegration gesetzt hat, um ihre IT-Strategie zu definieren;

  • welche IT-Probleme die Stadt mit dieser Management-Methode lösen wollte;

  • wie sie mit ihren Führungskräften die Syntegration umsetzte.

Daniel Heinzmann, Stadt Zürich:"Ich habe weder Zeit noch Lust, die Manager in stundenlangen Sitzungen von einer neuen IT-Strategie zu überzeugen."

Heinzmann, auch Hauptabteilungsleiter Telematik bei den Elektrizitätswerken der Stadt Zürich, kommt aus der freien Wirtschaft und hatte dort bereits diese Management-Methode kennengelernt. Als er im November 2005 gefragt wurde, ob er Projektleiter für die Erarbeitung der neuen IT-Strategie der Stadt Zürich werden wolle, bejahte er, allerdings mit der Bedingung, sich dabei von Fredmund Malik unterstützen lassen zu dürfen. Der Professor für Unternehmensführung an der Universität St. Gallen hat die Syntegration im deutschsprachigen Raum bekannt gemacht und verbreitet.

Treffen der Schlüsselpersonen

Um die wichtigsten Eckpfeiler, Grundsätze und Ziele der neuen IT-Strategie der Stadt Zürich zu definieren, trafen sich 38 Teilnehmer aus den neun Departements der Stadt Zürich - allesamt Schlüsselpersonen, die für die Lösung des Problems und deren Umsetzung wichtig sind. Dazu gehörten Entscheidungsträger wie Direktoren, die aus der Benutzersicht argumentierten, die IT-Leiter der Departements, Vertreter des Querschnittsamts Organisation Informatik der Stadt Zürich (OIZ), drei externe IT-Berater und ein IT-Professor der Universität Zürich. Von politischer Seite war der Vorsteher des Finanzdepartements der Stadt Zürich anwesend. Das Treffen fand an drei Tagen im Frühjahr 2006 am Zürichsee statt.

Am Anfang stand wie bei jeder Syntegration eine Eingangsfrage: "Wie müssen wir die IT der Stadt Zürich gestalten, um für unsere internen und externen Kunden den größtmöglichen nachhaltigen Nutzen zu stiften?" Das ist eine vielschichtige Frage: "Da die Stadt Zürich eine Vielfalt von Dienstleistungen für ihre Bürger anbietet (Gesundheitsversorgung, Infrastruktur, Polizei, Ämter etc.), sind die Anforderungen an die IT hoch. Dass die Stadt in neun Departements aufgeteilt ist, die ihre IT relativ autonom verwalten, macht die Sache nicht leichter. "Wir haben keine einheitliche IT-Landschaft, aber komplexe Anforderungen an die IT. Das Wissen ist verstreut, und uns fehlte eine einheitliche, die Departements übergreifende IT-Strategie", beschreibt Heinzmann die Situation.

Syntegration

Anfang der 90er Jahre entwickelte Professor Stafford Beer, Begründer der modernen Management-Kybernetik, diese Management-Methode. Syntegration ist ein nach kybernetischen Grundsätzen strukturierter Prozess zur Entscheidungs- und Konsensfindung, der den Wirkungsgrad im Austausch von Information und in der Integration unterschiedlicher Sichtweisen maximiert. Unterschiedliche Perspektiven finden laut Malik in kurzer Zeit zur bestmöglichen Lösung einer Frage zusammen. Eine Syntegration bewirkt Engagement bei den Beteiligten, ihr Wissen einzubringen und die Zustimmung, die Resultate umzusetzen.

Syntegration ist vor allem bei komplexen Aufgaben sinnvoll, beispielsweise strategische Planung, Start großer Projekte, Change-Management oder Integration nach einer Fusion. Die Syntegrations-Veranstaltungen dauern in der Regel zwei bis drei Tage. Die Teilnehmer sind alle Schlüsselpersonen in einem Unternehmen, die für die Lösung des Problems und deren Umsetzung wichtig sind.

Um das Wissen aller Beteiligten in kürzester Zeit zu vernetzen und unterschiedliche Sichtweisen in eine gemeinsame Lösung zu integrieren, wird eine dreidimensionale Kommunikationsstruktur angewandt: Eine Eröffnungsfrage wird durch die Teilnehmer in zwölf Themen gegliedert. Diese Themen werden in produktive Kleingruppen vernetzt und selbstkoordinierend diskutiert. Jeder Teilnehmende ist in acht Themen als Mitglied, Kritiker und Beobachter direkt involviert. Mehr Informationen finden sich unter www.mzsg.ch.

Umgesetzt hat die Syntegration das Malik Management Zentrum aus St. Gallen mit sechs Mitarbeitern, die für die komplette Organisation, Logistik, Dokumentation der Ergebnisse und für die Moderation der Themengruppen zuständig waren. "Wir konnten uns daher ausschließlich auf die Inhalte konzentrieren", lobt der Projektleiter. Die Themengruppen ergaben sich am ersten Vormittag der Veranstaltung. Um die Eingangsfrage zu beantworten, hatten die Teilnehmer zunächst die Aufgabe, in einem Brainstorming alle für sie wichtigen Punkte auf einen Zettel zu notieren. Diese wurden auf dem "Marktplatz" gesammelt und geordnet, das heißt Zettel mit ähnlichen Themen wurden zusammengeführt, jedes Thema musste verkauft und die Relevanz mit genügend Unterschriften der Teilnehmenden bestätigt werden. Der letzte Schritt bestand darin, sich auf die wichtigsten zwölf Themen zu einigen. Zu diesen gehörten IT-Steuerung, strategische IT-Ziele, Betriebs- und Supportprozesse, IT-Controlling und -Risk-Management, Projekt-Management, Innovationsstrategie und Ausbildung.

Jeder nimmt verschiedene Rollen ein

Am Nachmittag begann der erste Durchlauf der Themengruppen in zwei parallelen Sitzungen von je einer Stunde Dauer. Es ging in den Gruppen in der ersten Iteration um den Istzustand der IT der Stadt Zürich. Jeder Teilnehmer verfolgte zwei Themen als Diskutant, zwei als Kritiker und vier als stiller Beobachter und war somit in acht Themen direkt involviert. Als Kritiker konnten die Teilnehmenden nach festgelegten Regeln (nach 15 Minuten Diskussion und noch einmal nach 45 Minuten) ihre Meinung zum Inhalt und Verlauf der Diskussion abgeben, als Beobachter nur per Zettel, der später in die Postkästen der einzelnen Teilnehmer verteilt wurde. Nach rund einer Stunde Arbeit am jeweiligen Thema gab es Protokolle zur Diskussionsgruppe, damit sich jeder Teilnehmer auch über die vier anderen Gruppen informieren konnte, an denen er nicht direkt beteiligt war.

Der zweite Tag begann mit einer Plenarsitzung und der Besprechung der Resultate der einzelnen Gruppen, bevor es im zweiten Durchlauf der Themengruppen um den Idealzustand einer IT für die Stadt Zürich ging. Beim Mittagessen wurden die Teilnehmer dann in so genannten orthogonalen Gruppen platziert: "Die Leute saßen so zusammen, dass sie sich mit Mitgliedern aus Gruppen austauschen konnten, in denen sie nicht selbst dabei waren. Auf diese Weise erhielten alle Teilnehmer den gleichen Informationsstand über alle zwölf Themen", erläutert Heinzmann. Der Tag endete mit einer Ergebnispräsentation pro Gruppe mit Beschreibung von Ist- und Idealzustand sowie informellen Gesprächen beim Abendessen und später an der Hotelbar.

Am Schlusstag folgte der dritte und letzte Durchlauf aller Themen mit Diskussion der Maßnahmen beziehungsweise konkreten Schritte, die auf das gewünschte Ziel hinführen sollten. Vorgabe war, statt vieler Vorhaben lieber wenige relevante zu nennen. "Am Ende hatten wir 33 konkrete Handlungsempfehlungen. 28 davon haben wir nach der Syntegration in die konkrete Ausformulierung unserer IT-Strategie übernommen", erinnert sich Heinzmann.

Hohe Kosten haben sich gelohnt

Die Syntegration legte die Basis für die Konsolidierungs- und Standardisierungsstrategie der Stadt Zürich. Schritte sind etwa die Konsolidierung der Rechenzentren, der Aufbau einer standardisierten IT-Infrastruktur und standardisierter Clients, auf denen brachenspezifische Module für die verschiedenen Abteilungen aufsetzen. "So zentral wie möglich, so dezentral wie nötig", heißt die Devise. Heinzmann ist zuversichtlich, dass die OIZ in enger Zusammenarbeit mit den IT-Abteilungen der Dienstabteilungen und Departementen die IT-Strategie realisieren kann, "da diese in der Syntegration von wichtigen Entscheidungsträgern gemeinsam erarbeitet und vom gesamten Stadtrat getragen und per Weisung in Kraft gesetzt wurde".

Für den Projektleiter haben sich die Kosten von rund 60 000 Euro für die Syntegration gelohnt. "Ich habe weder Lust noch Zeit, Prediger in der Wüste zu sein und die Entscheidungsträger in stundenlangen Sitzungen von der Sinnhaftigkeit einer neuen IT-Strategie zu überzeugen." Daher würde er sofort wieder auf die Syntegration setzen: Damit lassen sich "in kurzer Zeit die gesammelten Kenntnisse der Leute nutzen und alle Beteiligten auf ein gemeinsames Ziel einschwören."

Gesucht: Die CIO-Agenda 2007

Wie müssen sich CIOs gegenüber dem Business aufstellen, um sich und ihre Teams als Wachstumstreiber zu positionieren? Diese und andere Fragen diskutieren 40 CIOs auf dem Syntegrations-Workshop "The CIO beyond. Profiling a successful CIO", den die COMPUTERWOCHE vom 13. bis 15. September in Zürich veranstaltet.

Zusammen mit Professor Fredmund Malik und IT-Chefs von Unternehmen wie Infineon, Audi, Münchener Rück, Deutsche Lufthansa, O2, Deutsche Postbank oder Heidelberger Druck können die teilnehmenden CIOs ihre Agenda für das kommende Jahr entwickeln. Mehr Informationen zur Veranstaltung finden Sie unter www.idg-veranstaltungen/cio-beyond.de.