Thomas Seifert im Interview

AMD drängt mit Chips in Tablet-Computer

01.07.2011
Der Siegeszug von Tablet-Computern und Smartphones wirbelt die PC-Branche durcheinander.

Auch der zweitgrößte Prozessorenhersteller Advanced Micro Devices (AMD) stellt sich auf die wachsende Nachfrage nach den kleinen Geräten ein. Im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa spricht Konzernchef Thomas Seifert über neue Produkte und warum er nicht jeden Trend mitmacht.

Bis jetzt ist AMD in den neuen mobilen Geräten kaum vertreten. Ändert sich das in naher Zukunft?

Seifert: Das erste Tablet mit einem Baustein von uns, das jetzt auf den Markt kommt, stammt von Acer. Und es werden mehr Geräte werden über die nächsten Monate. Wir werden zudem mit dem Start von Windows 8 neue Produkte auf den Markt bringen, die den Tablet-Bereich ansprechen. Da arbeiten wir jetzt dran und das schaut auch gut aus.

Glauben Sie, dass Tablets und Smartphones die klassischen PC ersetzen werden? Die mobilen Geräte erleben ja gerade einen Boom.

Seifert: "Es ist schon heute ein großer Markt, der allerdings von einem einzigen Spieler dominiert wird - und das ist Apple mit seinem iPad. An eine richtige Kannibalisierung glaube ich nicht. Die Wachstumsraten im Stamm-PC-Geschäft werden sich aber verringern.

Merken Sie bereits eine Abschwächung? Der weltgrößte Computerbauer Hewlett-Packard musste bereits seine Jahresprognose kappen.

Seifert: Es ist im Großen und Ganzen unverändert. Bei uns ist vor allem die Nachfrage aus den Schwellenländern weiterhin stark. HP ist ein großer Kunde von uns, keine Frage. Aber es gibt andere, die Marktanteile dazugewinnen.

Kommt für Sie der Einstieg ins Smartphone-Geschäft in Frage?

Seifert: Der Smartphone-Markt ist hoch fragmentiert. Es gibt schon jede Menge Spieler und nicht alle verdienen Geld. Wir werden in einem ersten Schritt nicht einsteigen.

Ist der Wandel gefährlich für AMD? Ihrem großen Rivalen Intel wurde vorgeworfen, die Entwicklung verschlafen zu haben.

Seifert: "Für jemanden, der klein ist und nicht 80 oder 85 Prozent Marktanteil hat, ist so ein Umbruch immer mehr Chance als Bedrohung. Ich glaube, es wird uns helfen, dass da neue Spieler reinkommen."

Ein Deutscher als Konzernchef in Texas

Deutsche Chefs in US-Konzernen sind Mangelware. Zu den wenigen Auserwählten gehört Thomas Seifert. Er ist eher zufällig an die Spitze des Chipkonzerns AMD gerückt und schwärmt von Land und Leuten. Ein paar Kleinigkeiten aus der Heimat vermisst er dann aber doch.

Thomas Seifert hat ein Problem. "Die Flugzeugsitze hier in den USA sind so eng, ich habe kaum Platz für meine Füße." Der großgewachsene Mitvierziger reist viel, seitdem er Anfang des Jahres zum Interimschef des Chipkonzerns AMD aufgestiegen ist. "Ich schüttele mehr Leuten die Hand als in meiner alten Rolle als Finanzchef, und das macht Spaß", sagt Seifert. Der Kontakt mit Kunden und Mitarbeitern sei ihm wichtig.

Seifert ist einer der wenigen Deutschen, die an der Spitze eines namhaften US-Konzerns stehen. Seine Kollegen lassen sich an einer Hand abzählen: Der ehemalige SAP-Chef Léo Apotheker führt seit kurzem den weltgrößten Computerhersteller Hewlett-Packard (zufälligerweise der wichtigste Kunde von AMD), Martin Richenhagen lenkt den Landmaschinen-Hersteller AGCO (zu dem auch der Traktorenhersteller Fendt gehört) und der frühere Siemens-Chef Klaus Kleinfeld zieht die Fäden beim Alu-Konzern Alcoa.

"Dass ich ein Deutscher bin, war kein Thema im Unternehmen", sagt Seifert, "schon eher, dass ich aus der kaufmännischen Ecke komme." Die Angst vor einem kühlen Zahlenmenschen hat Seifert seinen Leuten aber rasch genommen, wie einer seiner Mitarbeiter beteuert: "Thomas ist total offen, geht auf jeden zu und redet mit den Leuten."

Seifert kommt zugute, dass es in der High-Tech-Branche so international zugeht wie in kaum einer anderen Industrie. Bei AMD wimmelt es von Asiaten und Europäern. "Selbst in meinem letzten Job habe ich 80 Prozent der Zeit Englisch gesprochen, obwohl ich in München gesessen habe. Jetzt spreche ich halt 100 Prozent meiner Zeit Englisch."

Seifert kommt vom insolventen Speicherchip-Herstellers Qimonda, der Anfang 2009 zusammengebrochen war. Damals war eins zum anderen gekommen: Die Preise für die Chips fielen ins Bodenlose und die Banken drehten in der Wirtschaftskrise den Geldhahn zu. Seifert steckte als Finanzvorstand mittendrin im Schlamassel. "Die Erfahrung möchte ich nicht noch einmal machen", sagt er im Nachhinein.

Doch nur wenige Monate später fand Seifert einen neuen Job, als Finanzchef bei AMD. "Ein Headhunter sprach mich an", erinnert er sich. Die Qimonda-Pleite sei dabei kein Problem gewesen. "Das Thema Insolvenz ist in den USA nicht so negativ besetzt wie in Deutschland." Zudem kannten sich beide Seiten noch von früher - Qimonda hatte mit AMD an neuen Chips gearbeitet. "Die Chemie stimmte", sagt Seifert. Er schlug andere Angebote aus und zog von München in die 800 000-Einwohner-Stadt Austin mitten in Texas.

"Mir kommen das Land, die Leute und die Lebenseinstellung sehr entgegen. Deswegen war das kein schwerer Schritt", sagt Seifert. Seine Familie folgte ihm: seine Frau Gesine sowie die drei Kinder Philipp, Oliver und Elena. Der Älteste (20) geht auf die Uni im wenige Autostunden entfernten Houston, die beiden Jüngeren (17 und 14) besuchen die örtliche High School. "Wir haben schon viele Umzüge hinter uns", sagt Familienvater Seifert.

Auch in den USA hat der Deutsche schon Station gemacht: Er studierte hier, später arbeitete er für ein Gemeinschaftsunternehmen von Infineon und Motorola, davon ein paar Monate sogar in seinem neuen Wohnort Austin.

"Klar gibt's Sachen, die ich vermisse", räumt er auf Nachfrage ein. Das seien aber nicht Brot oder Wurst, wie so viele Auslandsdeutsche sagen. "Ich vermisse München - die nahen Berge, die kurzen Wege nach Italien oder Österreich." In Austin fehle ihm zudem etwas das kulturelle Angebot. "Da müssen wir uns schon nach Houston oder Dallas bewegen." Eine Rückkehr nach Deutschland ist derzeit aber kein Thema im Hause Seifert.

Auf Dauer will der Finanzexperte Seifert den AMD-Chefsessel allerdings nicht besetzen. Er war nur eingesprungen, weil sein Vorgänger wegen firmeninterner Querelen gehen musste. Der Verwaltungsrat habe ihn auch gefragt, ob er den Job dauerhaft mache wolle, sagt Seifert. Er habe jedoch abgelehnt. Jetzt wartet er darauf, dass ein endgültiger Konzernlenker gefunden wird, um dann wieder auf seinen alten Posten zurückzukehren. "Finanzchef in einem börsennotierten Unternehmen in den USA ist ja auch keine schlechte Sache."

(dpa/tc)