Amerikanische Kartellbehörde stellt Marathonverfahren gegen "Big Blue" ein:Reagan befreit IBM von Antitrustdruck

15.01.1982

NEW YORK/STUTTGART - Sang- und klanglos beendet wurde der seit Februar 1975 laufende Marathonprozeß "USA gegen IBM": Das amerikanische Justizministerium hat jetzt das Antitrustverfahren mit der Begründung eingestellt. die Klage habe auf "schwachen Beweisen" beruht (siehe Kolumne, Seite 7). Wesentlicher Anklagepunkt war die Monopolstellung der IBM im Universalrechnermarkt.

Ziel des bereits 1969 angestrengten Kartellverfahrens war, die IBM Corporation zu zerschlagen. Die US-Regierung, vertreten durch die Antitrustabteilung des Justizministeriums, forderte die Aufteilung des gesamten in- und ausländischen Computerbereichs des DV-Giganten in mehrere getrennte, unabhängige Gesellschaften für Entwicklung, Produktion, Vertrieb, Software und Service sowie Finanzierung. Die Regierungsanwälte warfen der IBM vor, daß sie den Markt für Universalrechner kontrolliere und ihre enorme Marktmacht durch monopolistische Praktiken zu erhalten versuche. "Big Blue" hat diese Vorwürfe in der Klageerwiderung zurückgewiesen.

Jetzt ist die Klage vom Tisch. "Damit hat das Justizministerium nun unsere von Anfang an vertretene Auffassung bestätigt", freut sich IBM-Präsident John R. Opel, "daß in unserem Industriezweig der Wettbewerb funktioniert und daß IBM die Antitrust-Gesetze nicht verletzt hat."

Die Entscheidung kommt nicht überraschend. "Daß die Klage früher oder später in sich zusammenfallen mußte", urteilt Ulrich Schröder, Geschäftsführer der Hamburger Leasinggesellschaft ICC, "war im Grunde allen Beteiligten klar." Ein Branchenbeobachter erläutert: "Es gibt heute eine Vielzahl von Teilmärkten, und IBM dominiert weiß Gott nicht in allen."

Rudi Erdmann, Marketing-Manager bei der Computer Associates GmbH Weiterstadt, gewinnt der Meldung von dem Prozeßende aus der Sicht der Softwarebranche durchaus positive Seiten ab. "Mit der Einstellung des Verfahrens ist sichergestellt, daß wir weiterhin im Wind einer stark gebliebenen IBM gut mitsegeln."

Gelassen gibt sich Dieter Frank, Geschäftsführer der Frankfurter NAS GmbH, Anbieter von IBM-kompatiblen Zentraleinheiten: "Ich sehe für unsere Politik keine Änderungen," Unabhängig von den Recherchen der Kartellbehörden, so der PCM-Manager, hätte NAS bei der IBM immer das erreichen können, "was sie wollte." Frank bestätigt damit indirekt, was Erdmann offen ausspricht: Der IBM-Fall sei nicht justitiabel gewesen. "Auch ein negativer Ausgang des Verfahrens", meint der CA-Marketier, "hätte nicht verhindert, daß der De-facto-Standard in Hardware und Software sich mit zunehmender Tendenz an IBM orientiert."

So wundert es nicht, daß Befürworter einer Anti-IBM-Haltung der US Regierung nun eine Verschärfung des Wettbewerbs befürchten. "Ich glaube allerdings nicht", tröstet sich ein IBM-Konkurrent, daß der Marktführer jetzt noch schamloser wird als er ohnehin schon ist. Die IBM werde wohl aufpassen, nicht wieder an die Grenze des Erträglichen zu kommen.

Nicht ernst zu nehmen ist nach Meinung eines Insiders die Argumentation der Kartellbehörde die Einstellung des Verfahrens sei die "einzig sinnvolle Entscheidung". Er sieht diese Entscheidung vielmehr als eine Folge der Reagan-Politik: "Die US-Regierung mag zwar nichts von Computern verstehen, sie schützt aber IBM als einen der größten amerikanischen Arbeitgeber und Steuerzahler."

Weit gefährlicher als die Washingtoner Wettbewerbshüter habe die IBM Corporation die Japaner eingeschätzt, glaubt ein IBM-Kenner. "Die IBM hat eine höllische Angst vor der gelben Gefahr." Das IBM-Management habe der Regierung klargemacht, so der Armonk-Astrologe, daß die Japaner verstärkt in den US-Markt eindringen würden, wenn IBM weiter auf der Anklagebank sitze: "Reagan will nicht noch ein weiteres Produktionsgebiet an die Japaner verlieren."