Alte Berufsbilder, neue Aufgaben

30.01.2007
Auch beim Speicherhersteller Network Appliance haben sich die Anforderungen an IT-Mitarbeiter in den letzten Jahren verändert. Man sucht Fachleute mit überdurchschnittlichem Potenzial.

Die deutsche Niederlassung des amerikanischen Herstellers Network Appliance, kurz Netapp, hatte in der Vergangenheit weniger mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen als vielmehr mit der veränderten Situation der Kunden. Manfred Reitner, 1997 bei Netapp als Regionalleiter Süd eingestiegen und heute Geschäftsführer Deutschland, erinnert sich: "Aufgrund unserer Produkte und durch die schon früh festgelegte Orientierung auf Firmenkunden hat das Ende des Internet-Hypes Netapp in Deutschland nur geringfügig beeinflusst. Was sich seitdem jedoch veränderte, war die Haltung der Banken und Investoren. Dies hatte zur Folge, dass einige unserer Kunden ihre Investitionen nicht im geplanten Rahmen umsetzen konnten. Für uns bedeutete das, den Fokus verstärkt auf unsere Vertriebsaktivitäten zu legen - mit Mitarbeitern, die das Unmögliche möglich machen."

Hier lesen Sie ...

• warum bei Netapp fachliches Wissen heute mehr zählt als Enthusiasmus;

• warum Quereinsteiger keine Chance haben, genommen zu werden;

• warum Spezialisten den Vorrang vor Generalisten erhalten.

Von außen betrachtet unterscheiden sich die damaligen Positionen bei Netapp nicht von den heutigen: Bereits 2001 wurde nach dem Systems Engineer, dem Professional Service Consultant und Engineer oder dem Sales Representative gesucht. Was sich seitdem laut Ivo Martin, Senior HR Manager Deutschland bei Netapp, verschoben hat, ist der Fokus innerhalb der Stellenbeschreibung. "Vor fünf, sechs Jahren konnten sich Interessenten mit fachlicher Ausbildung und Quereinsteiger gleichermaßen bewerben. NetApp suchte Menschen, die Ideen und Verkaufsstrategien entwickeln konnten, und war kompromissbereit. Entscheidend waren der Enthusiasmus und der Einsatz des Einzelnen und nicht so sehr die fachliche Qualifikation", so Martin.

Andere Schulungen als früher

Beispielsweise setzten Stellenbeschreibungen 2001 eine "fachrelevante Ausbildung" voraus, wogegen heute eine "fundierte Ausbildung oder nachweisbare Erfolge in vergleichbarer Position" nötig sind. Ebenso genügten vor sechs Jahren "erste Erfahrungen und vermutetes überdurchschnittliches Potenzial". Heute muss der Bewerber "fundierte Erfahrungen und klar erkennbares Potenzial" vorweisen können. Laut Ivo Martin zeigt dies die Entwicklung vom Generalisten zum Experten: "Ein Systems Engineer konnte vor einigen Jahren einseitige Kenntnisse haben wie etwa nur Netztechnik oder nur im Storage-Umfeld. Fehlende fachliche Qualifikationen konnte der Mitarbeiter durch Einsatz kompensieren. Wissenslücken wurden im Rahmen umfassender interner Schulungen geschlossen. Heute suchen wir Profis in den jeweiligen Funktionen. Es sind Generalisten mit sehr gutem, übergreifendem Verständnis, die zu Experten werden. Denn Schulungen gibt es auch heute noch, doch bauen wir auf einem anderen Fundament auf."

Kernkompetenzen sind ein Muss

Grund ist einerseits die allgemeine technische Weiterentwicklung und andererseits das über die Jahre verbreiterte Lösungsportfolio von Netapp. Als das Unternehmen 1996 auf dem deutschen Markt Fuß fasste, lieferte es Speicherlösungen für reines Network-Attached-Storage, kurz NAS. Heute bietet der Hersteller eine Palette an Produkten für Enterprise Storage von Abteilungsebene bis zum Datenzentrum. Diese Unified-Storage-Lösungen fungieren heute gleichzeitig als NAS, Fibre Channel SAN und IP SAN und stellen applikationsgerecht ein und dieselben Daten im File- oder Block-Format bereit. Weitere Themen sind Disk-to-Disk-Backup/Recovery, revisionssichere Archivierung oder Virtual Tape Libraries auf Festplattenbasis. Zudem wurde das Storage-Portfolio 2005 um den Bereich Data-Security mit Technologien wie Verschlüsselung, Authentifizierung, Zugriffskontrolle und Partitionierung erweitert. An dieser Entwicklung ist unschwer zu erkennen, dass die Arbeitnehmer mitwachsen und Bewerber entsprechend mehr Basiskenntnisse mitbringen müssen.

"Die viel beschworenen Softskills wie Kommunikations- und Teamfähigkeit listen wir wohl in unseren Stellenanzeigen auf und setzen sie auch voraus", erläutert Reitner. "Viel wichtiger ist aber, dass sich die Bewerber eine Basis an Kernkompetenzen angeeignet haben wie IT-Kenntnisse in Enterprise-Computing, Client-Server-Architekturen, Backup und Hochverfügbarkeitslösungen. Als Spezialisten müssen sie dann auch in mindestens einem Schwerpunktthema wie etwa Storage Networking SAN/NAS, hochverfügbare Datenhaltung, Datenbanken wie Oracle und SAP oder Backup fundiertes Wissen zeigen."

Der Weg von der ersten Kontaktaufnahme bis zum Verkaufsabschluss beim Kunden ist im Vergleich zu 2001 länger geworden. "Natürlich stand auch damals primär die Lösung und ihr Nutzen für den Anwender im Vordergrund", erzählt Reitner. "Man kann niemandem ein Hemd mit drei Ärmeln verkaufen." Im Rückblick seien früher aber die Kunden experimentierfreudiger gewesen und hätten sich auch mal an etwas Neues gewagt: "Entscheidungen wurden schneller getroffen, sobald die finanziellen Mittel zur Verfügung standen."

Heute möchten die Kunden laut Reitner nicht nur IT-Lösungen, sondern auch Dienstleistungen kaufen wie Beratung, Wartung, Audits oder Tests. Hieraus entstanden in den letzen Jahren neue Berufsbilder wie der Technical Support Engineer, der für die technische Unterstützung der Kunden verantwortlich ist und deren Probleme analysiert, reproduziert und behebt. Voraussetzung für diese Position sind Kenntnisse zu NFS, CIFS, SAN, TCP/IP-Networking und Multiprotokoll-File-Server. Netapp-Mitarbeiter spezialisieren sich heute allerdings nicht mehr nur auf Technologien, sondern auch auf Branchen.

Mundpropaganda und Headhunter

So gibt es mittlerweile Key Accounts, die sich ausschließlich um Kunden aus der Telekommunikation kümmern. Alle Mitglieder dieses Teams müssen diesen Industriezweig kennen und entsprechend handeln. Ein weiteres Beispiel für neue Berufsbilder ist das Competitive Advantage Team, das sich nur um die Konkurrenzbeobachtung am Markt kümmert, Verkaufsstrategien erarbeitet und diese an die Mitarbeiter im Vertrieb weitergibt.

"Waren früher Ideenreichtum und Grundwissen gefragt, um neue Technologien vorzustellen, so kommt es heute das analytische, kommunikative und detaillierte technologische Know-how an, um zu überzeugen", erzählt Martin. Bislang rekrutiert Netapp seine Mitarbeiter größtenteils über Mundpropaganda und Headhunter. Dies hat sich über die vergangenen Jahre nicht geändert. In kleinerem Umfang kommen heute Stellenanzeigen in den bekannten Jobportalen dazu. Ab dem 1. Mai 2007 betreibt das Unternehmen ein Trainee-Programm, um erstmals auch Hochschulabgängern Wege in die IT aufzuzeigen. "Die Zahl der Mitarbeiter steigt jedoch konsequent. In diesem Jahr planen wir allein in Deutschland rund 100 Neueinstellungen", so Martin. (hk)