"Alte DV-Hasen" wandern oft in die Fachabteilungen

25.09.1987

Die jungen DV-Pioniere der 60er Jahre nähern sich heute dem Rentenalter; und kaum irgendwo anders ist das Neue so schnell veraltet wie auf dem Gebiet der Informationsverarbeitung. Dank sinkender Hardwarepreise und komfortabler Softwaretools tritt der technische Aspekt dabei mehr und mehr in den Hintergrund. Wer heute eine Karriere als DV-Leiter plant, sollte ein neues Selbstverständnis mitbringen: "Die Probleme müssen mehr von der wirtschaftlichen als von der technischen Seite betrachtet werden", bringt es der Diebold-Geschäftsführer Fritz Müller auf eine griffige Formel. Wer 20 oder 30 Jahre lang mit einer eher technisch ausgerichteten Berufsauffassung gelebt hat, kriegt diese Kurve oft genug nicht mehr. Um dem Unternehmen das, immense Sachwissen dieser "DVer der ersten Stunde" zu erhalten, schlägt Norbert Dähne, Bereichsleiter beim EDV Studio Ploenzke, vor, daß ältere Mitarbeiter aus der DV "hinein in die Benutzerzentren wandern" sollten. Auch Wolfgang Krebs, Leiter Systemorganisation und Programmierung bei der Porsche AG, hält eine durchlässige Grenze zwischen DV und Fachabteilungen für eine praktikable und befriedigende Lösung.

Fritz Müller Geschäftsführer, Diebold Deutschland GmbH, Frankfurt

Es gibt Leute im Bereich Informatik, die in Schwierigkeiten kommen, wenn sie ein gewisses Alter erreicht haben. Das liegt daran, daß sie von ihrer Ausbildung oder Erfahrung her aus einer Zeit geprägt sind, als die DV noch in den Pioniertagen war. Damals mußte man selber an der Maschine alle technischen Probleme lösen, und dort waren diese DV-Pioniere erfolgreich. Indem sie versuchen, diesen Erfolg bis heute durchzuhalten, geraten sie ins Abseits.

Heute kommt es auf ganz andere Dinge an: Die Probleme müssen mehr von der wirtschaftlichen als von der technischen Seite betrachtet werden. Und das macht genau den Leuten Probleme, die 20 oder 30 Jahre lang das getan haben, was wichtig war, nämlich die Technik zu optimieren. Darum, was das Unternehmen als Ganzes will, haben sich viele DV-Leiter kaum gekümmert; sie waren also einfach keine Manager.

Der Generationswechsel ist auch von der technischen Entwicklung verursacht worden: Die Dinge sind viel komfortabler geworden, und dadurch wurde die Komplexität verlagert. Natürlich sind nach wie vor Techniker gefragt, nur in viel geringerer Anzahl als früher. Außerdem wachsen Leute aus den Fachbereichen nach, für die Informatik nur noch ein Nebenfach ist; sie können sich sehr gut artikulieren und lösen ihre Probleme zum großen Teil selbst. Hier entsteht ernsthafte Konkurrenz für die gestandenen Datenverarbeiter der sechziger und siebziger Jahre.

Für die DV-Leiter hat dieser Generationswechsel meist schlimmere Folgen als für die Programmierer. Denn ein Manager, der nicht die Zeichen der Zeit erkannt hat, ist auf der falschen Stelle. Die Konsequenz ist, man schmeißt ihn raus oder sagt ihn ab, was natürlich von der menschlichen Seite her problematisch ist. Eine andere Lösung ist, daß man die Betreffenden mit Funktionen innerhalb der Fachbereiche oder mit anderen Aufgaben betraut; das habe ich in meiner beruflichen Praxis aber nicht oft kennengelernt. Viel häufiger habe ich erlebt, daß ältere Mitarbeiter mit einer Abfindung entlassen wurden.

Von der Warte des Managements aus ist diese Entscheidung konsequent. Wer ein Unternehmen zu führen hat, ist auch dafür verantwortlich, wenn an einer immer wichtiger werdenden Stelle, nämlich der Informatik, etwas falsch lauft. Ob es notwendig ist, den harten Schnitt zu machen oder ob es eine Zwischenlösung gibt, das hängt natürlich vom Einzelfall ab.

In der Informationsverarbeitung ist die Situation in der Tat schwieriger als an anderen Arbeitsplätzen, wo man leichter jemanden versetzen kann: Ein DV-Leiter ist jemand, der im Laufe von 20 Jahren auf ein hohes Gehaltsniveau gestiegen ist, höher als das des Kollegen auf dem gleichen Level, weil er fachlich sehr qualifiziert war. Er hat in der Vergangenheit sehr viele Lorbeeren geerntet; denn er konnte einen technisch komplizierten Apparat installieren und am Laufen halten. Wenn so jemand jetzt abgesägt oder degradiert wird, ist das etwas anderes, als wenn ein Buchhalter in den Einkauf geht oder in der Produktion für irgendwelche Spezialaufgaben zuständig ist.

Norbert Dähne Bereichsleiter Transport und Verkehr, EDV-Studio Ploenzke, Wiesbaden

Die Entwicklung von der reinen DV-Technik als ein Rationalisierungsinstrument hin zur Informationsverarbeitung als Management-Aufgabe können nicht alle Mitarbeiter nachvollziehen. Um sich an der Unternehmensführung zu beteiligen, braucht es ein anderes Know-how. Und das ist nun einmal nicht bei allen DVern vorhanden.

Ich schlage deshalb vor, daß man Leute, die jahrelang in der Technik wirklich gut zu Hause waren, finanziell den Managern gleichstellt und ihnen eine Beraterfunktion gibt - in der Datenverarbeitung oder in den Fachbereichen

Bisher haben die DVer in einer Art Ein-Mann-Show gearbeitet: Oft hat es keine Phasenkonzepte gegeben. Vielmehr bestand eine direkte Verbindung zum Fachbereich; die Lösung, die der Fachbereich diskutiert hatte, wurde sofort im Kopf umgesetzt und realisiert.

Die Entwicklung geht zwar allgemein weg von dieser Art zu arbeiten; aber in der IDV kommt sie zu neuen Ehren. Eigentlich sollten die Fachbereichsleute selbst ihre Ad-hoc-Anwendungen mit entsprechenden Werkzeugen entwickeln. In der Praxis werden sie jedoch meistens von erfahrenen Datenverarbeitern unterstützt. Und hier ist das gefordert, was die älteren Mitarbeiter immer schon gemacht haben, nämlich Ad-hoc-Anwendungen: die Lösung im Kopf und dann programmiert.

Die DV-Pioniere haben mit

dieser Methode auch die operationalen Anwendungen gemacht; und das ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Die " Konsequenz daraus: Die Betroffenen sollten ein bißchen raus aus der Standarddatenverarbeitung, hinein in die Benutzerzentren wandern. Das ist ein Lösungsansatz, der sicherlich häufig praktiziert wird.

Es gibt natürlich auch Betriebe, in denen man einfach hofft, daß diese Leute langsam aus der Datenverarbeitung herauswachsen. Ich finde das schade, q denn diese Mitarbeiter haben ein gehöriges technisches Wissen, das man nutzen kann. Vielleicht sollte man auch mal darüber nachdenken, ob man nicht so eine Art interne Schulungsabteilung einführt, wo ältere Mitarbeiter die jungen in den Berufsalltag einführen.

Sicherlich kann man sich auch für eine Art DV-interner Arbeitsteilung entscheiden, bei der die älteren Mitarbeiter sich auf die Pflege der alten Systeme konzentrieren. Ich möchte aber auf eine Gefahr hinweisen: Die "alten Hasen" sind häufig so schnell, daß sie das alte System mit ein paar Ralley-Streifen verschönern, und die neuen Leute mit ihrem System so schnell nicht nachkommen. Das führt manchmal dazu, daß die Akzeptanz von Neuentwicklungen leidet.

Wolfgang Krebs Leiter Systemorganisation und Programmierung für Verwaltung und Individuelle Datenverarbeitung, Porsche AG, Stuttgart

Wir überlegen grundsätzlich, wie Mitarbeiter aufgrund ihrer Fähigkeiten und ihrer im Unternehmen erworbenen Erfahrung gefördert werden können. Das gilt nicht speziell für die DV, sondern für das gesamte Unternehmen. Diese Förderung, also die Übernahme neuer Aufgaben, kann in derselben oder in einer anderen Abteilung erfolgen, zum Beispiel über die interne Stellenausschreibung. Der Anstoß hierfür erfolgt vom gegenwärtigen oder vom zukünftigen Vorgesetzten oder aber vom Mitarbeiter selber.

Auch bei uns ist die DV nach wie vor ein stark wachsender und sich wandelnder Bereich, in dem sich ständig neue Aufgaben ergeben. Für diese neuen Anforderungen sehen wir zunächst eigene Mitarbeiter vor. So haben in meiner Abteilung in diesem Jahr sechs Mitarbeiter neue, qualifiziertere Aufgaben übernommen.

Bei einem Wechsel zu einer anderen Abteilung haben bei uns die Mitarbeiter in der DV einen Vorteil: Wir kennen nicht den "Nur-Programmierer", sondern alle Mitarbeiter "betreuen" auch mindestens einen Fachbereich und lernen im Laufe der Zeit die Tätigkeiten des Fachbereichs sehr detailliert kennen. Zusätzlich arbeiten die Fachbereiche immer intensiver mit dem Werkzeug Datenverarbeitung und benötigen deshalb Mitarbeiter mit DV-Erfahrung. Deshalb sind Beschäftigte aus der DV mit den von ihnen erworbenen Kenntnissen im Fachbereich gern gesehen und wechseln fast schon öfter, als uns lieb ist.

Die angesprochenen Punkte gelten jedoch für alle Altersgruppen. Meine Mitarbeiter sind in der Regel unter 35 Jahre alt. Also tritt viel eher der Fall ein, daß Mitarbeiter nach zwei bis drei Jahren Berufserfahrung merken, daß ihnen das exakte Arbeiten, also das Programmieren, nicht liegt. In diesen Fällen haben wir bisher immer eine Lösung gefunden, die der oben geschilderten ähnelt.

Die wenigen älteren Mitarbeiter, die mit mir arbeiten, leiten Großprojekte, die sich im gesamten Unternehmen auswirken. Hierzu ist lange Berufserfahrung und firmeninterne Kenntnis notwendig. Auf diese Mitarbeiter möchte ich nicht verzichten.