Customer-Relationship-Management/Die Hausaufgaben umfassen die gesamte Organisation

Am Change-Management führt kein Weg vorbei

15.03.2002
Zahlreiche unfruchtbare CRM-Projekte, aber auch wissenschaftliche Untersuchungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass gut die Hälfte aller Vorhaben im Bereich Kundenbeziehungs-Management fehlschlägt. Für das weitverbreitete Scheitern ist eine Reihe von Faktoren verantwortlich. An erster Stelle stehen strukturelle, organisatorische und personalbezogene Gründe. Jedes CRM-Vorhaben sollte daher auch als ChangeManagement-Projekt verstanden werden. Von Nikolas Beutin*

Zahlreiche wissenschaftliche Analysen, aber auch Untersuchungen von Unternehmensseite haben ergeben, dass die Ursache für das Scheitern eines CRM-Projekts in den seltensten Fällen in der IT-Umsetzung liegt. Vielmehr sind es meist unternehmensinterne Faktoren, die den Erfolg eines solchen Projekts behindern. Eindeutig an erster Stelle stehen strukturelle, organisatorische und personalbezogene Aspekte.

Grundsätzlich muss jedes CRM-Vorhaben auch als Change-Management-Projekt betrachtet werden. Dabei gilt es vor allem, die unternehmensinternen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Anstatt vorrangig in die meist durch Externe hereingetragene IT zu investieren, sind Unternehmen, unabhängig von Branche und Größenordnung, gut beraten, zunächst die eigenen "Hausaufgaben" zu machen. Diese lassen sich in die vier Bereiche "Strategie und Consulting", "Organisationsstruktur und Prozesse", "Führung und Kultur" sowie "Mitarbeiter" aufteilen.

Strategie und ControllingEine zentrale Rolle bei der Planung und Umsetzung eines CRM-Projekts spielt dessen Einbindung in die Unternehmensstrategie und das Controlling. Experten zufolge wurde das Thema CRM in den vergangenen Jahren vorrangig als "Projekt" angegangen, was dem häufig stark strategischen Charakter in der Regel nicht gerecht wird. Zudem wird die Verantwortung für ein CRM-Projekt nicht selten einem "Projektleiter" übertragen, der dann zwischen den Abteilungen Vertrieb, Marketing, IT und Controlling zu vermitteln hätte. Dazu fehlen ihm jedoch häufig die notwendigen, abteilungsübergreifenden Weisungsbefugnisse. Das kann schnell zu "faulen Kompromissen" führen.

Daher empfiehlt es sich, das Thema "CRM" auch in der Unternehmensstrategie zu berücksichtigen. Das gilt nicht nur für die Budget-Planung für das gesamte Projekt, die normalerweise in Form von Euro-Beträgen oder Mann-Tagen erfolgt. Vielmehr ist eine realistische Planung von CRM-Zielen und eine strategische Ressourcenplanung auf der Ebene von Kundensegmenten durchzuführen. So sollte ein typisches Industrieunternehmen etwa zwischen CRM-Zielen und -Ressourcen für den direkten Vertrieb an den Endkunden und den indirekten Vertrieb über den Handel unterscheiden. In anderen Branchen wie etwa im Pharma-Bereich oder in der Medizintechnik ist entsprechend zwischen Labors und Krankenhäusern, bei Finanzdienstleistern zwischen Maklern, Privat- und Firmenkunden oder bei Automobilunternehmen zwischen Privat- und Firmenkunden zu differenzieren. Zudem empfiehlt sich eine strategische Ziel- und Ressourcenplanung auf Kundenbeziehungsebene. Dies gilt insbesondere bei Unternehmen mit einer überschaubaren Anzahl von Kunden (etwa Automobilzulieferer). Für Key-Accounts - falls diese systematisch gemanagt werden und entsprechende Zuständigkeiten definiert sind - ist eine solche Planung ebenfalls ratsam. Einfließen sollten sowohl marketingspezifische, kostenrechnerische und zeitliche Faktoren als auch organisatorische Kriterien hinsichtlich Recherche, Eingabe und Pflege einzelkundenbezogener Daten.

Häufig wird auch versäumt, CRM in den unternehmensinternen Controlling-Systemen zu berücksichtigen. Das liegt vermutlich nicht zuletzt daran, dass Projekte dieser Art primär als Aufgabe der Vertriebs- und Marketingabteilungen verstanden werden. Oft fehlt es Letzteren aber sowohl an den notwendigen Kenndaten als auch am grundlegenden kostenrechnerischen Verständnis. Da eine CRM-Strategie ein effiziente und effektive Kundenbearbeitung zum Ziel hat, ist die Einbindung von Kostenrechnungsinformationen auf Basis der Kunden oder zumindest des Kundensegments jedoch zwingend notwendig. Für Unternehmen, die keine Kostenstelleninformationen, Deckungsbeiträge oder gar Gewinne auf Kunden- oder Kundensegmentbasis ausweisen können, wird sich CRM zwangsläufig auf die Funktion einer "besseren Datenbank" beschränken.

Für eine erfolgversprechende CRM-Implementierung ist die Einbeziehung kundenbezogener Kennzahlen unerlässlich. Derartige (externe) Kennzahlen sind etwa auf Vertriebs- und Marketingseite Informationen zur Durchdringung des Kundensegments, der Kundenzufriedenheit und -loyalität. Intern spielen insbesondere Kostenkennzahlen zu Kundenbetreuung, Bestellverhalten, Auftragsabwicklung, Logistik oder Service eine wichtige Rolle. Ebenfalls zu beachten sind interne Kennzahlen etwa zu Vertrieb und Service-Grad.

Organisationsstruktur und ProzesseWeitere Aspekte, die bei der Planung und Umsetzung von CRM-Projekten häufig zu kurz kommen, sind die Organisationsstruktur und die entsprechenden Prozesse. In Sachen Organisationsstruktur geht es insbesondere um Schnittstellen, die exakt und gegebenenfalls neu definiert werden sollten, was in vielen Unternehmen noch nicht konsequent betrieben wird. Gerade eine systematische Herangehensweise kann hier viele zusätzliche Synergieeffekte und Optimierungspotenziale erschließen.

Zunächst sollten die Schnittstellen in Bezug auf die Führungsverantwortung definiert werden. Dabei geht es vor allem um die Kundensegment-, Produkt- und Regionalverantwortung der Vertriebskanäle, die internen Leis-tungsempfänger und -erbringer (interne Service-Orientierung) sowie die Schnittstellen aller Beteiligten innerhalb eines Vertriebskanals oder Verkaufsteams.

Häufig bedeutet CRM auch eine Reorganisation der Unternehmensprozesse. Das kann die Verknüpfung der durch CRM hinzukommenden Prozesse mit den "gewohnten" Abläufen bedeuten, oft müssen jedoch auch historische, etablierte Prozesse grundlegend neu definiert oder sogar komplett gestrichen werden. Derartige Eingriffe verursachen nicht selten Irritationen bei den Mitarbeitern. Grundlage hierfür sollte demnach eine umfassende Prozessanalyse sein, die sich nicht nur auf Vertrieb und Marketing beschränkt, sondern auch andere Abteilungen wie IT, Controlling und Personal (Beschaffung und Entwicklung) umfasst. Die Basis für eine erfolgreiche CRM-Planung und -Implementierung zu schaffen heißt natürlich auch, alle Mitarbeiter mit Hilfe einer funktionierenden Unternehmenskultur und einem ausgewogenen Führungsverhalten auf die zu erwartenden Veränderungen vorzubereiten.

Gerade in den Bereichen Führung und Kultur liegen die "weichen" Faktoren, ohne deren Berücksichtigung sich CRM nicht erfolgreich einführen beziehungsweise projektieren lässt. Hohe Priorität hat eine kundenorientierte Unternehmenskultur. Wissenschaftlichen Studien zufolge setzt sich die Firmenkultur aus unternehmensspezifischen Werten, Normen und Artefakten zusammen. Bei Letzteren handelt es sich etwa um Erzählungen, die im Betrieb kursieren, typische Sprechweisen oder Rituale, aber auch die Gestaltung von Gebäuden und Büroräumen. Sie existieren in jedem Unternehmen, sind häufig historisch gewachsen und werden in der Regel nicht bewusst gehandhabt oder auch nicht explizit wahrgenommen, da man sich an sie gewöhnt hat. Diese Artefakte können die Verhaltensweisen der Mitarbeiter stark beeinflussen. Daher sollte das Management sie systematisch gestalten. Wer letztendlich eine CRM-geeignete Unternehmenskultur erreichen möchte, muss sich also auch der entsprechenden Symbole im eigenen Haus annehmen.

Ein ausgewogenes Führungsverhalten - häufiger Diskussionsgegenstand in Firmen wie Wissenschaft - trägt in hohem Maße zum internen und externen Erfolg bei. Im Wesentlichen gilt das auch für CRM. Ein ausgewogenes Führungsverhalten besteht dann, wenn Führungskräfte die drei Dimensionen Kunden-, Leistungs- und Mitarbeiterorientierung in einem sinnvollen Verhältnis zueinander gewichten. So sollten Führungskräfte ein CRM-Projekt auch durch Integration in diesen drei Dimensionen berücksichtigen.

Im Rahmen der Kundenorientierung müssen sie CRM selbst aktiv nutzen, sprich: die neuen Systeme und deren Akzeptanz gewissermaßen "vorleben". Auch das Einbeziehen von CRM in das Leistungsbewertungssystem kann förderlich sein, wenn etwa Pflege und Anwendung der Lösung in die Zielvereinbarungen der Mitarbeiter aufgenommen werden. Zudem sollten Führungskräfte ihre Mitarbeiter in Sachen CRM aktiv unterstützen und deren Entwicklung in diese Richtung gegebenenfalls anstoßen.

Kundenorientierung im PersonalbereichEin kundenorientiertes Personalsystem stellt den dritten weichen Faktor unternehmensinterner Rahmenbedingungen dar. Hierbei gilt es vor allem, den CRM-Gedanken in den Bereichen Anreizsysteme, Recruiting, Aus- und Weiterbildung sowie Personalentwicklung zu verankern. Mögliche Anreizsysteme sind Incentives für die erfolgreiche CRM-Anwendung durch Mitarbeiter und deren Integration in die Zielvereinbarungen, aber auch die Balanced Scorecard. Im Personalbereich kann das die Berücksichtigung von CRM-Fähigkeiten beim Recruiting bedeuten. Eine entsprechende Personalentwicklung wiederum lässt sich anhand einer systematischen Bestandsaufnahme der CRM-Fähigkeiten aller Mitarbeiter sowie eines Aus- beziehungsweise Weiterbildungsplans für den Einzelnen beobachten. Hierbei müssen häufig alte Systeme und Beurteilungsrichtlinien verändert werden.

Am Mitarbeiter führt kein Weg vorbeiAuch unter Berücksichtigung sämtlicher genannter Rahmenbedingungen wird CRM in der Praxis scheitern, wenn nicht die im Unternehmen arbeitenden Menschen betrachtet werden, denn sie sind es letztlich, die CRM "verinnerlichen" müssen. Erster Erfolgsfaktor für CRM im Mitarbeiterbereich ist die kundenorientierte Grundhaltung.

Dabei sollten die Mitarbeiter im Tagesgeschäft eine positive Einstellung zum Thema Kundenorientierung zum Ausdruck bringen. In der Praxis ist ein entsprechendes (und oft leider erzwungenes) Verhalten zwar durchaus zu beobachten - häufig allerdings ohne die korrespondierende innere Einstellung. Dies liegt daran, dass den Mitarbeitern CRM nicht selten von anderen Abteilungen - etwa der IT - aufgedrängt wird.

Darüber hinaus ist es unerlässlich, für ein hohes Maß an Mitarbeiterzufriedenheit zu sorgen. Das Gros der Firmen hat bislang allerdings noch keine umfassenden Untersuchungen zum Stand der Zufriedenheit oder Loyalität ihrer Mitarbeiter angestellt. Dabei bietet sich hierfür eine Vielzahl brauchbarer Anhaltspunkte (siehe Kasten "Analyse: Mitarbeiterzufriedenheit"). (kf)

*Dr. Nikolas Beutin ist Geschäftsführer und Partner der Unternehmensberatung Prof. Homburg & Partner in Mannheim.

Zehn Erfolgskriterien für CRMFür eine erfolgreiche Implementierung und Umsetzung von CRM lassen sich zehn kritische Faktoren identifizieren:

- "Erst Denken, dann Handeln": Die CRM-Strategie muss der Unternehmensstrategie entsprechen. Es dürfen keine Widersprüche auftreten.

- "Think big, start small": Eine 80-prozentige Lösung mit schnellen Erfolgen ist einer "Eier legenden Wollmilchsau", also einer Lösung, die alles kann, aber lange braucht, vorzuziehen.

- Das CRM-Projekt muss mit anderen Projekten abgestimmt werden (etwa Beschwerde-Management, Mitarbeiterweiterbildung, Key-Account-Management, Cross-Selling).

- Das garantierte Commitment des Top-Managements ist erforderlich.

- Alle betroffenen Abteilungen und Personen müssen einbezogen werden. Die Mitarbeiter sollten notwendige Projektentscheidungen auch ohne ständige Absicherung treffen können.

- Aufbau- und Ablauforganisation sind an die neuen Prozesse anzupassen.

- Kontinuierliche und ehrliche Kommunikation (auch wenn das CRM-Projekt ins Stocken gerät) sind unerlässlich.

- Schaffung von Mitarbeiteranreizen für die erfolgreiche Anwendung von CRM.

- Definition einer effizienten und effektiven Bearbeitung der Kunden als Ziel der zukünftigen CRM-Strategie.

- Koordination aller Vertriebs- und Kommunikationskanäle, sodass "Extra"-Projekte einzelner Abteilungen und Geschäftsbereiche für "spezielle Kunden" wegfallen.

Analyse: MitarbeiterzufriedenheitAufschluss über Zufriedenheit und Loyalität des einzelnen Mitarbeiters können folgende Ansatzpunkte geben:

- Kollegen (Akzeptanz, Anerkennung)

- Vorgesetzte (Führungsverhalten, Kompetenz)

- Bezahlung (Gehalt, Bonus)

- Entwicklung (Weiterbildung, Karrieremöglichkeiten)

- Tätigkeit (Art der Aufgaben, Selbständigkeit, Verantwortung)

- Organisation und Leitung (Planung, Qualität der internen Arbeitsabläufe)

- Arbeitsplatzsicherheit (Situation des Unternehmens, Kündigungsfrist)

- Arbeitsbedingungen (technisch-materielle Bedingungen, Lärm)

- Arbeitszeit (Kernarbeitszeit, Urlaub)

Abb.1: Unternehmensinterne CRM-Baustellen

Quelle: Prof. Homburg & Partner

Abb.2: Gründe für das Scheitern von CRM-Projekten

Quelle: Prof. Homburg & Partner