Am Gebloeke unterscheiden Dieter Eckbauer

25.02.1994

Drei Trends bestimmen die informationstechnische Entwicklung: die Mikro-Miniaturisierung (Stichwort: PC-Revolution), offene Systeme und Objectware. Es bildet sich ein neues Computing-Muster (Paradigma) heraus: Aus Master-Slave wird Client-Server. Der 370- Mainframe gehoert im wahrsten Sinne des Wortes zum alten Eisen. Und doch wollen das einige Leute nicht wahrhaben. Ein weiteres Downsizing-Epos, noch ein Client-Server-Gedicht: Wer den vermeintlichen Open-Systems-Schaden hat, braucht fuer den Spott der Mainframe-Bewahrer nicht zu sorgen. Papier ist geduldig, der Kolumnist ist es nicht. Wenn es stimmt, dass vielen das Thema "Client-Server versus Mainframe" zum Hals heraus haengt, dann haben wir etwas falsch gemacht. Nichts Genaues weiss man nicht, doch Umfragen bei Anwendern zeigen, dass Client-Server als Ansporn dient - wobei eingeschraenkt wird: Aber bitte mit Fragezeichen.

Die Fachpresse trage wesentlich zur Verunsicherung bei, indem sie die Marketing-Sprueche der Hersteller nachplappere. Auf uns macht die DV-Industrie allerdings nicht den Eindruck, als sei sie sich ihrer Sache sicher. In diesem Szenario sucht die IBM nach einer neuen Rolle und einem neuen Selbstverstaendnis. Big Blue steckt in der Klemme. Dem Universalanbieter ist klar, dass er sich aus der Client-Server-Konkurrenz nicht ausklinken kann, dies um so weniger, als sich die Mainframe-Anwender immer kritischer ueber ihre DV-Infrastrukturen aeussern und Konsequenzen ziehen. Der Mainframe-Marktfuehrer versucht zu retten, was zu retten ist.

Wie das aussieht, wird in der IBM-Werbung immer wieder vorgefuehrt: "Manchmal braucht man einfach Groesse", heisst die Mainframe- Zauberformel, nach der sich jeder weitere Systemvergleich eruebrigen soll. Des oefteren stand in der CW, was wir von solchen Aussagen halten - naemlich gar nichts. Aber darauf kommt es nicht an. Jeder kann sich seine eigene Meinung ueber die Mainframe- Strategie der IBM bilden. Mit Ablehnung muessen wir rechnen (siehe CW Nr. 7 vom 18. Februar 1994, Seite 8: "Mainframe und Client- Server - Pragmatismus statt Dogmen") - gut zu wissen, aus welcher Ecke die Retourkutsche kommt.

Den "Downsizing-David" fassen wir als Kompliment auf. Es ist nicht verdient. Und es war wohl auch nicht so gemeint. Wir lassen uns aber nicht das Client-Server-Wort im Mund herumdrehen. Wer vor 20 Jahren ueber den Nutzen der Master-Slave-Technologie diskutiert haette, der waere fuer rueckstaendig erklaert worden - die Lochkartenmaschinen wurden durch Online-Systeme abgeloest. So ergeht es jetzt den 370-Mainframes. An ihre Stelle treten Client- Server-Systeme - nicht mehr, aber auch nicht weniger wurde an dieser Stelle gesagt.

Dass die Server zukuenftig auch neue Rechner der IBM sein koennen, versteht sich von selbst; sie weiterhin Mainframes zu nennen, waere zwar Etikettenschwindel, doch naehme nur Schaden, wer mit Propaganda nicht umzugehen versteht. Die Schwierigkeit besteht darin, weisse und schwarze Schafe der Beraterzunft am Gebloeke zu unterscheiden.