Gartner über Denkfehler der CIOs

10 Unwahrheiten über Stammdaten-Management

18.01.2013 von Andreas Schaffry
Eine ERP-Einführung macht Stammdaten-Management überflüssig – noch immer sitzen Firmen diesem Mythos auf. Gartner entzaubert ihn und neun weitere Legenden.

Ein zentrales und effizientes Master Data Management (MDM) kann Unternehmen viele Vorteile bieten. Dadurch lassen sich beispielsweise Geschäftsabläufe flexibler und leistungsfähiger gestalten sowie IT-Kosten senken, denn die Aktualisierung und Pflege verteilter Stammdaten-Silos entfällt. "Master Data Management ist der neueste Versuch, um dem Daten-Chaos in Unternehmen Herr zu werden", sagt Andrew White, Analyst beim US-Marktforschungsinstitut Gartner. "Doch wie bei jedem neuen Thema gibt es dazu viel heiße Luft und zahlreiche Missverständnisse."

Einheitliche Stammdaten bilden wichtige Voraussetzungen für einen unternehmensweit reibungslosen Datenaustausch sowie durchgängige Prozesse und Analysen. Die Marktforscher definieren MDM dabei als die Möglichkeit, auf Basis moderner IT-Technologien einheitliche und exakte Stammdaten zu schaffen und semantisch konsistent zu verwalten.

Viele MDM-Programme scheitern

Laut Gartner-Analyst Andrew White verhalten sich Unternehmen beim Stammdaten-Management wenig schlau und jagen Mythen nach.
Foto: Gartner

Unternehmen, die MDM-Vorhaben erfolgreich umsetzen wollen, müssen deshalb diverse technische und organisatorische Hürden überwinden und Fehler vermeiden. Doch genau daran sind in der Vergangenheit viele MDM-Initiativen gescheitert. Deshalb hat Gartner-Analyst White in dem Traktat "The 10 Myths and Realities of Master Data Management" die meist falschen Vorstellungen zu Master Data Management entzaubert.

Mythos 1: Bei MDM geht es um die Implementierung einer Technologie. Stimmt nicht: Bei MDM geht es nicht um eine spezielle Technologie oder ein Bündel von Technologien. In Wirklichkeit muss sich MDM auf die Betriebsabläufe konzentrieren, denn es geht dabei in erster Linie um ein Verständnis, wie Geschäftsprozesse laufen sollen. Da Stammdaten immer vom Business und nicht von der IT generiert werden, ist auch MDM eine Business-Aufgabe.

Mythos 2: MDM ist ein Projekt. Nein, MDM ist ein Programm, das nachhaltig und dauerhaft die Art und Weise verändert, wie Firmen Stammdaten anlegen und verwalten. Für die Umsetzung entsprechender Programme sind jedoch unter Umständen viele Einzelprojekte nötig. Als Technologie-unterstütztes Vorhaben ist MDM auch die gemeinsame Aufgabe des Business und der IT-Organisation, um konzernweit eine einheitliche, fehlerfreie und konsistente Stammdatenbasis aufzubauen. Zugleich braucht es Wege, um Stammdaten mit Hilfe formalisierter Methoden zu verwalten und zu pflegen.

Data Warehouse ersetzt MDM nicht

Mythos 3: Wir brauchen kein Master Data Management, wir haben eine Data-Warehouse-Lösung. Das ist ein unsinniges Argument. MDM umfasst über eine gesamte Organisation hinweg bereichsübergreifend alle Geschäftsprozesse. Das schließt die Datenspeicherung sowie operative und analytische Abläufe ein. Zwar gibt es Überschneidungen mit Business Intelligence (BI), etwa bei Themen wie Datenqualität oder ETL-Prozessen (Extract, Transform, Load), doch die Ziele sind völlig unterschiedlich. MDM, genauer operatives MDM, kümmert sich nur um Stammdaten und operative Abläufe, inklusive Workflows und transaktionale Prozesse. BI dagegen "konsumiert" Stammdaten, um diese auszuwerten.

Ob zur Vereinheitlichung von Kundenstammdaten oder Produktstammdaten: Firmen starten MDM-Initiativen aus unterschiedlichsten Gründen. Ausschlaggebend ist immer ein Business Case, nicht die IT.
Foto: Symantec

Mythos 4: Die Einführung einer ERP-Software macht MDM überflüssig. Das ist falsch. Zwar impliziert ein ERP-System ein unternehmensweit einheitliches Datenmodell, doch es wird von ERP-Anwenderfirmen nur selten realisiert. Durch die Implementierung einer ERP-Software wird nicht automatisch auch MDM unterstützt, denn ERP-Lösungen sind in sich geschlossene Anwendungs-Suiten. Master Data Management ist darauf ausgelegt, über alle Anwendungen (ERP, CRM, SCM) hinweg zu arbeiten.

Mythos 5: MDM eignet sich nur für große Konzerne. Das stimmt ebenfalls nicht. In Wirklichkeit muss das MDM-Prinzip immer dann umgesetzt werden, wenn mehr als zwei Geschäftsprozesse die gleichen Stammdaten nutzen. Das ist in fast jedem Unternehmen der Fall. Dabei sind die Antriebsfedern völlig unterschiedlicher Natur. Während Firma A mit MDM eine einheitliche Sicht auf den Kunden schaffen und so die Kundenbindung verbessern will, braucht Firma B konsistente Produktstammdaten, um neue Erzeugnisse schneller auf den Markt bringen zu können. Zwar starten große Firmen eher MDM-Programme als kleinere, doch das wahre Problem ist: Fast alle leiden unter einer schlechten Stammdatenqualität.

Mythos 6: Metadaten sind "der" Schlüssel zu besserem Stammdaten-Management. Die Aussage ist nur bedingt richtig. Metadaten sind zwar kritisch für ein MDM-Programm, doch sie müssen sich am jeweiligen Business-Kontext orientieren - etwa nach Branche, Anwendungsfall oder der Art der Implementierung. In jeder Firma gibt es verschiedene Typen von Informationen, davon sind Stammdaten nur eine. Die Stammdaten werden über Metadaten beschrieben, sodass sie wiederverwendbar sind. Es gibt also jede Menge an Metadaten bei einer MDM-Initiative.

Doch anders als Datenqualität sind Metadaten nicht der Schlüssel für ein erfolgreiches MDM. Außerdem handelt es sich beim Management von Metadaten um einen eigenen Kompetenzbereich.

Business muss Stammdaten-Management vorantreiben

Mythos 7: MDM ist Aufgabe der IT-Abteilung. In Wirklichkeit sind das Business oder bestimmte Geschäftsszenarien Treiber für entsprechende Programme. Der CIO muss diese aber umsetzen (können). MDM ist immer mit einem Business Case verbunden, und darum sind auch die Fachabteilungen die Treiber entsprechender Initiativen. MDM kann also nicht einfach von der IT-Abteilung implementiert werden, denn dazu müsste diese Geschäftsprozesse und den Umgang mit Stammdaten verändern können.

Mythos 8: MDM-Programme sind zu umfangreich. Stimmt, aber nur wenn sie im Big Bang und nicht sukzessive umgesetzt werden. MDM ist in der Tat das, was Gartner eine "big idea" nennt, denn dabei werden komplexe Fragestellungen innerhalb einer Organisation in Angriff genommen. Doch die Umsetzung von MDM-Vorhaben sollte immer Schritt für Schritt und nach dem Prinzip "think big, act small" erfolgen. Der Fokus muss auf solchen Datendomänen (Data Domain) und Anwendungsfällen liegen, die einen schnellen Nutzen für das Business liefern.

Mythos 9: MDM funktioniert unabhängig von der Governance und Datenqualität. Das ist falsch. Die Unterstützung der Unternehmensstrategie und -ziele, die Orientierung an der Aufbau- und Ablauforganisation sowie die Qualität von Stammdaten sind integrale Bestandteile in MDM-Strategien. Um zum Beispiel unternehmensweit eine einheitliche Sicht auf Stammdaten zu erhalten, benötigt eine Firma klare Regeln für den richtigen Umgang mit ihren Stammdaten und die Fähigkeit, deren Qualität sicherzustellen.

Mythos 10: Es ist egal, von welchem Anbieter ein MDM-Tool stammt. Keineswegs, denn davon hängt Erfolg vieler MDM-Initiativen ab. Master Data Management ist komplex, und es gibt kaum zwei Firmen, deren MDM-Programme sich gleichen. Deshalb ist es durchaus von Bedeutung, auf welche Bereiche die einzelnen MDM-Anbieter spezialisiert sind. Je nach Unternehmen, Branche, Anwendungsfall oder Datendomäne - es muss immer der richtige MDM-Partner gesucht und gefunden werden.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation CIO. (ph)