Gute Vorsätze

2009 wird alles anders! Oder?

22.12.2008 von Anke  Hofmann
Ich treibe öfter Sport. Ich nehme mir mehr Zeit für die Familie. Solche Vorsätze fassen Menschen oft in der Zeit zwischen den Jahren. Doch kaum ist der Neujahrskater verflogen, sind auch die Vorsätze vergessen.

Die Zeit zwischen den Jahren ist für viele neben dem Urlaub die einzige Zeit, in der sie sich entspannt zurücklehnen können. Dann lassen auch viele Menschen das zurückliegende Jahr Revue passieren: Was habe ich erreicht, was nicht? Was hat mir Freude bereitet, was Stress? Wenn kein Handy mehr klingelt und selbst das Shoppen als Ablenkung entfällt, steigen plötzlich seltsame Fragen empor:

Gefährliche Fragen! Denn unser inneres Gleichgewicht gerät schnell ins Wanken, wenn wir auf sie keine befriedigenden Antworten finden.

Wenn die Freizeit wie Arbeit verplant wird

"Viele versuchen deshalb, solche Fragen erst gar nicht hochkommen zu lassen", sagt Sabine Grüner. Die Geschäftsführerin des Münchner Beratungsunternehmens EQ Dynamcis International beobachtet bei Bekannten und Geschäftspartnern, dass diese ihre freie Zeit wie Arbeitszeit verplanen. Ein Termin jagt den anderen: Nach dem Kaffeetrinken bei den Eltern geht es noch schnell mit Freunden ins Theater. Außerdem muss auf dem Speicher Ordnung geschaffen und das neue Computerprogramm installiert werden. So bleibt auch in der Freizeit keine "freie Zeit".

Kurt-Georg Scheible: Was ist mir wichtiger, die Karriere oder die Freunde?

"Dabei werden Auszeiten vom Alltagstress immer wichtiger", betont Grüner. Denn ständig wird von uns mehr Eigeninitiative gefordert. Wir sollen uns lebenslang weiterbilden. Wir sollen stärker auf unsere Gesundheit achten. Und um unsere Alterssicherung? Auch um sie sollen wir uns kümmern. Ständig werden wir mit neuen An- und Herausforderungen konfrontiert. "Von denen wissen wir oft noch nicht, wie wir sie bewältigen sollen. Schließlich sind sie neu. Also brauchen wir Zeit, um neue Lösungswege zu entwerfen", sagt Beraterin Grüner.

"Immer häufiger geraten wir zudem in Situationen, in denen wir uns entscheiden müssen", ergänzt Coach Kurt-Georg Scheible aus Göppingen. Ziehe ich nach München um, weil ich Karriere machen möchte, oder sind mir meine Freunde wichtiger? Spare ich 200 Euro monatlich fürs Alter oder kaufe ich ein neues Auto? Bei allen Fragen müssen wir uns entscheiden. "Denn auch wenn wir uns oft einreden, alles wäre zugleich möglich, faktisch geht dies nicht", betont Scheible. "Wenn wir uns für etwas entscheiden, verwerfen wir zugleich andere Möglichkeiten." Wer Ja sagt, sagt auch Nein.

Eine Lebensvision für sich entwerfen

"Uns bewusst entscheiden, können wir nur, wenn wir wissen, was uns wichtig ist", betont Grigor Nussbaumer, Chef des Mental Power Institut im schweizerischen Thalwil. Sonst fassen wir zwar viele Vorsätze, doch ein, zwei Tage später, kaum setzt die Alltagshektik wieder ein, sind sie vergessen. Warum? "Unsere Vorsätze sind nicht in einer Lebensvision verankert. Deshalb werfen wir sie über Bord, sobald sich Widerstände zeigen."

Eine Lebensvision brauchen wir laut Sabine Grüner auch, "weil die wirklich wichtigen Dinge in unserem Leben selten dringend sind. Also schieben wir sie auf die lange Bank". Einige Beispiele. Es ist nie dringend, joggen zu gehen. Es wäre aber gut für unsere Gesundheit. Es ist nie dringend, mit unseren Kindern zu spielen. Es wäre aber positiv für deren Entwicklung. Es ist nie dringend, mit dem Partner auszugehen oder ein Gespräch zu führen. Es wäre aber wichtig für die Beziehung. Und es ist auch nie dringend, sich zu fragen: Welchen Sinn hat mein Leben? Es wäre aber von Vorteil, um nicht in eine Sinnkrise zu geraten.

"Manche Menschen geben sich der Illusion hin: Wenn ich alles schneller erledige, habe ich für alles Zeit", beobachtet Scheible. Die Konsequenz: Sie gehen nicht durchs Leben, sie rasen. Und irgendwann stellen sie resigniert fest: Nun führe ich zwar ein noch gefüllteres, aber kein erfülltes Leben.

Ein erfülltes statt ein gefülltes Leben führen

Dieses Lebensgefühl plagt immer mehr Menschen. Deshalb füllen die Ratgeber in Sachen Lebensführung immer mehr Regale in den Buchhandlungen. Häufig beziehen sie sich auf das Work-Life-Balance-Modell von Lothar Seiwert. Ihm zufolge stehen die vier Lebensbereiche

Wer ein erfülltes Leben führen möchte, muss laut Seiwert für die rechte Balance zwischen diesen Lebensbereichen sorgen. "Das schaffen wir nur, wenn wir eine Vision von unserem künftigen Leben haben", ist. Mentalcoach Nussbaumer überzeugt. Eine solche Vision kann man nicht zwischen Tür und Angel entwickeln. Hierfür müssen wir uns eine Auszeit von der Alltagshektik nehmen. Und welche Zeit eignet sich für so eine Besinnung besser als die Zeit zwischen den Jahren?

Lothar Seiwert: Die Balance muss stimmen.

"Setzen Sie sich, wenn der Weihnachtsbraten verdaut ist, ruhig hin", rät Scheible, "und fragen Sie sich bezogen auf die vier Lebensbereiche: Was ist mir wichtig? Worin zeigt sich für mich ein erfülltes Leben? Und: Was sollte ich 2009 tun, damit ich auf Dauer ein glückliches und erfülltes Leben führe?" Die Antworten sowie die Entschlüsse, die sich hieraus ergeben, sollten Sie schriftlich fixieren.

Einen weiteren Tipp hat Sabine Grüner: "Tauschen Sie sich mit Ihrem Partner über Ihre Werte und Ziele aus. Denn nur dann können sie die Kompromisse vereinbaren, die nötig sind, damit beide Partner ihr Leben als wert- und damit auch freudvoll empfinden." Sonst stehen Sie irgendwann zwar auf der Karriereleiter ganz oben, aber Sie haben auf dem Weg dorthin etwas Wichtigeres verloren: Ihren Lebenspartner.

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