E-Commerce: Dabeisein ist längst nicht alles

Amerikanische Online-Shops kämpfen mit dem Backend

07.01.2000
MÜNCHEN (CW) - Es ist schwierig, potenzielle Kunden ins Internet zu locken. Sie dort zu halten, scheint eine Kunst zu sein. Das Weihnachtsgeschäft war in diesem Jahr ein guter Maßstab, um Web-Shops und ihre Backend-Integration zu testen.

Im Dezember trennt sich beim E-Commerce die Spreu vom Weizen: Wer hat seine Website am besten im Gedächtnis der Shopper verankert, sind die passenden Produkte in den virtuellen Regalen, und welcher Online-Laden ist in der Lage, die bestellten Güter zu einem festgelegten Zeitpunkt auszuliefern? Hinzu kommt für alle Beteiligten ein Datenvolumen, das den regulären Traffic bei weitem übertrifft.

Nach einer Untersuchung von Media Metrix ist die Zahl der amerikanischen Online-Shopper zur Weihnachtszeit 1999 im Vergleich zum Vorjahr um 37 Prozent gestiegen. Nicht alle Interessenten haben allerdings auch etwas gekauft. Die IT-Berater von Enamics haben herausgefunden, dass jeder Vierte den Kauf vorzeitig abgebrochen hat. Entweder war die Navigation zu umständlich, oder die Wartezeiten waren zu lang. Die Geschäfte liefen folglich gut, sie hätten aber besser sein können.

Auslieferungsprobleme wurden unterschätzt

Dabei ziehen sich die Probleme in der Regel durch das gesamte E-Commerce-Unternehmen. Bestandsinformationen sind nicht abrufbar, die Kunden-Hotline ist nicht besetzt, oder Bestellungen müssen aus dem Web-Shop manuell in die Backend-Software übertragen werden. Allerdings kann es auch vorkommen, dass lediglich die Website schlampig programmiert wurde. So berichtet die "Financial Times" von einem großen amerikanischen Elektronik-Retailer, in dessen Online-Shop ein Button fehlt, mit dem man an die virtuelle Kasse gelangt. Die Gefahr ist, dass sich Kunden nach solchen Erfahrungen nicht mehr in dem Laden blicken lassen.

Nach Meinung von David Schatsky, einem Analysten von Jupiter Communications, liegt das zentrale Problem des abgeschlossenen Weihnachtsgeschäfts auf der Hand: "Die Abwicklung und Auslieferung der Bestellungen sorgte für die meisten Frustrationen." Kümmerten sich viele E-Commerce-Unternehmen vorrangig darum, die Kunden auf die Site zu locken, vernachlässigten sie auf der anderen Seite ihre Geschäftsprozesse.

Laut Brent Cohen, Chef der Firma E-Hobbies, haben viele Firmen das Problem der Auslieferung unterschätzt. Eine Lektion, die auch der traditionelle Spielzeughändler Toys R Us lernen mußte: Die Firma ließ als Präventivmaßnahme Einkaufsgutscheine in Höhe von 100 Dollar für alle Kunden springen, deren elektronische Bestellung nicht mehr pünktlich ausgeliefert wurde.

Änliche Probleme plagten auch den Konkurrenten Etoys. Das Unternehmen teilte mit, dass rund 90 Prozent der Weihnachtsbestellungen spätestens am Heiligen Abend ausgeliefert wurden. Für die restlichen Käufer gab es Gutscheine, die allerdings nicht so üppig wie bei Toys R Us ausfielen.

Weiteres Salz in die E-Commerce-Suppe streuten die Analysten der Wallstreet. Robertson Stephens stufte Etoys von "kaufen" auf "langfristig attraktiv" herunter, worauf der Aktienkurs der Firma um 16 Prozent fiel. Der Grund: Die Analysten befürchten Probleme mit dem Kundendienst sowie sinkende Gewinnmargen durch hohe Versandkosten und eine stetig steigende Umtauschrate. Parallel dazu verlor Amazon.com rund zehn und Ebay knapp sechs Prozent.