Am Rechnungseingang lässt sich sparen

04.08.2005
Mit Lösungen zur automatischen Verarbeitung von Papierrechnungen können Firmen Medienbrüche vermeiden und Vorgänge rascher abschließen.
Nach dem Scannen durchlaufen nur noch elektronische Rechnungsinformationen das Unternehmen ("frühes Scannen").
Nach dem Scannen durchlaufen nur noch elektronische Rechnungsinformationen das Unternehmen ("frühes Scannen").

Rechnungen auf Papier bekommt jedes Unternehmen. Doch nicht alle Firmen verbuchen sie noch manuell. Betriebe automatisieren die Rechnungserfassung- und -prüfung, um Geld zu sparen oder um mit dem gleichen Personal mehr zu schaffen. Ein netter Nebeneffekt: einmal digitalisiert, lassen sich Rechnungen über zentrale Server leichter auffinden, als wenn sie in Ablagekörben von Angestellten verschwinden. Werden Rechnungsposten so erfasst, reduzieren sich die Fehler.

Erforderliche Bausteine

Zur automatisierten Rechnungsverarbeitung sind ein Scanner zur Erfassung der Papierformulare, ein Dokumenten-Management- und Archivsystem für die Ablage sowie eine Erkennungs- und Interpretationssoftware für die Informationen der Papierdokumente erforderlich.

Die Programme identifizieren die Bestellnummer, Rechnungsnummer, Brutto- und Nettobeträge und andere Angaben. Unter anderem mit Hilfe der Umsatzsteuernummer, der Bankverbindung und sonstiger Daten lässt sich der Lieferant oder Kunde bestimmen. Auf diese Weise kann die Software korrespondierende Stamm- und Bestelldaten aus dem ERP-System ausfindig machen und mit den Informationen auf der Rechnung vergleichen. Liegt beispielsweise eine Bestellung vor, ist die Zuordnung der Rechnung einfach. Bei Forderungen ohne Bestellbezug müssen Prüfer zu Rate gezogen werden. Doch auch diesen Vorgang unterstützen die Eingangsrechnungslösungen.

SAP-Kopplung

Bei der Firma Kroschke aus Braunschweig erfassen Sachbearbeiter Lieferantenrechungen automatisch und buchen sie Workflow-gesteuert in R/3 4.6C. Da Kroschke noch mit der nicht mehr von SAP unterstützten "konventionellen Rechnungsprüfung" arbeitet, werden die erfassten Daten nicht direkt ins SAP-System übertragen, sondern landen zunächst in einer Datenbank. Die Transaktionen der alten Rechnungsprüfung sind jedoch noch im System vorhanden. Ein vom Finanzbuchhalter Dirk Kühne entwickeltes Modul stößt die Transaktion "Rechnungsvorerfassung" an. Sind nach dem Abgleich mit den Buchungsdaten keine Fehler aufgetreten, leitet der Workflow den Vorgang zur Zahlungsfreigabe weiter.

Kühne hat sich für den Umweg über die externe Datenbank entschieden, weil ihm die von SAP vorgesehene Logistikrechnungsprüfung zu umständlich ist. Er schließt aber nicht aus, in Zukunft auf die neuen Transaktionen umzusteigen. Diese benutzen jedoch andere Datenbanken und Tabellen innerhalb des ERP-Systems als die konventionelle Rechnungsprüfung.

Hier lesen Sie …

• wie sich mit der automatischen Rechnungsverarbeitung Geld sparen lässt;

• woraus Lösungen bestehen;

• wie die Erfassungssysteme mit ERP-Software gekoppelt werden.

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www.computerwoche.de/go/

*77056: Dokumenten-Management hilft bei der Rechnungsbearbeitung;

*72230: DMS im Vergleich;

*64110: E-Mail-Archivierung;

*74668: E-Billing.

Auch der Mittelstand springt auf den Zug

Nicht mehr nur Konzerne liebäugeln mit solchen Lösungen, sondern auch mittelständische Firmen wie die Klaus Kroschke Holding GmbH & Co. KG aus Braunschweig. Seit zwei Monaten können die beiden Mitarbeiter in der Rechnungsprüfung eingehende Papierrechnungen von Lieferanten des Herstellers von Arbeitsschutzkleidung, Schildern und Erste-Hilfe-Artikeln weitgehend automatisch im R/3-System verbuchen. Ein Scanner, der von der Software "Input Accel" des Herstellers Captiva gesteuert wird, erfasst die Dokumente und übergibt die Daten an die Software "Frontcollect Office" von Kleindienst Datentechnik . Das Programm identifiziert die Lieferantennummer sowie die einzelnen Posten der Rechnung. Wurden alle Daten fehlerfrei eingelesen, startet ein Batch-Input in Richtung SAP-Software. Gleichzeitig wird das eingescannte Dokument im Archivsystem von Easy Software (http://www.easy.de) abgespeichert. Die weiteren Bearbeitungsschritte steuert der "Business Workflow" innerhalb der ERP-Lösung. Die Abläufe umfassen den automatischen Abgleich der erfassten Daten mit den Buchungen in R/3 sowie die Zahlungsfreigabe.

Rationalisierung im Rechnungswesen

Verwunderlich ist, warum sich Firmen für die automatisierte Rechnungsverarbeitung gerade jetzt interessieren, wo doch die Buchhaltung zu den ersten Disziplinen zählte, für die Standardsoftware angeschafft wurde. Der Grund: Die Abläufe im Finanz- und Rechnungswesen wurden in den letzten Jahren zwar immer effizienter, doch die Erfassung der Belegdaten erfolgt oft noch manuell und lässt Raum für Rationalisierung. "Nach den bislang auf die Produktion konzentrierten Einsparmöglichkeiten gilt es jetzt, die in den Finanzprozessen schlummernden Kostensenkungspotenziale zu nutzen", so Olli Oksanen, Geschäftsführer des finnischen Softwarehauses Baseware.

Dietmar Weiß, selbständiger Berater im Dokumenten-Management-Umfeld und Analyst beim Business Application Research Center (Barc) ) in Würzburg, beziffert die pro Beleg anfallenden Bearbeitungskosten im Unternehmen auf 20 Euro, wobei der Vorgang durchschnittlich eine, in manchen Fallen zwei bis drei Wochen in Anspruch nimmt. Weiß zufolge würden Firmen nicht nur Zeit, sondern auch Geld verschwenden, weil sie unter Umständen Skonti nicht nutzen könnten, wenn die Rechnungsprüfer Zahlungsanweisungen zu spät erteilten.

Vor allem bei wiederkehrenden Rechnungen lässt sich eine Menge Zeit sparen. Die Erfassungsprogramme merken sich die Merkmale eines Schriftstücks. Trifft eine neue Zahlungsaufforderung eines bereits bekannten Lieferanten ein, winkt die Lösung das Formular zur Prüfung durch.

Automatische Formular- erkennung hat Schwächen

Leider ist das in der Praxis jedoch nicht immer möglich. Wenn sich die Rechnungen kaum ähneln, Schriftstücke von neuen Lieferanten eintreffen oder sonstige Probleme auftreten, müssen Sachbearbeiter manuell eingreifen. Bei Kroschke hatte sich bald gezeigt, dass es wenig bringt, Formularmuster zu hinterlegen, um die Erfassung zu beschleunigen. Die Eingangspost wird inzwischen mittels einer Freiformerkennung eingelesen, die auch mit schwierigen Fällen fertig wird. Zusätzlich hat die Firma zwei Nachbearbeitungsschritte eingerichtet. Der erste dient dazu, nicht identifizierte Lieferanten manuell einzugeben. Das kommt laut Dirk Kühne, Leiter der Finanzbuchhaltung, bei fünf von hundert Formularen vor.

Datenübergabe ans ERP-System

Häufiger gebraucht wird die zweite Routine: Dann nämlich, wenn auf einer Rechnung mehrzeilige Posten Probleme bereiten oder vermeintlich bekannte Lieferantenbelege neue Strukturen aufweisen. Grob geschätzt trifft dies auf 20 Prozent der Dokumente zu.

Die Achillesferse der automatisierten Rechnungsverarbeitung ist die ERP-Schnittstelle. Ohne reibungslosen Datenimport sowie die Zuordnung von Lieferanten- und Bestelldaten zu Datenfeldern in der Business-Software nützt die beste Erfassungslösung wenig. Finanzchef Kühne hat hierzu eine eigene Lösung geschrieben, da ihm Standardprozeduren nicht ins Konzept passte (siehe Kasten "SAP-Kopplung").

Integration in das gewohnte R/3-Frontend

Zu den Spezialisten auf dem Gebiet der ERP-Kopplung zur Rechnungsverarbeitung zählt die in Frankfurt am Main beheimatete Firma Ebydos. "Invoice Cockpit" ist eine für SAP R/3 und Mysap ERP angepasste Software, die es dem Anwender gestattet, erfasste Belegdaten am ERP-Frontend weiterzubearbeiten. Er kann dabei zum Beispiel in den Lieferantenstamm verzweigen und über einen Viewer das Original des Dokuments betrachten, ohne den Sapgui verlassen zu müssen. Ebydos bedient sich hierzu SAP-spezifischer Techniken wie BAPIs. Das Softwarehaus kooperiert mit dem Erfassungsspezialisten Readsoft und realisierte Projekte im SAP-Umfeld.

Ein Anwender der Readsoft/ Ebydos-Kombination ist BASF Coatings aus Münster. Laut Projektleiter Wilfried Epping sprach für Ebydos die gute Anbindung ans SAP-System (R/3 Enterprise). Früher wurden Rechnungen kopiert und verteilt. Heute erfasst die Readsoft-Lösung die Papierbelege und speichert sie im Rechnungseingangsbuch von Invoice Cockpit. Über die im Sapgui bereitgestellte Oberfläche markieren Nutzer Rechnungen und leiten sie über "Web Cycle" zur Freigabe an die Fachabteilungen. Der Empfänger erhält eine E-Mail mit einem Link auf die Web-Oberfläche des Ebydos-Tools und nimmt dort die Rechnungsprüfung vor. Web Cycle erwies sich als wesentlich flexibler und leichter in der Konfiguration als SAPs Business Workflow.

Die Einsparungen liegen laut Epping auf der Hand: Die gesamte Papierabwicklung - vom Kopieren und Laufzettelbeifügen über das Eintüten, Austüten bis hin zur Eingabe - erfolgt elektronisch. So können sich jetzt die Rechnungsprüfer auf die eigentliche Prüfung konzentrieren und müssen nicht mehr so viel Zeit für die Papierverwaltung verschwenden. Auch die Durchlaufzeit vom Rechnungseingang bis zur Buchung wurde durch den Workflow verkürzt.

Derzeit wickelt BASF Coatings rund 100000 Rechnungen pro Jahr ab. Diese werden über das Readsoft-System in Frankreich, Spanien und Deutschland erfasst, die Ebydos-Software läuft dagegen zentral in Münster.

Auch für Nutzer der ERP-Software "Navision" von Microsoft Business Solutions gibt es Lösungen zur Rechnungseingangsbearbeitung. Die Firma Modus Consult aus Gütersloh bietet eine Integration von Microsofts Business-Software mit dem Dokumenten-Management-System "Elo Professional" von Elo Digital Office. Die über das Elo-Programm erfassten Rechnungen werden in einem Rechnungseingangsbuch nebst einem Verweis auf das archivierte Abbild des Originals abgelegt. Aus diesem Eingangsbuch entnimmt der ERP-Nutzer Daten und bucht sie in Navision-Masken ein.

Die Anbieter von Dokumenten-Management-Software reagieren auf den Trend und schnüren auf Grundlage ihrer umfänglichen Produkte Lösungen, die genau auf die Rechnungseingangsbearbeitung abzielen. Der in Neustadt/Wied beheimatete Anbiete SER etwa hat mit "Invoice Master" ein solches Paket im Programm. Diese Angebote integrieren oft Module von Partnern. Der SER-Konkurrent D velop AG aus Gescher nutzt für die Rechnungseingangsverarbeitung neben eigenen Funktionen zur Texterkennung den "Finereader" des russischen Softwarehause Abbyy .

Immer mehr Papierrechnungen

Der große Vorteil von solchen Lösungen liegt darin, dass Papierdokumente erst gar nicht an die Arbeitsplätze gelangen, sondern nach dem Scannen nur noch elektronisch bearbeitet werden. Zudem liegen die Schriftstücke zentral gespeichert in einem Archiv vor, so dass niemand nach einer Rechnung suchen muss. Die befragten Anwender wollen mit dieser Form der Rechnungseingangsbearbeitung nicht etwa Arbeitsplätze abbauen. Vielmehr möchten sie mit dem gleichen Personal eine steigende Flut an Eingangspost bewältigen und Bearbeitungskosten senken. Denn trotz E-Mail und elektronischem Datenaustausch werden immer mehr Rechnungen verschickt.