1983 "Bubble"-Chip-Kapazitäten von 4 MBit?

Als Plattenspeicher-Ersatz noch zu teuer

02.06.1978

Von Diplom-Physiker Werner Metzdorf

Magnetblasenspeicher (MBS) beginnen sich in diesem Jahr auf dem Markt durchzusetzen. Mit einer breiten Anwendung ist jedoch erst in den achtziger Jahren zu rechnen. Ursachen für den gestiegenen Optimismus hinsichtlich der MBS sind die rasche Steigerung ihres Integrationsgrades und die stürmische Entwicklung bei Mikroprozessoren.

Der MBS stellt für viele Mikroprozessorsysteme eine gute Ergänzung in Form eines nicht-flüchtigen und energiesparenden Hintergrundspeichers dar, und es können die Mikroprozessoren ihrerseits zu seiner Steuerung herangezogen werden. Die relativ geringe Geschwindigkeit der MBS tritt hier häufig gegenüber seinen obengenannten Vorzügen in den Hintergrund. Zudem sind auch hinsichtlich der mit MBS erzielbaren Datenraten Fortschritte erkennbar. Bessere Speichermedien und Packungstechniken werden künftig einen höheren Schiebetakt und einen leistungssparenden Parallelbetrieb vieler Chips ermöglichen. Die heutigen MBS arbeiten mit einem Schiebetakt von 100 kHz, doch gibt es schon Labormuster mit 500 kHz, und 1 MHz scheint nicht mehr unerreichbar zu sein. Die mittlere Zugriffszeit zum ersten Wort beträgt, je nach Chipkapazität, einige Millisekunden.

Einige Firmen haben in kleinerem Umfang bereits die Serienfertigung von MBS aufgenommen (zum Beispiel TI, Hitachi, Western Electric) oder bereiten diese vor (zum Beispiel Rockwell, Philips, Plessey). Auch werden MBS schon versuchsweise in kleineren Geräten eingesetzt. Noch in diesem Jahr werden Bausteine mit 256 KBit auf einem Chip von verschiedenen Firmen auf dem Markt erwartet andere Firmen werden im nächsten Jahr folgen, darunter auch reine Halbleiterfirmen. Im Labor gibt es bereits Chips mit 1 MBit auf ca. 1 qcm Fläche Bausteine mit solchen Chips werden voraussichtlich schon 1979/80 auf den Markt kommen. Damit liegen die MBS hinsichtlich des erzielten Integrationsgrades an der Spitze aller Festkörperspeicher. Dies ist vor allem eine Folge ihres relativ einfachen, wenn auch noch etwas ungewohnten Herstellprozesses (1 Hochtemperaturprozeß, 2 Maskenschritte). Man arbeitet sogar an Strukturen, für deren Herstellung nur noch 1 Maskenschritt erforderlich sein wird. Ab etwa 1983 rechnet man sogar mit einer Chipkapazität von 4 MBit. Diese erfordert jedoch eine neue Technologie der Strukturerzeugung, für die schon beträchtliche Vorarbeiten geleistet wurden (Elektronenstrahl- und Röntgenlithographie). Die Integration der MBS wird jedoch nicht nur bei der Chipkapazität vorangetrieben, sondern es wird mit wachsender Fertigungskapazität und -erfahrung auch die Anzahl der in einem Baustein zusammengefaßten Chips wachsen. So experimentiert man in Japan bereits erfolgreich mit Bausteinen, die einmal 32 Chips von je 1 qcm aufnehmen sollen. Diese Entwicklungsrichtung wird vor allem durch Überlegungen zur Kostensenkung bei der Speicherelektronik diktiert. Heute versucht man hauptsächlich, durch spezifische Halbleiter-ICs die Kosten der aus vielen 1-Chip-Bausteinen aufgebauten MBS zu senken.

Preisunsicherheiten

Hinsichtlich der künftigen Preisgestaltung für Magnetblasenspeicher besteht heute angesichts des sich erst langsam entwickelnden Marktes und der mangelnden Fertigungserfahrung noch eine gewisse Unsicherheit. Diese erweist sich häufig als ein Handicap für eine rasche Marktausweitung. In der Anlaufphase wird für die Bausteine mit 256 KBit ein Preis zwischen 150 und 250 US-Dollar erwartet; doch sind die Hersteller optimistisch daß sich künftig Preise von 10 bis 20 Milli-Cent pro Bit erreichen lassen werden.

Über Einsatzmöglichkeiten für den MBS wird heute bei den Geräteherstellern intensiv nachgedacht. Außer den bereits erwähnten Hintergrundspeichern für Mikroprozessorsysteme werden vor allem Anwendungen in der elektronischen Vermittlungstechnik und in Prozeßrechnern als Ersatz für Magnettrommeln und Festkopfplatten ins Auge gefaßt. Eine höhere Zuverlässigkeit, ein geringeres Bauvolumen und geringere Kosten sind dabei die Triebfedern. Ein Ersatz von Magnetbandkassetten und Floppy Disks ist in allen den Fällen interessant, wo die häufige Austauschbarkeit des Speichermediums nicht im Vordergrund der wirtschaftlichen und technischen Überlegungen steht. Hingegen kommt der Einsatz der MBS in großen DV-Anlagen vorläufig noch nicht in Frage, es sei denn in ihren Terminals. Eine Verwendung als - Seitenspeicher zwischen Arbeits- und Plattenspeicher scheitert meist an der geringen Geschwindigkeit der MBS; für einen Einbruch in die Domäne der Plattenspeicher mit beweglichen Köpfen bedarf es bei den Magnetblasenspeichern noch drastischer Preissenkungen, die vielleicht bei 4 MBit Chipkapazität möglich werden könnten.