Amadeus kommt in Reisebüros erst langsam in Schwung

14.10.1988

Der erste wesentliche Schritt ist getan: Mit der Freischaltung von Amadeus One erhalten die IATA-Reisebüros Zugang zum Reservierungssystem der Eastern Airlines in Miami. Übereinstimmend gelobt wird der nun "eingeleitete" Direct-Access mit seiner Buchungsmöglichkeit bis zum letzten Platz. Allerdings - und das kann man sich ja eigentlich auch denken - läuft unmittelbar nach dem Auftakt noch nicht alles "wie am Schnürchen". abr-Pressesprecher Helmut Wolff, München, nennt als Schwachpunkte die Provisionssicherung bei Hotelreservierungen und die "Englischsprachigkeit" des Systems. Stefanie Finke, Geschäftsführerin beim Reisebüro Bühler, Schramberg, verweist darauf, daß momentan nur ein Endgerät je Agentur zugelassen ist: "Wir haben teilweise Büros, wo das Terminal nicht in der Flugabteilung steht, sondern im Bahnbereich; das heißt, wir können nicht überall im vollen Umfang damit arbeiten." Zu wünschen übrig lasse außerdem die eingeengte und zum Teil unpraktische Benutzeroberfläche. Mit dem geplanten Einzug einer neuen Terminalgeneration auf PC-Basis kann der Anwender jedoch, wie Wolfgang Schambach, Geschäftsführer beim gleichnamigen Unternehmen in Worms, betont, mittels Window-Technik in allen Situationen auf Help-Funktionen zurückgreifen.

Stefanie Finke

Geschäftsführerin beim Reisebüro Bühler, Schramberg

Amadeus sollte ja offiziell am 6. September zugeschaltet werden. Diesen Termin mußte man jedoch verschieben, zum einen aufgrund zunächst instabiler Leitungen nach Miami und zum anderen aus Mangel an ausgereifter Software für die Bereiche Hotel und Mietwagen. Am 16. September wurden dann die Büros wieder zum Probebetrieb zugelassen, aber jeweils nur mit einem Terminal. Durch die Beschränkung auf ein Endgerät tauchten neue Probleme auf: Wir haben teilweise Büros, wo das Terminal nicht in der Flugabteilung steht, sondern im Bahnbereich; das heißt, wir können also nicht überall im vollen Umfang damit arbeiten.

Umstellungen ergeben sich durch die Nutzung von Amadeus One auch bei der Benutzeroberfläche. Bisher hatten wir einen größeren Eingaberaum, im Moment jedoch nur eine Zeile, was anfänglich oft zu Überschreibungen, Fehlerantworten und letztlich zu wiederholten Eingaben führte. Auch in Hinblick auf die Tastatur hat sich einiges geändert. Was mir überhaupt nicht gefällt, ist die verhältnismäßig umständliche Blätterfunktion bei Amadeus One. Ich muß in jedem Teilbereich, so zum Beispiel dem Aufruf von Hotellisten und dem Hotelbuchungsvorgang anders blättern. Es ist also eigentlich notwendig, sich eine richtige Checkliste zu machen. Benutzerfreundlicher wäre es natürlich, die Taste "vor" und "zurück" auf die entsprechenden Teilsysteme umzulegen und auf Einzelcodierungen zu verzichten.

Ganz generell besteht jetzt ein erhöhter Schulungsbedarf. Man kann das nicht so ohne weiteres umsetzen, weil doch vieles anders und auf die amerikanischen Benutzerschnittstellen zugeschnitten ist. Man kann aber auch sagen, daß unsere Mitarbeiter bei der eigentlichen Reservierung und Flugbuchung keine großen Probleme haben, sondern eher in den Bereichen Hotels und Mietwagen.

Software-Verbesserungen sind uns jedoch angekündigt worden. Beispielsweise sollen die ganzen Restriktionen und Bestimmungen bei den Flugtarifen in deutsch aufgeführt werden. Das funktioniert gegenwärtig nur auf englisch. Es muß aus meiner Sicht noch allerhand getan werden, damit Amadeus wirklich ein alternatives und besseres System abgibt, als das, was wir jetzt haben. Der Hauptvorteil von Amadeus liegt dann und dies besonders, wenn auch die Einbeziehung der Reisebranche in Ostasien, Afrika und Südamerika realisiert wird - im Direct Access, mit dem man ohne Umwege auf die Computersysteme der Airlines zugreifen kann und nicht stunden- oder tagelang auf ein Feed-back warten und auf herkömmliche Informationsmedien wie Telex zurückgreifen muß, um beispielsweise bei der Buchung von Flügen die Sitzplatznummern in Erfahrung zu bringen.

Helmut Wolff

Pressesprecher beim amtlichen bayerischen Reisebüro (abr), München

Der Grundstein zum Amadeus-Rechenzentrum in Erding bei München ist gelegt. Wenn sich auch die vollständige Freischaltung der Amadeus I genannten Vorstufe des Gesamtsystems noch um einige Monate verzögern wird, weil es noch etliche Probleme gibt, so scheint doch die Frage erlaubt, was Amadeus beziehungsweise seine Vorstufe für den Nutzer denn so sensationell Neues biete. Die Antwort ist verhältnismäßig einfach: insbesondere die Reisebüros erhalten Zugang zu einem weltweiten, internationalen Reservierungssystem, ohne daß zusätzliche Bildschirme auf ihren Countern installiert werden müssen, weil Amadeus über die bereits vorhandenen Start-Geräte erreichbar ist.

Speziell für die Bundesrepublik ergibt sich damit die Möglichkeit - unabhängig von der Frage, welche Software im einzelnen verwendet wird - die Vorzüge eines internationalen Reservierungssystems zu kombinieren mit dem umfangreichen und ständig wachsenden Tourismusangebot im Rahmen von Start. Diese Möglichkeit bietet kein anderes System.

Schon die Vorstufe bringt Verbesserungen gegenüber dem derzeitigen Verfahren. Amadeus One, das in der ersten Phase den Zugang zum US-(Flug-)Markt erheblich erweitert und in der zweiten Phase den immer wichtiger werdenden Fernost-Markt erschließen wird, soll über "direct access" endlich höchste Priorität beim Buchen von derzeit 26 europäischen und amerikanischen Airlines ermöglichen und zwar bis zum letzten Platz (!). Diese Verfügbarkeit bis zum letzten Platz wäre derzeit einmalig, aber selbst wenn sich dieses Ziel nicht voll realisieren ließe, bedeutet "direct access" für den Reisebüroschalter in jedem Fall eine erhebliche Verkürzung der Antwortzeiten. Einfacher gegenüber Start werden auch die Handhabung von City-Pairs oder Änderungen und Umbuchungen. Die günstigsten Preise können mit minimalem Eingabeaufwand ermittelt werden, und dazu kommt manch andere Zusatzleistung.

Vor allem sind über das bisherige Angebot hinaus, 12 500 Hotels weltweit, darunter 52 Hotelketten, im Computer. Ein Schwachpunkt ist derzeit allerdings noch die Provisionssicherung. Zwar können mit der Buchung die Codes des buchenden Büros an das Hotel übermittelt werden, die Provisionseingangs-Überwachung, die beim DER-Hotelgutschein automatisch gegeben ist, verursachte aber einen Verwaltungsaufwand, der oft in keinem Verhältnis zur erwarteten Provision steht. Sollen die Hotelreservierungsmöglichkeiten durch die Start-Benutzer voll ausgeschöpft werden, sind hier noch Systemverbesserungen nötig.

"Nervenschonend" und schnell sind dagegen die Buchungsmöglichkeiten für die vier größten Autovermieter. Vor allem aber erleichtern gut durchdachte Hilfsaktionen den Einstieg in das neue System. Eine weitere Ausbaustufe ist dabei das ausführliche Hilfsmenü der PCs, das per splitt-screen (geteilter Bildschirm) aufgezeigt wird. Diese neuen, "intelligenten" Terminals mit vielfältigen Möglichkeiten können und werden nach und nach die alten Start-Bildschirme ersetzen und so das neue System optimal verfügbar machen.

Von besonderer Bedeutung, vor allem für die Firmendienste und Reisestellen sind die "profile-Funktionen". Personengebundene Daten werden für die Kundenkartei gespeichert, so daß bei neuen Buchungen die wichtigen Stammdaten automatisch übernommen werden.

Neben den genannten Annehmlichkeiten ist der zentrale Nutzen von Amadeus darin zu sehen, daß die immens wachsende Zahl von ständig wechselnden Tarifen, Verbindungen und Sonderkonditionen ohne ein derartiges System nicht mehr zu bewältigen wäre. Mag auch die Tatsache, daß die Informationen nur in Englisch zur Verfügung stehen die Akzeptanz beim Counter-Personal zunächst beeinträchtigen, so steht doch fest daß man Amadeus erfinden müßte, wenn es nicht schon existierte.

Wolfgang Schambach

Geschäftsführer beim Reisebüro Schambach in Worms

Die hervorragende Leistungsfähigkeit der amerikanischen Reservierungssysteme Sabre und Apollo war den deutschen Reisebüros schon lange bekannt. Die Lufthansa hingegen war nur unter Druck bereit, tröpfchenweise ihr Angebot zu erweitern. Etliche Reisebüros scheuten daher nicht die Mehrkosten und ließen sich zusätzlich zum LH/Start-System noch an Apollo oder Sabre anschließen. Hier sah die LH die Gefahr, daß sich die Konkurrenten immer mehr ausbreiten könnten und sie für Reservierungen, die Reisebüros über diese Terminals für Lufthansa-Flüge tätigen, noch je zwei US-Dollar an den Systembetreiber zahlen müßten.

Die deutsche Luftfahrt-Gesellschaft folgte darum dem Wunsch des Start-Benutzer-Beirates und versprach auf der ITB den Lufthansa-Agenturen einen baldigen Zugriff auf SystemOne. Dieses ist das Reservierungssystem von Continental und Eastern Airlines und bildet mit seiner Software das Fundament für des im Aufbau befindliche Reservierungssystem Amadeus.

Im Vorgriff auf Amadeus wurde eine separate Leitung zwischen SystemOne in Miami und dem Start-Rechenzentrum in Frankfurt geschaltet. Ende Juli begann eine Pilotphase. Die für den 6. September geplante Freischaltung aller IATA-Reisebüros mußte aus verschiedenen Gründen verschoben werden. Mittlerweile sind aber alle berechtigten Agenten mit wenigstens einem Gerät angeschlossen. 700 weitere Terminals werden allein in diesen Tagen zugeschaltet.

Was bringt dies den Reisebüros und ihren Kunden für Vorteile? Eine der bedeutensten Fähigkeiten von SystemOne, nun Amadeus One genannt, ist seine Access-Technik. Damit kann sich der Benutzer direkt aus den Inventories von 25 verschiedenen Fluggesellschaften deren Platzverfügbarkeit darstellen lassen und im allgemeinen auch bis zum letzten freien Platz reservieren. Ähnlich ist die Zugriffsmöglichkeit auf zirka 20 Mietwagenunternehmen und zirka 54 Hotelketten mit ungefähr 12 500 Hotels.

Ganz besonders wichtig und hilfreich sind für die Reisebüros die umfangreichen Angaben über inneramerikanische Flugpreise. Eine ausgeklügelte Software nennt auf Wunsch schnell den Preis für den am Reisetag billigst verfügbaren Platz. Früher mußten hier oft bis zu 20 oder mehr Preise nach Verfügbarkeit und auch Anwendungsbeschränkung überprüft werden.

Aber auch viele andere Informationen sind abgespeichert und warten darauf gefunden zu werden. So kann man das Theaterprogramm von New York, den Wetterbericht von Cleveland oder die Preise der amerikanischen Eisenbahn Amtrak finden.

Natürlich müssen sich die Reisebüros nun erst mit dem neuen System vertraut machen und die neuen Befehle lernen. Doch die von der Lufthansa erstellten Handbücher sind aus unserer Sicht gut verständlich aufbereitet und in genügender Anzahl verteilt worden. Da eine zentrale Schulung nicht vorgesehen ist, muß nun jeder selbst versuchen, sich zurecht zu finden oder eine Schulung für die Kollegen im Reisebüro zu organisieren. Zu große Schwierigkeiten sehe ich darin aber nicht. Ein wenig Ehrgeiz, ein wenig Forscherdrang und der Druck des Wettbewerbs werden da schon helfen. Und es eilt ja nicht. Jeder hat nach wie vor sein LH-Start-System zur Verfügung. Mit Hilfe von Amadeus One kann dem Kunden nun ein noch besserer Service geboten werden.

Da fast gleichzeitig auch eine neue Terminalgeneration auf PC-Basis angeboten wird, die mittels Windowtechnik zu allen Situationen Help-Funktionen anbietet, dürfte das Umlernen wirklich relativ einfach sein. Der wichtigste Effekt von AmadeusOne wird aber sein, daß sich die Mitarbeiter in den Reisebüros schrittweise mit dem ganz anderen Aufbau amerikanischer Reservierungssysteme vertraut machen können.