CFO Jensen erwartet Pro-forma-Gewinn im vierten Quartal

Amazon.com verkauft jetzt PCs

15.06.2001
MÜNCHEN (CW) - Mit neuen Einnahmequellen und Maßnahmen zur Kostensenkung will Amazon.com im vierten Geschäftsquartal zumindest einen Pro-forma-Gewinn ausweisen. Der Online-Shop wird sich künftig auch als PC-Anbieter betätigen und Bücher an Firmen und Institutionen verkaufen.

Trotz eines Schuldenbergs von rund zwei Milliarden Dollar hält Amazon an seinem Ziel fest, noch in diesem Jahr einen Gewinn auszuweisen. Für die Jahre 2002 und 2003 rechne man ebenfalls mit schwarzen Zahlen, erklärte Chief Financial Officer (CFO) Warren Jenson.

Allerdings versteht er darunter nicht den üblicherweise veröffentlichten Nettogewinn, sondern spricht von einem Profit auf Pro-forma-Basis. Dabei werden etwa die gewaltigen Kreditzinsen oder einmalige Aufwendungen für Akquisitionen nicht berücksichtigt. Für das Geschäftsjahr 2000 verbuchte Amazon einen Verlust von 1,4 Milliarden Dollar bei Umsätzen von 2,76 Milliarden Dollar.

Allein mit dem Verkauf von Büchern wird sich die Gewinnschwelle nicht erreichen lassen. Das hatte man in der Firmenzentrale in Seattle schon 1999 erkannt. Seither hat der Online-Händler das Angebot ausgeweitet und bietet inzwischen neben CDs und Videos unter anderem auch Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräte an. In Zusammenarbeit mit Toys R Us verdient Amazon auch am Vertrieb von Spielwaren.

Ab dem zweiten Halbjahr will man nun zusätzlich PCs online feilbieten. Wie sich das Unternehmen ausgerechnet in diesem hart umkämpften und zumindest in den USA größtenteils gesättigten Markt behaupten will, bleibt allerdings unklar. David Risher, Vice President für Marketing und Merchandising, gab sich vor Analysten sehr bedeckt. Er machte keinerlei Angaben dazu, mit welchen PC-Herstellern Amazon zusammenarbeiten wird oder welche Modelle angeboten werden sollen. Zwar handele es sich um einen Markt mit starker Konkurrenz, konzedierte der Manager. Der Absatz von PCs über das Web habe jedoch im Januar und Februar um 77 Prozent zugenommen, während die Offline-Verkäufe um 23 Prozent gesunken seien.

Deutsche Kunden werden das Angebot nicht wahrnehmen können. Laut der Pressestelle der hiesigen Amazon-Dependance gilt die Ankündigung ausschließlich für den US-amerikanischen Markt.

Eine weitere Umsatzquelle will sich Amazon mit dem Verkauf von Büchern an Firmen und Institutionen - Schulen oder Bibliotheken - erschließen. Diesen soll es beispielsweise gestattet werden, statt der sonst üblichen Kreditkarten standardisierte Einkaufsformulare zu verwenden.

Auf der Ausgabenseite verstärkt Amazon seine Bemühungen, die Lagerbestände zu minimieren. Einige Waren sollen künftig unter Umgehung eigener Lagerstätten direkt an Kunden geliefert werden. Die Logistik übernehmen entweder die Hersteller selbst oder Drittanbieter. So ist geplant, dass ausschließlich spezialisierte Distributoren die über die Amazon-Site geordeten PCs zu den Abnehmern transportieren. Damit, so hofft die Führungsriege, lassen sich sowohl die Lagerbestände als auch die Lieferkosten drücken.

Für Amazon bedeuten diese Maßnahmen eine Abkehr von der bisherigen Praxis. In der Vergangenheit baute das Unternehmen in den USA eine ganze Reihe von Lagerstätten auf, die jeweils rund 45 Millionen Dollar kosteten.

Analysten zweifeln, dass Amazon mit Online-Verkäufen allein jemals die Gewinnschwelle erreichen wird. Michael May von der Marktforschungsfirma Jupiter Research sieht den Schlüssel zum Erfolg in Allianzen mit Unternehmen aus der Old Economy. Diese könnten das Portal und die Technik des E-Commerce-Pioniers nutzen und ihre Waren neben den eigenen Vertriebswegen auch über dessen Site vermarkten. Er verweist dabei auf die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Toys R Us.

Ähnliche Kooperationen seien auch mit anderen Unternehmen denkbar, so May. Allerdings würde Amazon davon mehr profitieren, wenn es seine Geschäftstätigkeiten aufspaltet. So könnte sich ein separates Unternehmen als Technologieanbieter betätigen, ein anderes das klassische Online-Handelsgeschäft betreiben.