Übernahme von Voicestream bringt Sommer nur im Mobilfunk voran

Amerika bleibt für die Telekom im Festnetz und Internet ein weißer Fleck

28.07.2000
MÜNCHEN (pg) - Endlich! Die Telekom meldet Vollzug. Für rund 106 Milliarden Mark soll der US-Mobilfunker Voicestream in den Besitz der Bonner übergehen. Ein stolzer Preis, dafür, dass sich die Deutschen damit lediglich ein Standbein im amerikanischen Mobilfunkmarkt schaffen. Will Ron Sommer aber multinationalen Konzernen weltweit TK-Services bieten, wird er weiter investieren müssen.

Es war eine schwere Geburt. Fast zwei Jahre dauerte die Suche von Telekom-Chef Ron Sommer nach einem Partner im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Doch so unbegrenzt sind die Möglichkeiten jenseits des großen Teiches für die Bonner wohl doch nicht. Mit Voicestream wurde jetzt zwar ein Unternehmen an Land gezogen, letztlich aber nur ein Teilerfolg erzielt. Getrübt wird der Deal durch den hohen Kaufpreis, den die Telekom für eine verschuldete Company zahlt, die zwar im Mobilfunk gute Optionen verspricht, die Bereiche IP-Networking und Festnetz aber nicht abdeckt. Außerdem ist die Zustimmung der US-Behörden mehr als ungewiss.

Aufgrund dieser Handicaps hält sich die Begeisterung der Anleger über den Deal in Grenzen. Nach Bekanntgabe der Übernahmepläne stürzte die T-Aktie unter 49 Euro ab, nachdem sie zuvor schon im Sinkflug war. Da half es auch nichts, dass Sommer die hohen Investitionskosten mit der Bemerkung verteidigte, ein Unternehmen auf dem US-Markt sei nicht für einen "Schnäppchenpreis" zu haben. Die Vertragspartner hatten für eine Voicestream-Aktie einen Gegenwert von 3,2 Telekom-Papieren sowie 30 Dollar in bar vereinbart. Auf diese Weise errechnet sich der Kaufpreis von rund 106 Milliarden Mark.

In der Tat stellt Sommer mit dem Merger einen neuen Rekord auf. Auf die 2,3 Millionen Voicestream-Kunden umgerechnet, ergibt sich pro Kopf eine Investitionssumme von 20000 Dollar. Bisheriger Spitzenreiter war France Télécom nach der Übernahme von Orange mit fast 10000 Dollar pro Nase.

Rechnungen dieser Art möchte der Telekom-Chef jedoch nicht gelten lassen. Er wischte bei der Ankündigung des Deals die Zahl von 20000 Dollar vom Tisch und konterte mit 280 Dollar pro Teilnehmer. Diese Summe rechtfertigt Sommer mit den enormen Wachstumschancen im Mobilfunk beziehungsweise der potenziellen Nutzerzahl von Voicestream.

Die Einkaufstour wird weitergehenDer Telekom-Chef schöpft seinen Optimismus aus der Tatsache, dass Voicestream mit seinem Mobilfunknetz die USA weitgehend abdeckt und in 22 der 25 wichtigsten Märkte vertreten ist. Gegenwärtig besitzen die Amerikaner zwar nur einen Marktanteil von vier Prozent, könnten nach Sommers Aussage von der Reichweite her aber sogar 220 Millionen Kunden adressieren. Bis Ende 2005 sollen es laut Geschäftsplan 19 Millionen in den USA sein. Ein weiteres Plus von Voicestream: Die gesamte Netzinfrastruktur basiert auf dem digitalen GSM-Standard, auf dem auch die Mobilfunknetze der Telekom-Töchter beruhen.

Die Telekom kündigte in diesem Zusammenhang an, das Voicestream-Netz so schnell wie möglich auf den Standard General Packet Radio Service (GPRS) aufzurüsten, um die Datenübertragungsrate von 9,6 Kbit/s auf 115 Kbit/s zu steigern. Außerdem wollen die Bonner Voicestream fünf Milliarden Dollar für die Ersteigerung einer Lizenz der kommenden dritten Mobilfunkgeneration Universal Mobile Telecommunications System (UMTS) zuschießen. Sollten die Behörden die Akquisition nicht genehmigen, werden die fünf Milliarden Dollar in eine zehnprozentige Beteiligung der Deutschen an Voicestream umgewandelt.

Gegen eine behördliche Zustimmung spricht einiges, denn der hohe Staatsanteil von derzeit 58 Prozent an der Telekom ist vielen Amerikanern ein Dorn im Auge. Die amerikanischen Kartellbehörden sind für ihre restriktive Haltung bekannt. Außerdem setzt sich eine Gruppe von Senatoren gerade für ein Gesetz ein, das Fusionen mit ausländischen Unternehmen verbietet, sofern der Staat daran mit mehr als 25 Prozent beteiligt ist. Geht der Deal klar, würde der Anteil des deutschen Staates auf 45 Prozent sinken.

Grünes Licht für die Übernahme würde für die Bonner zumindest im Mobilfunk einen großen Schritt nach vorne bedeuten. Mit der Präsenz in den USA holt die Telekom gegenüber den Konkurrenten Vodafone-Airtouch und France Télécom auf, die ebenfalls eine internationale Mobilfunkstrategie verfolgen. In Europa adressiert der deutsche Carrier mit T-Mobil International derzeit rund 25 Millionen Kunden.

Der mögliche Deal mit Voice-stream kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Vereinigten Staaten für die Telekom in Sachen Festnetz sowie Internet weiterhin ein weißer Fleck sind. Hier besteht für Sommer dringender Handlungsbedarf, will er dem Anspruch gerecht werden, international agierenden Großunternehmen weltweit TK-Services aus einer Hand anzubieten. Die Einkaufstour muss also weitergehen, bestätigt auch Holger Grawe, TK-Analyst der Düsseldorfer West LB, gegenüber der CW.

Der Wunschpartner Sprint ist wohl nicht zu haben, schon gar nicht nach der verkorksten Allianz Global One, an der die Amerikaner, die Telekom und France Télécom beteiligt waren. Heiße Kandidaten bleiben Qwest und Global Crossing. Für Grawe heißt der Favorit jedoch Cable & Wireless.