Zurück in die Zukunft - Regionalisierung im globalen Internet-Handel

Amazon.com setzt mit dem Kauf von Telebuch.de die Konkurrenz unter Druck

08.05.1998

Die Ankündigung der neuen Web-Allianz kam nicht überraschend, da Amazon bereits seit dem vergangenen Herbst mit der Gründung internationaler Zweigstellen geliebäugelt hatte. Dennoch hat der Kauf von Telebuch.de im deutschen Web-Buchhandel für einigen Wirbel gesorgt. So will der Aachener Bücherversand, ein Online-Ableger des Pergamon Verlags, Amazon mit dem neuen Angebot Buch.de Paroli bieten. Firmensprecher Sven Schröder gab zu, durch die Telebuch-Übernahme zu einem Frühstart gezwungen worden zu sein. Er sieht andererseits keinen Grund zur Beunruhigung - letztlich sei die Qualität eines Angebots für den Erfolg maßgeblich. Ähnlich gelassen reagieren andere deutsche Internet-Buchhändler.

Dennoch ist die Marschrichtung klar: Auf dem lukrativen Buchsektor herrscht ein Verdrängungswettbewerb, bei dem kleinere Anbieter auf der Strecke bleiben werden. Die Tatsache, daß selbst die Nummer eins im deutschen Web-Buchhandel sich bereitwillig in die Hände des Giganten Amazon begab, spricht Bände. Georg Heusgen, Geschäftsführer des bisher Zweitplazierten, Bücher.de, kann sich diesen Schritt eigentlich nur durch schlechte Finanzdaten erklären. Er rechnet mit einer Konzentration im deutschen Web-Buchhandel auf drei bis vier Anbieter.

Globales Wachstum durch lokale Präsenz

Telebuch-Geschäftsführerin Ulrike Stadler sieht im Zusammengehen mit Amazon einen logischen Schritt - nach dem Motto: gemeinsam sind wir stärker. Keineswegs sei sie gezwungen gewesen, auf die wachsende Konkurrenz, vor allem durch den Medienriesen Bertelsmann, zu reagieren. Die Gütersloher sind seit kurzem mit dem eigenen Buch-Shop Boulevard.de im Web präsent und basteln erklärtermaßen an einer internationalen Variante namens Booksonline.

Die Ironie bei dem Amazon-Deal liegt in der Tatsache, daß ein im Internet weltweit präsentes Unternehmen offenbar regionale Niederlassungen gründen muß, um weiter wachsen und wichtige ausländische Märkte bedienen zu können. Eine internationale Web-Adresse allein sichert nicht die Kundschaft in anderen Ländern mit unterschiedlichen Kaufgewohnheiten und Marktverhältnissen. Sprachbarrieren müssen überwunden werden, und in Deutschland ist beispielsweise durch die Buchpreisbindung eine Differenzierung über Sonderpreise kaum möglich. Aus diesem Grund lohnt sich für Amazon der Aufbau einer eigenen Lagerhaltung hierzulande nicht. Die Amerikaner greifen statt dessen auf die Logistik von Telebuch mit der üblichen Großhandelsanbindung zurück. Zudem gewinnen sie einen großen regionalen Kundenstamm, ohne eine aufwendige Werbekampagne lancieren zu müssen.

Bertelsmann geht nach Aussage von Sprecherin Friederike Harmgarth einen ähnlichen Weg. Regionale Ableger wie Boulevard.de sollen mittelfristig unter einer gemeinsamen Dachmarke zusammengeführt werden. Die Schwäche der Bertelsmänner ist der fehlende Kundenstamm, die Stärke ein großes hauseigenes Verlagsangebot samt ausgefeilter Logistik.