AMDs Prozessor-Hoffnung

AMDs Zen-CPU revolutioniert das x86-Computing

15.12.2016
Von 
Bernhard Haluschak war bis Anfang 2019 Redakteur bei der IDG Business Media GmbH. Der Dipl. Ing. FH der Elektrotechnik / Informationsverarbeitung blickt auf langjährige Erfahrungen im Server-, Storage- und Netzwerk-Umfeld und im Bereich neuer Technologien zurück. Vor seiner Fachredakteurslaufbahn arbeitete er in Entwicklungslabors, in der Qualitätssicherung sowie als Laboringenieur in namhaften Unternehmen.
Nach langer Durststrecke kann AMD mit der Zen-Architektur Intel im Bereich Desktop-, Mobile- und Server-Prozessoren wieder Paroli bieten, so Mark Papermaster, Senior Vice President und Chief Technology Officer (CTO) von AMD in einem Computerwoche-Interview.

Mit der neuen Zen-Architektur und dem jüngst vorgestellten RyZen-Prozessor ("Summit Ridge") hat AMD gegenüber Intel wieder eine konkurrenzfähige Desktop-CPU am Start - so der Wunsch. Diese Architektur soll auch mit der "Naples-CPU" in Q2 2017 in Servern und mit der "Raven-Ridge-CPU" im zweiten Halbjahr 2017 in Notebooks Einzug halten. Hinsichtlich Prozessor-Performance und Energieeffizienz zeigen sich die AMD-Entwickler dabei recht zuversichtlich. Wollen sie doch nach langer "Abwesenheit" mit dieser Neuentwicklung den Erzrivalen Intel wieder gehörig unter Druck setzen.

Woher der Optimismus kommt und wie AMD aktuellen und zukünftigen IT-Entwicklungen gerecht werden will, erläutert Mark Papermaster, Senior Vice President (SVP) und Chief Technology Officer (CTO) bei AMD in unserem Interview:

Der Senior Vice President (SVP) und Chief Technology Officer (CTO) von AMD Mark Papermaster schaut hinsichtlich der neuen AMD-Zen-Architektur zuversichtlich in die Zukunft.
Der Senior Vice President (SVP) und Chief Technology Officer (CTO) von AMD Mark Papermaster schaut hinsichtlich der neuen AMD-Zen-Architektur zuversichtlich in die Zukunft.
Foto: AMD

Herr Papermaster, die Entwicklungsgeschwindigkeit in der IT-Branche ist durch den wachsenden Innovationshunger rasant gestiegen. Wie schätzen Sie die aktuelle Situation ein?

"Zwei Konstanten prägen den Technologiesektor: Der permanente Wandel und der stetig wachsende Bedarf an Rechenleistung. Digitalisierung, IoT, Onlinesuche, maschinelles Lernen, die Analyse großer Datenmengen, die Erstellung und Übertragung von Inhalten, Virtual Reality, Augmented Reality, Onlinesuche, Gaming - die Liste an Aufgaben, die eine immer höhere Rechenleistung benötigen, wächst kontinuierlich. Denn der Mensch gewöhnt sich schnell an technische Errungenschaften und erwartet mehr, in immer kürzeren Intervallen."

"Ich bin seit mehr als dreißig Jahren in dieser Branche tätig und es ist in dieser Zeit so viel passiert. Insbesondere die Entwicklung des World Wide Web und der grafischen Benutzeroberfläche hat einen tiefgreifenden Wandel eingeläutet. Einst ein reines Textverarbeitungswerkzeug ist der PC das Tor zur Welt geworden. Wie nie zuvor hat der Mensch heute die Möglichkeit, auf nahezu unendlich viele Informationen zuzugreifen und Wissen zu teilen. Mit den mobilen, vernetzbaren Geräten - zunächst Notebooks, später Smartphones und Tablets - folgte eine Flut an Apps und eine Unmenge an Daten, die gespeichert, verarbeitet und analysiert werden müssen. Dies hat den Bedarf an Rechenleistung noch zusätzlich befeuert."

Welche Konsequenzen hat AMD aus dieser Entwicklung gezogen?

"Um den steigenden Erwartungen gerecht zu werden, hat AMD schon vor vier Jahren eine Verjüngungskur für seine x86-Mikroprozessor-Architektur gestartet. Mit den Vorgängermodellen unserer CPU-Familie konnten wir zwar große Energieeffizienzsteigerungen vorweisen, aber waren noch nicht in der Lage, die komplette Bandbreite der leistungshungrigen Anwendungen zu bedienen. Deshalb haben wir "Zen" entwickelt. Performance, Datendurchsatz und Energieeffizienz wurden gezielt verbessert, um auch anspruchsvollsten Anwendungen gerecht zu werden. Mit einer 40-prozentigen Steigerung bei der Anzahl an Befehlen pro Taktzyklus ist Zen eine deutlich leistungsfähigere Engine, die dennoch nicht mehr Energie verbraucht."

Was ist neu an Zen und womit wird die Architektur Ihrer Meinung nach auf dem Markt die Nase vorne haben?

"Mit "Zen" haben wir eine in jeder Hinsicht innovative und zukunftsweisende Technologie geschaffen. Grundlegende Neuerungen beim Umgang mit Befehlen, eine Leistungssteigerung bei den Ausführungseinheiten und dem Cache-Subsystem beschleunigen den Durchsatz und parallele Arbeitsabläufe. Zen liefert verbesserte Vorhersagen für die Ausführungszweige, sodass die richtigen Befehle ausgewählt werden. Über einen neuen Micro-Op Cache werden diese Befehle besser ausgegeben. Im Vergleich zur Vorgängergeneration können mit Zen mehr Befehle verarbeitet und parallel durchgeführt werden. Das erreichen wir zum einen über ein 75 Prozent größeres Scheduling-Fenster und zum anderen mittels einer um 50 Prozent erweiterten Befehls-Bandbreite. Diese Kombination steigert die Rechnerleistung pro Sekunde merklich."

"Wer einen leistungsstarken Motor besitzt, muss ihn auch mit dem passenden Treibstoff versorgen. In diesem Fall sind das Daten und Befehle aus dem Hauptspeicher. Um das mit den 8 Megabyte des L3-Cache zu realisieren, wurden die Cache-Hierarchie umgestaltet, das L2-Cache für Befehle und Daten vereinheitlicht sowie separate Caches mit einer niedrigen Latenzzeit eingeführt. Der neue Kern kann im Vergleich zu unserem früheren Modell nun auf das Fünffache der Bandbreite zugreifen. Die proprietäre Ausführung des "Zen" Pre-Fetcher, der unerlässlich für den Durchsatz ist, basiert auf einem der komplexesten Algorithmen im Prozess-Design. Er arbeitet vorausschauend und schätzt anhand der aktuell durchgeführten Routinen ab, welcher Befehl als nächstes gebraucht wird. Es ist Kunst wie Wissenschaft gleichermaßen, dies ideal umzusetzen und Fehler schnell zu korrigieren."

"Mit "Zen" ist uns das, wie ich finde, sehr gut gelungen. Eine deutlich verbesserte Durchsatzleistung im Vergleich zur früheren Generation zeigt auch der Wechsel zu einem simultanen Multi-Thread (SMT) Design. Dieses Konzept versetzt den Kern in die Lage, den Überblick über die Aufgaben innerhalb eines Programms zu behalten. Pausiert beispielsweise die Bearbeitung einer Aufgabe, weil ein Befehl oder erforderliche Daten noch fehlen, kann in der Zwischenzeit eine andere Aufgabe erledigt werden, die sich nicht im Wartemodus befindet. Für die Software ergeben sich dadurch zusätzliche Verarbeitungsressourcen, die SMT-fähig sind."

Das Thema Energieeffizienz ist für den Erfolg einer Prozessortechnologie heute entscheidend. Inwieweit hat sich dieser Aspekt auf die Entwicklung von Zen ausgewirkt?

"Bei der Entwicklung von "Zen" hat die Energieeffizienz eine wichtige Rolle gespielt. Das Ziel der Ingenieure war von Anfang an, jedes mögliche Mikrowatt aus dem Design herauszuholen. Die "Zen"-CPU wurde für ein breites Einsatzspektrum konzipiert - vom lüfterlosen Notebook bis hin zum Supercomputer. Denn alle Nutzer vereint der Wunsch nach maximaler und dabei effektiv genutzter Leistung. In einer Branche, in der eine Leistungssteigerung von 10 Prozent als signifikanter Erfolg gewertet wird, scheint das selbstgesetzte Ziel, 40 Prozent ohne einen Anstieg des Strombedarfs zu erreichen, schier unmöglich. Doch die Ingenieure von AMD haben zusätzliche energiesparende Schalthebel identifiziert, um die Mikro-Architektur auch in Sachen Energieverbrauch weiter zu optimieren und ein umfassendes Taktmanagement zu implementieren."

"Wenn ein Teil des Prozessors keine aktive Arbeit durchführt, wird dieser heruntergefahren, um den Energieverbrauch zu senken. Werden dann die Taktgeber eingeschaltet und die Arbeitsauslastung beschleunigt, erhält der Nutzer eine sehr schnelle Leistung pro Watt. Zudem wird bei "Zen" die neue 14nm FinFET Halbleitertechnologieeingesetzt. Der innovative FinFET-Transistor ist kleiner, verbraucht weniger Energie und bietet eine höhere Leistung als die vorherige Generation. Grundsätzlich bieten FinFET-Transistoren eine große Spannbreite an Möglichkeiten - vom niedrigen Energiebedarf mit geringem Stromverlust bis zu hohen Spannungswerten mit erhöhter Frequenz und Leistung ist alles möglich."

AMD will mit der Zen-Architektur neue Maßstäbe setzen und Mitbewerber angreifen. Wann können wir mit den ersten Zahlen rechnen, die den Erfolg dieser ambitionierten Ziele belegen?

"Wie erfolgreich "Zen" tatsächlich sein wird, können wir erst im nächsten Jahr mit Sicherheit sagen, wenn die ersten Produkte mit dem "Zen"-CPU auf dem Markt sind. Allerdings beeindrucken die Laborergebnisse bereits jetzt. So haben wir vor Kurzem die Funktionalität des "Zen"-Kerns sowohl in einem 8-Core/16-Thread "Summit Ridge" Bildschirm-Prozessor als auch an einer 32-Core/64-Thread "Naples" Server-Plattform demonstriert."

"AMD hat sich langfristig der Zukunft von leistungsstarkem x86-Computing verschrieben und mit "Zen" lediglich einen ersten Meilenstein gesetzt. Auf unserer Roadmap stehen schon die nächsten Produktgenerationen mit Weiterentwicklungen, an denen unser Team bereits arbeitet. Denn der schnelle technologische Wandel und die ständig steigenden Leistungsanforderungen werden auch künftig unsere Branche vorantreiben."